Ein Erdbeben aus Basel: Liquiditätsparameter neu definiert! Noch am 3. Januar 2013 konnte man auf der Webseite von Othmar Karras – Berichterstatter an das europäische Parlament für das Projekt der Umsetzung von Basel III in das EU-Recht durch die CRRRichtlinie – lesen, dass die Einigung von Europäischem Parlament, Europäischer Kommission und dem Rat unmittelbar bevorstehe. Dabei bedeutet unmittelbar: Donnerstag, den 10. Januar 2013. Daraus wird wahrscheinlich nichts. Am Sonntag verkündete der Basler Ausschuss eine Kehrtwende bezüglich der Liquiditäts- Kennzahlen. Die Mittelabflüsse werden neu parametrisiert: Statt 5 % Abflüsse bei Kundeneinlagen muss für die vorausschauende Periode nur noch mit 3 % gerechnet werden. Unternehmensabflüsse dürfen mit 40 % statt 75 % gerechnet werden, die potentielle Ausnützung von Kreditlinien wird nur noch mit 30 % - 40 % angerechnet, statt wie bisher mit 100 %. Darüber hinaus wird der Korb liquider Mittel ausgeweitet: Manche Aktien sollen bis zu 50 % des Marktwertes anrechenbar sein, Unternehmensanleihen mittlerer Qualität ebenso und RMBS mit 25 % Abschlag. Covered Bonds sollen einen Abschlag von 15 % aufweisen. Darüber hinaus muss die Deckung der Liquidität erst ab 2019 voll erfolgen: Ab 2015 soll der Deckungsfaktor nur 60 % betragen und dann jährlich in Zehnprozent-Schritten auf 100 % steigen. Das neue Basler Dokument, welches von der „Group of Governors and Heads of Supervision (GHOS)“ erarbeitet wurde, ist spektakulär. Wieso wird ausgerechnet kurz vor der Einigung auf EU-Ebene, wobei es hier nur um das Feilen verschiedener Begriffe ging, ein wesentlicher Baustein verändert? Wie soll am Donnerstag Einigkeit erzielt werden? Kann man den EU-Institutionen etwas vorwerfen, die sich entschlossen hatten, die CRR-Richtlinie auf der Baseler Grundlage aufzubauen? Hatte die gemeinsame Arbeitsgruppe von Parlament und Kommission im Dezember noch nichts geahnt? Gerade der zeitliche Aspekt des Dokuments ist ein echter Paukenschlag. Wenn man die neuen Vorschläge bei der EU umsetzen will, braucht man dafür viel Zeit. Wenn man den Ursprungstext durchzieht, wird man auf erbitterten Widerstand in einigen EU-Ländern (mit Sicherheit Schweden und Großbritannien) treffen. Die zweite Konsequenz ist ökonomischer Natur: Viele Banken haben im letzten Jahr Liquidität im Vorgriff auf das Inkrafttreten der Richtlinie gekauft, da diese gerade im 1. Halbjahr 2012 attraktive Spreads Bis etwa Ende August 2012 galt felsenfest, dass die Richtlinie Anfang 2013 in Kraft tritt. Erst dann gab es Stimmen aus dem EU-Parlament, die für eine Verschiebung um ein halbes Jahr plädierten. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Europäische Bankenaufsicht (EBA) noch am 20. Dezember 2012 „Supervisory reporting Requirements“ auch für die Liquidität veröffentlichte und dabei ein Excel-Spreadsheet als Mustervorlage erstellte. Dies können Banken freiwillig ausfüllen – es wurde angemerkt, dass der CRR-Regulierungstext nicht „final“ ist. Hier konnten wir den Eindruck gewinnen, dass die Meldungen zum Liquiditätspuffer für einige Assetklassen in beiden Liquiditätsstufen möglich sind. Wenn es nun wahrscheinlich zur Verzögerung kommt und zusätzlich die Parameter wesentlich geändert werden, dann haben die Banken vielleicht schon zu viele liquide Mittel erworben. Wenn die projektierten Mittelabflüsse geringer werden, dann liegt der benötigte Liquiditätspuffer eventuell nur 60 % bis 70 % des ursprünglich veranschlagten. Wenn darüber hinaus der Deckungsgrad im Jahr 2015 nur 60 % betragen soll, dann brauchen Einlagenkreditinstitute im Jahr 2015 möglicherweise nur 36 % bis 42 % der bislang vermuteten Liquidität. In der Folge davon könnten sich die Institute in der nächsten Zeit von den bisherigen liquiden Mitteln (Staatanleihen, Supras, Agencies ohne Banklizenz und starke Unternehmensanleihen) wieder trennen. Da Liquidität ein Kostenfaktor ist, profitiert die Ertragsseite der Banken. HSBC/Trinkaus |