Ich gebe Dir mal eine kleine Auswahl an Gründen, warum ich den Handelsblatt-Artikel für schlecht recherchiert, einseitig, und teils faktisch falsch halte.
-Anfangs wird suggeriert, dass Tesla diese Woche nur aufgrund von Preissenkungen in den Nachrichten war. Ich habe da noch andere Nachrichten vernommen, z.B. dass sich Kanzler Scholz für einen Ausbau von Grünheide aussprach, dass Tesla eine Batteriefertigung in Indonesien aufbauen will, dass Pepsi sehr zufrieden mit ihren Semi-Lastern sind, etc...diese News werden weggelassen, passen halt nichts ins Narrativ. Ins Narrativ passen aber "Die Preissenkungen für das Model Y in China", obwohl die nur zwei Modellvarianten (Long Range und Performance) betreffen, und eben nicht die viel häufigere Standard Range Variante.
- "Elon Musk will den Absatz mit allen Mitteln antreiben" - ja stimmt, aber sicher nicht "koste es, was es wolle." Musk hat mehrmals gesagt, dass er sich auch vorstellen kann, die Autos ohne großartigen Gewinn zu verkaufen, weil so über FSD und andere Services in der Zukunft Einnahmen erzielt werden können. Für mich bedeutet "koste es was es wolle" was anderes, eher so was, was Lucid macht, nämlich jedes Auto mit ein paar hunderttausend Euro Verlust verkaufen.
-Eine echte Antwort, warum es nachteilig sein soll, wenn ein Autobauer höhere Absatzmengen anstrebt, bleibt der Autor schuldig. Als "Beweise" werden Daimler/Chrysler genannt (als ob die je eine Chance auf dem Massenmarkt gehabt hätten), oder Renault/Nissan (als ob beide Autobauer irgendeine richtungsweisende Technik oder zumindest ein besonders ansprechendes Design hätten). Der Autor hätte sich zumindest auch mal fragen können, warum Stellantis ausgerechnet jetzt so gute Margen hat, wo sie doch nur ein halbes Dutzend Pleitekandidaten wie Opel, Fiat, Vauxhall vereinen und ein weiteres halbes Dutzend, die ohne die Fusion wahrscheinlich auch nicht überlebt hätten...Erwähnt wird noch, dass auch Toyota Probleme hatte auf 10Mio zu kommen. Na toll, wahrscheinlich unvorstellbar für einen Journalisten, dass der Bau von 10Mio Autos etwas komplexer ist als einen Artikel zu schreiben, und da natürlich auch mal Probleme auftraten. Welche jetzt genau, das muss sich der wehrte Leser leider selbst zusammenreimen.
-Dann führt der Autor noch an, dass die Ausweitung der Produktion dem Markt entsprechen muss. Was soll das heißen?? Wenn weltweit jedes Jahr ca. 70Mio Autos verkauft werden, dann ist doch sogar Platz für drei Autobauer, die 20 Mio Autos jährlich verkaufen. Wir erleben seit Jahrzehnten einen Trend hin zu weniger Autobauern (auch wenn Marken am Leben gehalten werden oder sogar neue gegründet). Warum sollte dieser Trend aufhören? Stichwort Stellantis, weil oben schon genannt.
-Dann folgen Ausführungen zu FSD...erwähnt wird leider nicht, dass es FSD auch als Abo-Modell gibt, und nicht gleich jeder 15.000$ hinblättern muss. Auch die Aussage "Nur ein Prozent der US-Kunden entscheidet sich für FSD." ist deswegen schlichtweg falsch. Genaue Zahlen werden nicht veröffentlicht von Tesla, aber Ende letzten Jahres haben sie mal die Zahl 285.000 in Nordamerika genannt, was zu dem Zeitpunkt fast 20% entsprach. https://electrek.co/2022/12/29/...ht-full-self-driving-north-america/ ...Tja, einfach mal um einen Faktor 20 daneben liegen, was macht das schon?
- Dann kommen so Aussagen wie "FSD ist trotz des Namens weit vom autonomen Fahren entfernt, Konkurrenten wie Mercedes können mit einer besseren Performance aufwarten". Das mag stimmen, dass das aber nur in einem Parkhaus in Stuttgart gilt, lässt der Autor weg.
-"Auch ist der Ansatz von Tesla, rein mit Kameras zu arbeiten und auf Radar und Lidar-Sensoren zu verzichten, problematisch" ...ja, stimmt sogar, wenn man problematisch wortwörtlich nimmt. Aber Tesla lebt ja gerade davon, diverse und sehr komplexe Probleme zu lösen. Wenn der Autor aber meint, dass man autonomes Fahren mt Radar und Lidar einfacher löst, dann soll er mal erklären, warum andere Anbieter, die auf diese Techniken setzen, auch nicht weiter sind als Tesla. Jaja ich weiß, Cruise und Waymo...da hab ich gestern erst dazu gepostet, da kann man schön in Presseartikeln nachlesen, wie diese auch mit Lidar und Radar regelmäßig versagen.
"Die Hoffnung von Musk, mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Computer Vision epochale Durchbrüche zu schaffen, könnte trügen." ...ja, oder auch nicht. Einfach mal einen Konjunktiv hingeklatscht, irgendwas wird schon hängen bleiben beim wehrten Leser.
" Allein in den vergangenen vier Wochen verlor das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von 225 Milliarden Dollar"...und das hat was mit FSD zu tun? ein Journalist des Handelsblatt sollte doch in etwa einen Überblick haben, wie die Börsen in den letzten Wochen liefen. Viele US-Techwerte korrigierten10-20%, Tesla mit höherem beta wie immer. Alles völlig normal nach dem fulminanten Anstieg seit Jahresanfang, klar nehmen Leute auch mal ein paar Gewinne vom Tisch. Aber nein, es war natürlich die Verunsicherung wegen FSD
"Kapitalerhöhungen würden schwierig werden"...vielleicht, wenn Tesla die denn wirklich bräuchte. Aber einfach noch so ein schöner, nichtssagender Konjunktiv...
"Elon Musk wäre in die Autofalle getappt." ...Ah, herrlich. Eine schöne Pointe am Schluss. Die darf in einem schönen deutschen Meinungskommentar natürlich nicht fehlen. Bravo, das wird den wehrten Leser freuen.
So, jetzt hab ich nochmal 15min Lebenszeit auf diesen Quatsch verschwendet. Aber vielleicht hilft es ja manchen Foristen zu erkennen, welchen halbgaren Unfug man sogar in der Fachpresse hierzulande täglich lesen muss.
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