Solarkrise erfreut Häuslebauer [08:00, 05.03.09]
Von Corinna Kreiler
Der Boom ist vorbei: Die Preise für Solarzellen sind im freien Fall. Verbraucher können sich freuen – den Herstellern droht dagegen ein Massensterben.
Das verschlafene Dorf Rettenbach am Auerberg im Ostallgäu ist Tabellenerster – zumindest in der Solarbundesliga, einem Ranking, das Nutzung von Solarenergie in der Bundesrepublik auflistet: 1563 Kilowatt Strom werden in dem Allgäuer Ort pro Kopf aus Sonnenergie gewonnen, so viel wie sonst nirgends in der Republik. Dabei verbrauchen die Rettenbacher den Strom nicht nur selbst, sie speisen ihn auch ins Netz ein und erhalten dafür bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde – ein von der Politik diktierter Preis, der unter Marktbedingungen nicht erzielt würde. Für die Dorfbewohner im Allgäu ist das ein gutes Geschäft, denn die Regierung garantiert ihn für 20 Jahre.
Nicht nur die Rettenbacher könnten nun profitieren, wenn sie ihre Dächer noch weiter aufrüsten würden: "Die Preise für Solarzellen und -module fallen rapide", sagt Manuel Frondel, Energieexperte des RWI Essen. Demnach wird es für Verbraucher immer günstiger, sich Solaranlagen aufs Dach zu schrauben – allein zum Jahresanfang 2009 sanken die Preise für die Anlagen nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft um rund acht Prozent.
Was die Verbraucher freut, macht den Herstellern schwer zu schaffen: Lange galt die Branche als Garant für satte Zuwachsraten. Durch den Preisverfall schlittert die Industrie nun in die Krise. "Von den einstigen Traum-Margen von angeblich bis zu 40 Prozent müssen sich die Hersteller verabschieden", sagt Frondel. Bereits jetzt geraten einige Unternehmen unter Druck.
Zwar konnte der weltgrößte Solarzellenhersteller Q-Cells aus Sachsen Anhalt das Jahr 2008 noch mit Gewinn abschließen. Die Erwartungen für 2009 hat das Unternehmen jedoch schon zum zweiten Mal nach unten korrigiert: Statt wie im Dezember angekündigt 1,75 bis 2,25 Mrd. Euro Umsatz erwartet Q-Cells jetzt nur noch 1,7 bis 2,1 Mrd. Euro. Auch die Konkurrenten Ersol und Solon rechnen damit, dass das Geschäft abflaut.
Massive Überkapazitäten aufgebaut
Der Niedergang hat jedoch nur wenig mit der derzeitigen Wirtschaftskrise zu tun, er ist vor allem hausgemacht: In den vergangenen Jahren wurden massiv Produktionskapazitäten aufgebaut, die staatlichen Einspeisevergütungen kurbelten die Nachfrage weiter an. Die Preise hielten sich so lange auf hohem Niveau – jetzt purzeln sie. "Der Preisverfall, der in der Vergangenheit ausgeblieben ist, wird jetzt nachgeholt", sagt Frondel. Mit weitreichenden Folgen: "Es steht eine Marktbereinigung bevor", meint Hubertus Bardt vom IW Köln. Zahlreichen Betrieben droht nun das Aus, es stehen Fusionen und Übernahmen an.
Bedauerlich finden die Experten das keineswegs: "Die Entwicklung war überfällig", sagt Frondel. Seiner Meinung nach ist es sogar "sehr wünschenswert", dass einige Hersteller auf der Strecke bleiben. Denn dann wäre Schluss mit dem Biotop, in dem es sich die Solarbranche in Deutschland mit Hilfe von Subventionen gemütlich gemacht hat: "Im rauen Wettbewerb würden nur noch die überleben, die wirklich profitabel sind." Und langfristig kann Solarstrom nur dann wettbewerbsfähig werden, wenn er günstiger produziert wird oder es weitreichenden technischen Fortschritt gibt.
Allerdings droht der Branche bereits neues Ungemach: Im kommenden Jahr werden die Einspeisevergütungen acht Prozent niedriger sein als 2009 und bei knapp 40 Cent je Kilowattstunde Solarstrom liegen. Demnach erhalten Verbraucher, die sich ab 2010 eine neue Anlage auf dem Dach installieren lassen, deutlich weniger Geld. "Dadurch wird noch mehr Druck auf die Preise für Solarzellen ausgeübt werden", sagt Frondel. Dennoch: Die Solarindustrie wird dadurch nicht zugrunde gehen, das langfristige Potential der Branche ist groß. Durch mehr Wettbewerbsfähigkeit ließe sich der schnelle Ausbau der Sonnenenergie sogar noch beschleunigen. Und ganz so schlimm wie bei der Speicherchipindustrie wird es ohnehin nicht kommen: Dort belasten fallende Preise und kurze Produktzyklen die Hersteller extrem. "Eine derartige Entwicklung ist in der Solarbranche nicht absehbar", sagte Energieexperte Bardt. |