Viel Wind, wenig Spielraum Von unserem Redakteur Ralf Reichert
Der Norden von Goggenbach ist gut geeignet für einen Windpark. Die Fläche liegt außerhalb eines Tieffluggebiets, die Grundstücksbesitzer sind sich weitgehend einig, der Wind bläst in 140 Meter Höhe bis zu 6,25 Meter pro Sekunde.Modell: privat
Hohenlohe - Theoretisch könnten im Hohenlohekreis ab 2013 viele neue Windräder gebaut werden. Praktisch steht dahinter ein dickes Fragezeichen. Acht Rotoren drehen sich bisher im Kreis, Dr. Wolfgang Eißen, Statthalter der Bioenergieregion HOT in Öhringen, hält eine "Verdreifachung" bis 2020 für machbar: "Dann ist das Potenzial ausgereizt." Also 24. Das sind weniger, als der Kreis Hall heute hat. Wenn die Räder dann, wie von HOT gewünscht, nicht einzeln in der Landschaft stehen, sondern wohl geordnet in wenigen Windparks, dürfte der große Aufschrei in der Bevölkerung ausbleiben. Der große Reibach für Grundstücksbesitzer und Investoren allerdings ebenso.
Grenzen
"Die Kreise Hall und Main-Tauber sind dünner besiedelt, da sieht es vielleicht anders aus." Doch auch hier sind dem geplanten Ausbau der Windenergie Grenzen gesetzt. Beispiel Creglingen: Das weiträumige Stadtgebiet ist ein Eldorado für Windschürfer. Blöd nur, dass jetzt fast die gesamte Fläche zur Tabuzone erklärt wurde. Der Grund: die Heeresflieger in Niederstetten. Die Sicherheitsbestimmungen für den dortigen Flugplatz haben Vorrang. Und eine Vogelart, die einen weiteren Standort blockiert.
Auch Mulfingen hat viele gute Windflächen. Dort ist es aber das gleiche. Tieffluggebiet, Jet-Übungsstrecke: "Fast alle guten Standorte fallen raus", sagt Eißen. Bürgermeister Robert Böhnel relativiert: "Der Flugplatz in Niederstetten ist dafür nicht alleine verantwortlich." Die Bundeswehr sei nur eine "Restriktion", der Naturschutz eine andere. "Die Verbände laufen gerade Sturm", sagt Sebastian Damm, Geschäftsführer von HOT. Brigitte Vogel aus Eberstal, Hohenloher Sprecherin des Landesnaturschutzverbands, hat nichts gegen Windräder − solange Vögel oder Fledermäuse nicht leiden. "Bis jetzt gibt es keinerlei Daten, welche Arten in kritischen Höhen gefährdet wären." Im Harz seien tote Rotmilane auffallend häufig unter Windkraftanlagen gefunden worden. "Auch bei uns ist diese Vogelart sehr verbreitet."
Die diskutierten Abstandsregeln zur Wohnbebauung sind im dicht besiedelten Hohenlohekreis ein weiteres Ausschlusskriterium. "Wir sind für 1000 Meter", sagt Damm. Die Befürworter halten 600 Meter für ausreichend, die Gegner pochen auf 1500 Meter. Gerade stünden 700 Meter im Raum. So oder so: Viele Standorte wären tabu, weil oft ein Weiler an den nächsten grenzt und weite Ackerflächen selten sind.
Zeitdruck
"Mit der Energiewende ging alles viel zu schnell", erklärt der HOT-Geschäftsführer. "Es wurde nicht bedacht, wie das unten umgesetzt wird." Es ist ein Spiel gegen die Zeit, viele Gemeinden stehen unter Druck. Ab 1. September können überall im Land Windräder gebaut werden, wenn die Standorte gesetzliche Regeln erfüllen. Es könnte also zu einem Wildwuchs kommen: die befürchtete Verspargelung der Landschaft. Das will HOT für den Großraum Hohenlohe vermeiden. Doch der Verbund hat nicht das Sagen, er kann nur beraten. Ab Herbst sind die Kommunen Herr des Verfahrens, der Regionalverband wird entmachtet. Allerdings müssen die Städte und Gemeinden selbst tätig werden, um künftig überhaupt Einfluss zu haben. Sie müssen akribisch prüfen, wo Windkraft möglich und erwünscht ist. Sie müssen Vorranggebiete ausweisen und dazu ihre Flächennutzungspläne ändern, die meist gar keine zulässigen Gebiete für Windenergie enthalten, weil das bisher Sache der Regionalverbände ist. Ohne diese Anpassung wäre die gesamte Gemeindefläche ab Herbst "frei" für die Windkraft − und Genehmigungsbehörde das Landratsamt.
Grundstückseigentümer, Projektentwickler und Investoren haben ein Interesse, die Flächen zu vergolden. Sie wollen, dass ihr Standort zum Zug kommt, und können Druck ausüben. Im Zweifel ist ihnen egal, ob Windräder solo in der Landschaft stehen. Was zählt, ist der Profit. Kommunen sehen das anders. Die meisten sind für einen Flächenverbund mit mehreren Windrädern. Sie wollen, dass die Wertschöpfung im Ort bleibt und Bürger ihre eigenen Windparks managen. So wie in Goggenbach, wo die Planung am weitesten ist und mit dem Bau im Sommer 2013 begonnen werden könnte.