ftd.de, Di, 12.11.2002, 11:20, aktualisiert: Di, 12.11.2002, 12:50 Rot-Grün legt Rentenstreit bei
SPD und Grüne haben sich im Streit um die Erhöhung der Rentenbeiträge geeinigt. Für namhafte Politiker und Wirtschaftsvertreter ist eine verlängerte Lebensarbeitszeit wegen der Finanzkrise in der gesetzlichen Rentenversicherung unvermeidlich.
Wie die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel am Dienstag in Berlin mitteilte, verständigten sich beide Koalitionspartner auf einen konkreten Arbeitsauftrag für die Kommission zur Reform der Sozialsysteme. Bundesgesundheits- und Sozialministerin Ulla Schmidt will die Details am Mittag vorstellen.
Die Verhandlungspartner vereinbarten nach Angaben der Grünen, dass sich die Kommission auch um eine Rentenreform kümmern soll, die Generationengerechtigkeit und eine Senkung der Lohnnebenkosten sicherstellt. Dies war eine Vorbedingung der Grünen für ihre Zustimmung zur Erhöhung der Rentenbeiträge von 19,1 auf 19,5 Prozent, die am Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll. "Dieses Signal ist gesetzt, die Kommission wird einvernehmlich eingesetzt", sagte Scheel.
Rente erst mit 67 gefordert
Mehrere Grünen-Abgeordnete waren im Zuge des Rentenstreits dafür eingetreten, das tatsächliche Renteneintrittsalter anzuheben. Die Rentenkassen würden stark entlastet, wenn mehr Beschäftigte tatsächlich bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Ein Renteneinstieg mit 65 Jahren werde sich auf Dauer nicht halten lassen, sagte Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt der "Bild"-Zeitung. Der Vorsitzende des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, sprach sich dafür aus, das Renteneintrittsalter in einem ersten Schritt um zwei Jahre anzuheben. "Wichtig ist, zunächst das tatsächliche Renteneintrittsalter mittelfristig auf 67 Jahre zu erhöhen", sagte er dem Blatt.
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Rainer Brüderle sagte: "Wenn Rot-Grün die Rentenversicherung weiter vor die Wand fährt, können die Menschen bald erst mit 70 in Rente gehen." Sachsens ehemaliger Ministerpräsident, Kurt Biedenkopf (CDU), sagte der Zeitung: "Weil immer weniger Beitragszahler immer mehr Renten finanzieren müssen, wird das Rentenalter notwendigerweise steigen müssen - auf 67 Jahre und mehr."
Rentenversicherer fürchten Brüsseler Finanzkontrolleure
Der Verband deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) befürchtet langfristige Schwierigkeiten für die Rentenpolitik durch wachsenden finanziellen Druck aus Brüssel. Die von den Mitgliedstaaten formulierten Ziele, dass ältere Menschen nicht von Armut bedroht sein sollten und in den Genuss eines angemessenen Lebensstandards gelangen müssten, dürfen nicht Sparzwängen oder einer allzu peniblen Auslegung der Maastricht-Kriterien zur Haushaltskonsolidierung zum Opfer fallen. Das forderte der stellvertretende Verbandsvorsitzende Jürgen Husmann.
Der VDR-Vorsitzende Erich Standfest verwies darauf, dass die in Deutschland vorherrschende Umlagefinanzierung der gesetzlichen Altersvorsorge zunehmend ins Visier der Finanzkontrolleure geraten könne. Deren Favorit sei eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, die keiner staatlichen Zuschüsse bedürfe und sich deshalb auch nicht auf die Haushalte auswirke. "Das Problem ist, dass in der EU bisher die Wirtschafts- und Finanzpolitiker Sozialpolitik betreiben", sagte Standfest.
Sein Stellvertreter Husmann sagte, es gelte, die Aspekte des sozialen Ausgleichs innerhalb der Solidargemeinschaft "auch unter dem Druck der Finanzpolitik zu bewahren". Dies sei innerhalb der EU schwer, weil die nationalen Rentenpolitiken verschieden seien. Zwar gebe es den Ansatz der "offenen Methode der Koordinierung" der Systeme, doch sei die Findung aussagekräftiger Indikatoren für eine vergleichende Darstellung nicht befriedigend gelöst. Es mangele an "Transparenz des gesamten Verfahrens".
© 2002 Financial Times Deutschland
Quelle: http://www.ftd.de/pw/de/1036753538166.html?nv=hptn
Meine Meinung hierzu: 1. SPD/Grüne-Kommissionen bringen gar nichts. Siehe Arbeitsmarkt. Dessen "Erfinder" und Namensgeber distanziert sich ja schon indirekt von diesem verhunzten Projekt, dem durch die Bank weg keinerlei Chancen zur Senkung der Arbeitslosenzahlen mehr eingeräumt werden. 2. Selbst wenn eine Kommission Vorschläge erarbeitet, ist bei einer (positiv gedachten) Umsetzung noch kein Zeitpunkt in Sicht und auch die Inhalte können wieder bis zur Unkenntlichkeit abweichen. 3. Die Grünen haben sich nach Afghanistan, Atomausstieg etc. einmal mehr vorführen lassen. 4. Jedes Kind weiß, daß verlängerte Beitragszahlungen in die Rentenkasse hinterher auch wieder höhere Ansprüche mit sich bringen. Also werden die Belastungen langfristig deutlich noch größer als bisher. Das macht der jetzigen Regierung wohl nichts aus. Hauptsache kurzfristig agiert. Reformen sind da nicht gefragt. Nachdenken sowieso nicht. 5. Der Faktor Arbeit wird nun definitiv teurer, mehr Arbeitslose sind die Folge. Die Folge: Steuern und Abgaben weiter rauf, Leistungsbereitschaft wird noch mehr als bisher unterdrückt. Fazit: Wie gewohnt die Note 6 für diese Raubritter. |