Ich muss zugeben, auch ich habe das Börsenspiel, das Infineons Vorstandssprecher Peter Bauer, Finanzvorstand Marco Schröter und der amerikanische Finanzinvestor Apollo in den vergangenen Wochen gespielt haben, am Anfang nicht durchschaut.
Dabei sind die Spielregeln eigentlich sehr einfach: Infineon braucht dringend ganz viel Geld, um 2010 die Wandelanleihen zurückzahlen zu können. Ein Weg, an Geld zu kommen, ist eine Kapitalerhöhung mittels Ausgabe neuer Aktien. Das Problem: Man muss genug Käufer finden, die bereit sind, die neuen Aktien zu zeichnen. Hier kommt nun die Heuschrecke Apollo ins Spiel: Diese erklärt sich bereit, alle neuen Aktien bei mangelnder Nachfrage der Altaktionäre alleine zu übernehmen. Durch diese Ankündigung, die eine hohe Nachfrage suggeriert, steigt der Kurs der Infineon-Aktie. Weil dieser deutlich über dem Emissionspreis von 2,15 Euro je Aktie lag, waren in der Folge viele Altaktionäre bereit, neue Aktien zu kaufen.
Das Ergebnis ist folgendes: Bei der Kapitalerhöhung zeichneten die Altaktionäre nach Infineon-Angaben rund 97 Prozent der neu ausgegebenen Aktien, Apollo übernimmt den Rest und hält nun 1,3 Prozent an Infineon.
Und was hat Apollo davon? Das Unternehmen bekommt eine Provision in Höhe von 20 Mio. Euro alleine dafür, dass man öffentlich gesagt hat, man wolle die neuen Aktien ggf. alleine übernehmen. Erst durch diese Aussage kamen die weiteren Prozesse (Steigerung Aktienkurs, damit Generierung von Interesse bei Altaktionären) in Gang. Des Weiteren überlässt Infineon dem Apollo-Mann Manfred Puffer einen freien Posten im Aufsichtsrat.
Der große Gewinner in dem Börsenspiel heißt aber Infineon. Nach Abzug der Apollo-Provision und Bankgebühren in Höhe von rund 18 Mio. Euro bekommt der Chiphersteller 687 Mio. Euro in die Kasse gespült. Laut Bauer können damit »die Refinanzierungsfragen mit dem heutigen Schritt als gelöst betracht werden«, die erfolglosen Bittgänge nach Berlin wegen Staatshilfen brauchen Bauer und seine Vorstandskollegen damit nicht länger zu tätigen.
Offiziell gibt es keine Bestätigung, dass dieser Ablauf so geplant war, vielmehr wollte Apollo ja angeblich mit der Kapitalerhöhung knapp 30 Prozent an Infineon übernehmen. Es gibt jedoch ein untrügliches Anzeichen dafür, dass eben doch alles so geplant war: Im Fall eines großen Einstiegs von Apollo hätte Puffer nämlich den scheidenden Max-Dietrich Kley als Aufsichtsratschef ablösen sollen.
Wie man immer wieder aus unternehmensnahen Kreisen hört, handelt es sich bei Kley ja um einen Mann, der – diplomatisch formuliert – ähnlich wie Franz Beckenbauer beim FC Bayern München eher seine eigenen Interessen als die des Unternehmens vertritt. Nachdem er schon die Ex-CEOs Schumacher und Ziebart abgesägt hat, wurde ja auch schon der aktuelle Vorstand mit Unterstützung einer großen süddeutschen Tageszeitung demontiert, indem öffentlich »endlich eine Strategie« eingefordert wurde.
Warum sollte Kley einem Vorgehen zustimmen, an dessen Ende er seinen Posten räumen müsste? Hätte er dies vor dem Ablauf seiner Amtszeit 2010 vorgehabt, hätte sich ein Rücktritt nach seinem desaströsen Wahlergebnis bei der letzten Infineon-Hauptversammlung angeboten. Kley konnte der Kapitalerhöhung nur dann ohne Risiko für sich selbst zustimmen, wenn das Börsenspiel von Anfang an so geplant war, wie es dann auch gelaufen ist:
Infineon, das – man mag es vor Verwunderung kaum aussprechen – nunmehr quasi schuldenfrei dasteht, kann dank dieses genialen Schachzugs von Bauer und Schröter nicht nur die Wandelanleihen zurückzahlen, sondern hat sogar noch Spielgeld in der Kasse, um im Rahmen der erwarteten Branchenkonsolidierung nach der Finanzkrise Zukäufe zu tätigen.
Billiger als jetzt wird man interessante Firmen bzw. Sparten zumindest mittelfristig wohl kaum mehr bekommen. Und am Ende des Tages könnte tatsächlich das bisher undenkbare eintreffen: Nach der Abschreibung von Qimonda und einer Normalisierung des Umsatzes könnte der in seinen Schlüsselmärkten bestens positionierte Chip-Hersteller Gewinne verbuchen und seinen Aktionären eine Dividende zahlen. Dies kennen sie bisher nur aus der Literatur oder von Wikipedia, denn seit seinem Börsengang hat Infineon nicht einmal eine Dividende ausschütten können.
Frank Riemenschneider, Elektronik