Sorry, Zanoni, aber das Folgende muss jetzt einfach mal raus:
Ich halte Hayek für einen marktliberalen Sozialdarwinisten. Er überträgt Darwins Kategorien der "natürlichen Selektion" - dem Sujet und dem Zeitgeist unangemessen - auf die Märkte.
Hayek hat zwar mMn insofern recht, als "der Markt" eine hervorragende Bewährungsprobe/Lackmustest für (Schnaps-)Ideen aller Art ist. Was nichts taugt, weil der Markt es nicht akzeptiert (keine Käufer), scheitert eben. In dem Punkt gibt es auch Parallelen zur Evolution. (Mutationen erzeugen beim Menschen in 99 % der Fälle Behinderte und nur in 1 % der Fäll neue Genies).
Ohne Käufer erweist sich eine scheinbar geniale Idee im Nachheinein als töricht. Diese Bewährungsprobe fehlt z. B. in Planwirtschaften, weil dort auch törichte Ideen (der Bürokraten/Funktionäre) zur Massenproduktion führen - gegen die eigentlichen Interessen und Bedürfnisse der Endabnehmer.
Eine solche Schnapsidee war aber auch der Euro. Und die planwirtschaftliche Rettungsaktionen der EZB und der EU-Kommission (Rettungschirme) zur Bewältigung der (absehbaren) Spätfolgen zeigen, dass der Euro unter Marktkriterien keine Chance gehabt hätte. Auch hier stimmt ich Hayek zu. Faule Geschäft, basierend auf faulen Ideen, müssten auch SCHEITERN dürfen. Diese Scheitern (inkl. Banken-/Firmenpleiten) ist laut Schumpeter sogar eine kreative Reinigung.
Es gibt aber umgekehrt auch scheinbar törichte Ideen, die im Nachhinein durch ihren Markterfolg "geheiligt" werden. Das sind Ideen, die z. B. die um Finanzierung gebetenen Banken hinsichtlich der Geschäftsidee als "völligen Käse" einstufen. Stattdessen kommt dann eine Privatfinanzierung (Risikokapital), und siehe da - die Nachfrage ist am Ende doch da, und viel stärker als von den skeptischen Bankern (die ebenfalls oft Bürokraten sind) geglaubt. So war es zum Beispiel beim "Minitatur-Wunderland Hamburg" das anfangs keine Bank finanzieren wollte, inzwischen aber zur einer der bedeutenden Tourismusattraktionen Hamburgs geworden ist.
https://www.hamburg.de/miniatur-wunderland/
Der Markt ist daher ein probates Mittel, um Weizen von der Spreu zu trennen.
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Allerdings resultiert als Quintessenz aus Hayeks Denkens eine neoliberale Hartherzigkeit, die sich gegen Altruismus und Sozialismus stellt - da diese angeblich die Märkt gefährden. Und in dem Punkt setzt auch meine Kritik an. (Details im Text unten).
Zentraler Punkt meiner Kritik an Hayek ist, dass es sich damit in Widerspruch zu sich selbst begibt. Denn wenn "der Markt" alles regeln kann, wie Hayek ja glaubt, dann kann er womöglich auch mit Altruismus und Sozialismus "umgehen".
Die Groko ist nicht ohne Grund - zum Verdruss vieler Rechter - inzwischen "linksgrün-versifft". ;-) In Merkels Marktwelt war und ist offenbar noch Platz für Empathie und Altruismus. Hayek ist in diesem Punkt viel zu rigide und gestrig. Wenn das Marktprinzip so gut ist, muss es seine "Versuchungen" aushalten.
Ein gutes Beispiel bzw. Gegenbeispiel ist China, dass zwar eine KP-Planwirtschaft betreibt, aber mit Huawei und vielen anderen Firmen (z. B. Lenovo) führende und mächtige Global Player hervorgebracht hat. Huawei ist inzwischen sogar so stark, dass die Amis sich aus Konkurrenzangst genötigt sehen, Huawei zu "verbieten". Die angeblichen "Sicherheitsbedenken" tragen mMn übrigens planwirtschaftliche Züge, ebenso wie Trumps Protektionismus, der ja ebenfalls den freien (Welt-)Markt einschränken soll.
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Was bedeutet dies für die Zukunft bzw. für den Weg/die Ziele der Menschheit?
Vielleicht könnte den Weg zur sozialistisch-altruistischen Gesellschaft - wie er u. a. Marx vorschweebte - auch so beschreiben:
1. Der Affe wurde (dank Darwin Evolution) zum Menschen
2. Der neoliberale Markt hatte eine glorreiche Vergangenheit (Danke, Herr Hayek). Nun aber entwickelt er sich aufgrund von Marktgesetzen (also quasi darwinistisch) zur sozialen Marktwirtschaft. Der Raubtierkapitalismus (rheinisch-kapitalistischer "Affen"-Kult, auch in der Nazizeit) mutiert zum (markt-)gesünderen Merkel-Kapitalismus, der bei den Wahlbürgern zumindest den Anschein von sozialer Verantwortung weckt (und sei es auch nur, um damit demagogisch den Raubtierkapitalismus über die Runden zu retten).
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Hier ein längeres Zitat zu Hayek. Die problematischen Konsequenzen hab ich am Ende FETT hervorgehoben:
https://www.blickpunkt-wiso.de/post/...als-gerecht-ansehen--2223.html
Die soziale Frage bei Hayek
...Wie für alle Neoliberalen, steht auch für Hayek »der Markt« im Mittelpunkt. Dabei interessieren ihn nicht konkrete Märkte – wie beispielsweise die für Fruchtjoghurt, Mobilitätsdienstleistungen oder Heroin. Ihn interessiert vielmehr »der Markt« als abstrakte Konzeption eines gesellschaftlichen Mechanismus, der Menschen Handlungsanleitungen gebe (Ötsch/Pühringer 2015) und Gesellschaft organisiere: Der Markt belohnt diejenigen, deren Handeln und Entscheidungen den größten Nutzen für andere entfalten, so Hayek. Dies funktioniere über Preise: Diese signalisierten den Nutzen, den eine Ware oder Dienstleistung, eine Qualifikation oder Tätigkeit für andere habe. Sie zeigten hierdurch den Menschen, was zu tun und zu lassen sei. Märkte machten auf diese Weise weit verstreutes, dezentrales Wissen nutzbar (Hayek 1981a: 104, 160-161). Dabei seien Märkte effektiver, effizienter und freiheitlicher als jede zentrale Planung. Gesellschaft und Ökonomie seien viel zu komplex, als dass sie von einzelnen Menschen, von Organisationen oder Regierungen ausreichend verstanden und gelenkt werden könnten (Hayek 1996: 11; 1981b: 95-110).
Der Markt als überlegener Mechanismus, um Ökonomie und Gesellschaft zu organisieren, habe sich in langen historischen Prozessen entwickelt und durchgesetzt. Diese Prozesse erklärt Hayek evolutionstheoretisch: Je stärker menschliche Individuen, Gruppen und Gesellschaften Marktprinzipien angewandt und damit verbundene Anschauungen und Fertigkeiten entwickelt hätten, desto erfolgreicher seien sie in der Konkurrenz mit anderen Gruppen und Gesellschaften gewesen. Die Marktprinzipien selbst fanden immer weitere Verbreitung, weil sich zum einen ihre ursprüngliche Trägergruppe aufgrund des evolutionären Vorteils gegenüber anderen durchsetzen konnte, zum anderen, weil andere Gruppen Marktprinzipien als Vorteil erkannten und übernahmen. Auf diese Weise habe sich ein umfangreiches Bündel an Regeln und Normen entwickelt, das die Menschen befolgten. Ohne dies im Detail wirklich verstanden zu haben, oft ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, habe ihnen dieses anpassende, marktkonforme Verhalten Ordnung und Wohlstand gebracht (Hayek 2005: 78; Hayek 1996: 21-26; Jankowski o.J.).
Entscheidend ist, dass Hayek hinter diesem evolutionären Prozess keine bewusste und zentrale Lenkung sieht, und auch keinen göttlichen Beweger. Die Traditionen und Regelwerke, die die Menschen entwickelten, seien vielmehr
»Ergebnis eines Vorgangs der Selektion aus irrationalen oder vielmehr ‚nicht begründeten‘ Glaubenssätzen, die ohne irgendjemandes Wissen oder Absicht die Vermehrung derjenigen begünstigten, die sich an diese hielten [...] Der Selektionsprozeß, in dem sich Sitten und Moralvorstellungen ausprägten, konnte mehr Tatsachen berücksichtigen, als der Mensch wahrnehmen konnte, und infolgedessen ist die Tradition in mancher Hinsicht dem menschlichen Verstand überlegen [...].« (Hayek 1996: 80).
Über den in diesem Zitat durchscheinenden Irrationalismus – die Absage an die rationale Begründbarkeit und Veränderbarkeit gesellschaftlicher und ökonomischer Verhältnisse – wird gleich noch zu sprechen sein. Interessant ist hier zunächst ein Zweites: Für Hayek hängen »Sitten und Moralvorstellungen« sowie der Selektionsprozess, der im Ergebnis auf »den Markt« hinausläuft, eng zusammen. Dieser Gedanke ist empirisch durchaus nachvollziehbar: Im Kapitalismus ist der Markt hochgradig moralisch aufgeladen, im neoliberalen Kapitalismus ganz besonders. Das Streben nach (Markt-) Erfolg als Lebensmaxime, die moralisierende Beschimpfung angeblich fauler Erwerbsloser und der enge Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Position und gesellschaftlicher Anerkennung eines Menschen seien beispielhaft genannt.
Eine gänzlich andere Frage ist es gleichwohl, wie man diese enge Verknüpfung von Markt und Moral beurteilt. Hayek hält sie für einen gesellschaftlichen Fortschritt: Sie mache den Markt überhaupt erst möglich und gewährleiste damit Freiheit und Wohlstand gleichermaßen. Freiheit, weil nur der Markt sicherstelle, dass »jeder sein Wissen für seine Zwecke verwenden kann.« Und Wohlstand, weil die vielen individuellen Wissensbestände durch den Markt in zugleich kollektiv nützlicher Weise Verwendung finden. Marktgesellschaften (Hayek spricht von »spontanen Ordnungen«) sind aus dieser Sicht ein Telos menschlicher Evolution und Geschichte – ein bedrohtes allerdings: Denn während er die Vergangenheit als ein stetiges Fortschreiten hin zu Markt, Marktregeln und Marktmoral beschreibt, sieht er diese in der Gegenwart gefährdet. Menschliche »Instinkte« wie Solidarität und Altruismus, die in urzeitlichen Kleingruppen eine wichtige Funktion gehabt hätten, kämen heute wieder durch. Sie gefährdeten den Markt und seien gänzlich unzeitgemäß. In ihrer politischen Form – insbesondere Wohlfahrtsstaat und Sozialismus – bedrohten sie die evolutionären Fortschritte der Menschheit (Hayek 1996) |