Im wissenschaftlichen Diskurs ist es statthaft und üblich, den von anderen Forschern vorgetragenen Thesen mit klaren Standpunkten bzw. Gegenstandpunkten zu begegnen. Auch gern mit einer gewissen Schärfe. Es obliegt dann der globalen Forschungsgemeinschaft, die Thesen und Gegenthesen durch Verfikation oder Falsifikation zu bestätigen oder zu entkräften. Derjenige, der Thesen aufstellt, sollte freilich zugleich schlüssig nachweisen, wie er zu diesen gekommen ist (idealerweise per Experiment, das andere Forscher nachvollziehen können).
Sarrazins Bücher sind jedoch politische Bücher, die lediglich pseudowissenschaftlich (da auf veraltete Befunde aus dem 19. Jahrhundert fussend) daherkommen, damit den in Kern politischen Argumenten mehr Kredenz eingeräumt wird. Es handelt sich somit um ein Form der missbräuchlichen Verwendung ("Politisierung") von Wissenschaft.
Doch allein schon durch den völlig veralteten Forschungsstand entzieht sich Sarrazin einer rationalen wissenschaftlichen Diskussion. Wozu sollte die Forschungsgemeinschaft etwas widerlegen oder bestätigen, das schon hundert Jahre später (Ende des 20. Jahrhundert) als wissenschaftlich überholt galt?
Im Sinne von Sarrazins Wahnsystem, wissenschaftlich zu argumentieren, sind frech formulierte Gegenthesen somit durchaus statthaft. Sein Kreuz ist allerdings, dass er als Politiker argumentiert. Würde er dies allerdings vor Gericht geltend machen (Beleidungsklage), fiele damit sein wissenschaftliches Kartenhaus endgültig in sich zusammen. Denn er würde damit implizit bestätigen, dass er sich dem wissenschaftsüblichen Diskurs verweigert und lediglich per Machtinstrumenten (Gerichte) obsolete Thesen verbreiten will. |