Ehrensold für Christian Wulff
"Schädlich", "peinlich" - Hitzige Debatte um Wulffs Sofortrente 01.03.2012, 09:31 Uhr abendblatt.de Selbst Christian Wulff hatte eine Neuregelung angemahnt. In den Medien hat die Entscheidung über den Ehrensold eine kontroverse Debatte ausgelöst. Lesen Sie hier einige ausgewählte Kommentare der deutschen Presselandschaft
Gut versorgt: Christian Wulff und seine Frau Bettina
Hamburg. Vor zwei Wochen war er nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zurückgetreten. Jetzt steht fest: Der frühere Bundespräsident Christian Wulff, 52, erhält bis zu seinem Lebensende einen sogenannten Ehrensold vom Staat. Das entschied am Mittwoch das Bundespräsidialamt in Berlin. Wulff, der rund 20 Monate im Amt war, hat nach den derzeit gültigen Sätzen Anspruch auf 199.000 Euro jährlich. Außerdem übernimmt der Bund die Kosten für ein Büro mit Sekretariat, persönlichem Referenten, Dienstwagen und Chauffeur. Diese Ausgaben belaufen sich noch einmal auf rund 280.000 Euro im Jahr. Die Linkspartei und einzelne FDP-Abgeordnete übten scharfe Kritik. Die meisten Politiker von Union und SPD äußerten dagegen Verständnis. Man solle nicht nachkarten, sagte Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner der "Welt“.
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Gesamt: 418 Stimmen Detailansicht Das Bundespräsidialamt, das laut Gesetz allein über den Ehrensold beschließt, begründete die Entscheidung damit, dass der Rücktritt aus politi- schen Gründen erfolgt sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident soll Vergünstigungen von befreundeten Unternehmern angenommen haben - etwa teure Hotel- und Ferienaufenthalte. Wulff bestreitet die Vorwürfe. In seiner Rücktrittserklärung sagte er, er habe nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit des Volkes. Deshalb könne er das Amt nicht so ausfüllen, wie es geboten sei. In den Medien hat die Entscheidung über den Ehrensold eine kontroverse Debatte ausgelöst. Lesen Sie hier einige ausgewählte Kommentare der deutschen Presselandschaft:
Hamburger Abendblatt: Der Ehrensold ist reformbedürftig
Uns Bürgern darf wieder der Kamm schwellen. Drei bis vier Jahrzehnte müssen wir arbeiten, um schließlich ein Altersgeld zu bekommen, das oft nur so eben im Alltag reicht. Und dann ist da ein Bundespräsident, 52 Jahre alt, der - wegen früherer Verfehlungen und weil der Staatsanwalt gegen ihn ermittelt - von seinem Amt zurücktreten muss und "zur Belohnung" einen "Ehrensold" kassiert: schwindelerregende 199.000 Euro im Jahr. Das Bundespräsidialamt hat gestern Wulffs Anspruch darauf bestätigt. Eine höchst komfortable Rente für 20 Monate Amtszeit. Auszahlung ab sofort, also rund anderthalb Jahrzehnte vor Erreichen des für die übrigen Bürger geltenden Rentenalters. Immerhin werden frühere Ansprüche aus der Zeit als Ministerpräsident und Landtagsabgeordneter nicht noch obendrauf gezahlt. Aber diese Selbstverständlichkeit wird den Unmut der meisten Menschen in diesem Lande kaum schmälern. Doch die Wut allein kann in diesem Fall nicht ausschlaggebend sein. Es zählt allein das geltende Recht. Generell schützt es nicht nur den Präsidenten, sondern alle Menschen in diesem Land - vor Willkür und Unrecht. Nur dieses Recht und die in demokratischen Verfahren formulierten Paragrafen haben die Juristen des Bundespräsidialamts prüfen können. Danach steht Wulff die Zahlung zu. Auch wenn das Recht nicht immer als Gerechtigkeit daherkommt. Dass ausgerechnet Christian Wulff kurz vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten im Juni 2010 in einem ZDF-Interview die Höhe des Ehrensolds infrage gestellt und eine Veränderung angeregt hatte ("Ich denke, da muss ein Zeichen gesetzt werden"), klingt inzwischen wie eine Ironie der Geschichte. Auch wenn die Anregung von ihm kam, sollte sie schnell aufgegriffen werden. Eine Neuregelung könnte so aussehen: Der Ehrensold wird erst bezahlt, wenn der Bundespräsident tatsächlich im Rentenalter ist. Und es müssten - wie im Beamtenrecht - Abstriche bei der Summe möglich sein, wenn strafrechtliche Verfehlungen nachgewiesen werden.
Bild: Viel mehr Schaden für die politische Kultur kann man kaum anrichten
Das Bundespräsidialamt hat entschieden: Ex-Bundespräsident Christian Wulff (CDU) erhält den Ehrensold von jährlich 199.000 Euro. Zahlbar bis an Lebensende. Nach der statistischen Lebenserwartung summiert sich der Ehrensold auf rund 5,4 Millionen Euro – für eine Amtszeit von 20 Monaten.Nach dem Gesetz darf Wulff den Ehrensold nur erhalten, wenn sein Rücktritt 'aus politischen Gründen' erfolgte. Christian Wulff trat nicht zurück, weil er mit dem Kurs der Bundesregierung nicht einverstanden war. Er trat zurück, weil die Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn wegen Vorteilsannahme ermittelte. Das ist so wenig 'politisch' wie bei Rot über die Ampel zu fahren. Den Ehrensold letztlich abgenickt hat der Chef des Präsidialamtes, Lothar Hagebölling. Warum diese Entscheidung kaum 10 Tage nach dem Rücktritt erfolgen musste, bleibt unklar. Hätte man nicht den Ausgang des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens abwarten können? Vor seiner Berufung auf diesen Posten war Hagebölling Chef der niedersächsischen Staatskanzlei - unter Ministerpräsident Wulff. So entsteht der Eindruck: Die Kleinen hängt man, aber die Politik lässt keinen fallen. Viel mehr Schaden für die politische Kultur als mit dieser Entscheidung kann man kaum anrichten.“
Süddeutsche Zeitung: Der Ehrensold ist zu streichen
Die Pension wird bezahlt aus Respekt vor dem Amt. Sie ist keine Leistungsprämie, keine Anerkennung für Fleiß und Betragen. Sie entfiele, wenn Wulff vom Verfassungsgericht aus dem Amt entfernt worden wäre. Das ist nicht der Fall. Sie entfiele, wenn er aus persönlichen Gründen zurückgetreten wäre. Auch das ist nicht der Fall; das ergibt sich aus dem Vorwurf, der ihm gemacht wird: Er soll als „Amtsträger“ Vorteile genommen haben. Der Rücktritt steht also in Verbindung zu den Ämtern. Die Lehre aus dem Fall Wulff aber ist: Der Ehrensold ist zu streichen. Und auf die „Präsidentenpension“ in Höhe des Ehrensoldes gehören die Vorschriften angewendet, die für jeden Staatsdiener gelten. So ist es recht und billig.
Die Welt: Wulff sollte Teil des Geldes einer Stiftung widmen
Es wäre zum Beispiel sinnvoll, wenn Wulff mit einem Teil des Solds zunächst seine privaten Verhältnisse so ordnete, wie es dem Umfeld seines innegehabten Amtes im weitesten Sinne angemessen ist. Die verdeckte Finanzierung der beruflichen Position seiner ersten Frau mag ohne Wissen Wulffs aus dem Freundeskreis erfolgt sein. Ins Umfeld eines Bundespräsidenten passen solche Arrangements trotzdem nicht. Hier die Dinge so zu gestalten, dass ein Schleier aus Erklärungsnot und Freundesdiensten nicht weiter über dem höchsten Staatsamt liegt, wäre ein hilfreiches Unterfangen. Wenn Wulff einen weiteren Teil des Geldes einer Stiftung widmen würde, zum Beispiel im Sinne der Opferfamilien der Neonazi-Mörder, könnte das ebenfalls allmählich vergessen lassen, wie umstritten die Gewährung dieses „Ehrensolds“ war.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Wulff hat das große Los gezogen
Nun also doch ein Happy End für den ewig klammen Alt-Bundespräsidenten. Mit knapp 200.000 im Jahr sollte man auskommen. Selbst wenn die Anwaltskosten erheblich sind, sein Klinkerbau in der niedersächsischen Einöde abzustottern ist und der Freundeskreis sich etwas gelichtet haben dürfte. Nach Recht und Gesetz, auf diese Feststellung legt das Präsidialamt Wert, ist damit der Disput entschieden, ob dem jäh Entschwundenen ein 'Ehrensold' zustehe: Zweifelsfrei 'politische Gründe' hätten ihn aus dem Bellevue vertrieben. Nicht umsonst also hat er seine Rücktrittserklärung so hingedrechselt, dass er darin als Opfer höherer Gewalt, keineswegs eigenen Verschuldens erschien. Der Hausjurist ließ grüßen. Schließlich gilt gleiches Recht für alle: Wer einmal Bundespräsident war, bezieht lebenslang das volle Gehalt. An Ausnahmen von dieser Regel, etwa für den Fall, dass ein Präsident aus anderen als gesundheitlichen Gründen hinschmeißt, haben ihre Erfinder nicht gedacht. Christian Wulff jedenfalls hat mit 597 Amtstagen das große Los gewonnen. Die Mutter aller Schnäppchen, um es mal so zu sagen.
Schwäbische Zeitung: Nennen wir es einfach nur Sold
Aus der Diskussion um den Ehrensold darf keine Neiddebatte werden. Sicher: Die Altersbezüge, die Christian Wulff nach 20 Amtsmonaten bekommt, stehen in einem krassen Missverhältnis zu der bisweilen schmalen Rente, die Hunderttausende Deutsche nach einem langen Arbeitsleben erwarten dürfen. Doch der Vergleich ist nicht zulässig: Das eine ist ein Ehrensold, das andere eben eine Rente. Die Debatte um Wulff war lange genug weitgehend von Emotionen bestimmt. Nun schadet es gewiss nicht, sich am Buchstaben des Gesetzes zu orientieren: Darin steht, dass einem Präsidenten der Ehrensold zusteht, wenn er aus politischen Gründen sein Amt niederlegt. Es ist Wulff durch den sorgsam gewählten Wortlaut seiner Rücktrittserklärung gelungen, das für den Ehrensold zuständige Präsidialamt noch vor Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen davon zu überzeugen, dass sein Abgang politisch motiviert war. Das sollten wir aushalten und so frei sein, Wulffs Altersbezüge einfach nur Sold zu nennen.
Financial Times Deutschland: Die Soldgewährung ist dringend korrekturbedürftig
Dass es ausgerechnet 'Ehrensold' heißt, macht vermutlich alles nur schlimmer. Wann immer es derzeit um das Ruhegehalt des Bundespräsidenten geht, wird es peinlich. Nun kann man unterschiedlicher Auffassung sein, ob Christian Wulff angesichts seiner Verfehlungen und seines Umgangs damit solch eine Pension verdient hat – ethisch, politisch und rechtlich. Dass aber nun noch seine Ex-Untergebenen so eilig über die Zulässigkeit der Zahlung befinden, zieht den Begriff 'Ehrensold' endgültig ins Lächerliche. Dass die Soldgewährung so fragwürdig vonstatten geht, ist zwar entschuldbar, aber auch dringend korrekturbedürftig. Die Wahl zum Staatsoberhaupt sollte, so war die Vorstellung bei der Gesetzentstehung 1953, die Krönung und das Ende eines langen politischen Lebens darstellen. Der Amtszeit sollte nicht mehr folgen als ein finanziell abgesicherter Ruhestand. Fälle von Amtsflucht und Untragbarkeit wie bei Horst Köhler und Christian Wulff waren weder denkbar noch vorgesehen. Auch nicht, dass ein Ex-Präsident noch jung genug sein könnte, nach seiner Amtszeit einen anderen Job zu ergreifen. Und dass er dabei auch Geld zusätzlich zum präsidentiellen Ehrensold verdienen könnte – in Form von Gehalt, Auftrittsgage oder auch durch den Verkauf von Büchern. Daher schien es unnötig, Rücktrittsgründe und Zahlung des Ehrensolds und Anrechnung von Zuverdiensten konkret zu regeln – auch angesichts der wenigen Betroffenen. Nun jedoch ist es leider nötig, damit der 'Ehrensold' seinem Namen gerecht werden kann. Dafür spezielle Regelungen im bestehenden Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten niederzuschreiben wäre nicht erforderlich. Der Gesetzgeber könnte einfach die Regelungen für Kanzler, Minister oder Verfassungsrichter kopieren. Denn es ist nicht länger einzusehen, dass für den ersten Beamten des Staates andere Regeln gelten sollen als für die zweiten oder dritten.“ http://www.abendblatt.de/hamburg/article2201881/...s-Sofortrente.html |