Gehalt der Ärzte wächst
Studie belegt: Einkommen im Durchschnitt auf 195 000 Mark gestiegen
Von Kurt Kieselbach
Eine neue Erhebung über die Entwicklung der Ärzteeinkommen sorgt für Zündstoff: Während Ärzte aus Protest gegen eine unzureichende Honorierung in einigen Bundesländern vorübergehend ihre Praxen schließen, belegt eine der WELT vorliegende Kostenstrukturerhebung, dass der Überschuss in niedergelassenen Arztpraxen im dritten Jahr in Folge gestiegen ist. Der Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung zufolge stieg der Überschuss in Arztpraxen von 1996 bis 1998 um durchschnittlich 8951 auf knapp 195 000 Mark. Den Krankenkassen, die sich vehement gegen weitere Ausgaben wehren, kommen diese Zahlen gerade recht. AOK-Bundesgeschäftsführer Franz Knieps hält den Ärzten angesichts dieser Einkommensentwicklung ein "Jammern auf hohem Niveau" vor. Den Verdacht, die jüngsten Umsatz- und Einkommenszahlen der Kassenärzte seien womöglich geschönt, weist der AOK-Manager zurück. Die Kostenstrukturerhebung, die in einem detaillierten Fragebogen unter anderem Umsatz und Kosten der Praxen erfasst, sei schließlich von einem ärzteeigenen Institut durchgeführt worden, betont Knieps.
Der aktuellen Strukturanalyse für das Jahr 1998 zufolge setzte jeder Kassenarzt in Westdeutschland im Schnitt 478 149 Mark um (Ost: 387 952 Mark). 376 652 Mark (Ost: 347 955 Mark) entfielen dabei auf Kassenpatienten, die restlichen Einnahmen der Ärzte resultieren vorwiegend aus der Behandlung von Privatpatienten, aus nicht von den Kassen erstatteten Zusatzleistungen sowie aus dem Erstellen von Gutachten.
Der Überschuss vor Steuern stieg dabei im Westen gegenüber 1996 um knapp 5 Prozent, von 185 788 auf 194 739 Mark je Arzt. In den neuen Ländern stieg der Gesamtumsatz von 1997 bis 1998 mit 7,2 Prozent noch etwas schneller als im Westen. Der höhere Gesamtumsatz bei westdeutschen Ärzten kam vor allem aus steigenden Einnahmen aus privatärztlichen und sonstigen Tätigkeiten. Dagegen stieg der Umsatz mit Kassenpatienten in den letzten drei Jahren jährlich um nur 0,1 Prozent.
Umsätze und Einkommen weisen je nach Fachgruppe und Region allerdings deutliche Unterschiede auf. In der Hauptstadt Berlin etwa liegt das Einkommen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Kräftige Gewinnzunahmen verzeichneten vor allem die Allgemeinärzte.
AOK-Manager Knieps fährt angesichts dieser Zahlen schweres Geschütz gegen die Ärzte auf. Diese hatten wegen einer Honorarbudgetierung einen "heißen Herbst" angekündigt. "Es grenzt an Unverschämtheit, dass einige Ärzte ihre Patienten unverblümt zur Durchsetzung ihrer Einkommensinteressen missbrauchen." Mit Hinweis auf ihr zu Neige gehendes Budget schränkten Ärzte, so Knieps, Leistungen ein oder verweigerten diese ihren Patienten vollständig. "Das aber ist absurd, weil es kein absolutes Budget für jeden einzelnen Arzt gibt, sondern nur Praxisbudgets für die ärztlichen Standardleistungen", sagte Knieps. "Hat der Arzt davon abweichende Probleme, zum Beispiel wegen vieler schwer kranker Patienten, erhält er in der Regel auch ein höheres Honorar."
Darum, so Knieps, sei es "geradezu Quatsch", wenn ein Arzt gegenüber seinen Patienten behaupte, er müsse wegen der Budgetausschöpfung gegen Jahresende jede weitere Behandlung umsonst erbringen. Richtig sei vielmehr, so der Kassen-Manager, dass die Krankenkassen den Ärzten Jahr für Jahr höhere Honorare zahlten. Knieps: "Die Unzufriedenheit der Ärzte kann darum wohl kaum in einer generell schlechteren Bezahlung begründet sein."
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