Deutschlands begehrteste Wohnungen
In den Großstädten boomt der Häusermarkt. Was ohnehin viel kostet, wird noch teurer, die Jahre der preislichen Vernunft sind vorbei. Das zeigt der Immobilien-Kompass von Capital. von Grit Beecken, Martin Kaelble und Nikolaus von Raggamby
Marie Kählers Albtraum dauerte 14 Monate. Gemeinsam mit ihrem Freund suchte die 31-Jährige eine Dreizimmerwohnung in Hamburg. Kaufen oder mieten, Innenstadt oder Randbezirk - Marie Kähler wäre alles recht gewesen. Es musste nicht mal besonders günstig sein, das Paar ist mit mehr als 100.000 Euro Eigenkapital überaus solvent. Hauptsache, ein Dach über dem Kopf.Städte-Ranking Die Top 15 Immobilienstandorte Beste Voraussetzungen, um schnell eine Wohnung zu finden. Doch die Suche wollte einfach nicht enden: "Wir waren nicht bereit, in fünf Minuten eine Kaufentscheidung über 500.000 Euro zu treffen", sagt Kähler. Und genau das muss man in der Hansestadt heute, sonst greifen andere zu. Bei jeder Besichtigung konkurrierte Kähler mit mindestens 50 Interessenten. Und die waren immer schneller. Am Ende halfen private Kontakte, eine Mietwohnung zu finden. "Für einen Immobilienkauf müssen Sie vor allem eines mitbringen: Entschlossenheit", sagt Christian Wittke von der Privatbank Berenberg. Diese Art der Immobilienlotterie ist kein Phänomen, das sich nur auf die Elbmetropole beschränkt. In den anderen Großstädten, aber auch in kleineren Boomtowns wie Heidelberg oder Münster spielt der Wohnungsmarkt - zumindest für deutsche Verhältnisse - ebenfalls verrückt. Eigentumswohnungen in der Hafencity Hamburg Vor allem die Toplagen sind dort leer gefegt, Mieten und Kaufpreise explodieren förmlich. Selbst ehemalige Schmuddelviertel wie Berlin-Kreuzberg und Hamburg-Sankt Georg werden derzeit geradezu überrannt. Erste Stimmen warnen bereits vor Preisblasen. Insbesondere im urbanen Luxussegment laufe der Markt allmählich heiß, mahnen Makler. Hinweise darauf, wo solche Übertreibungen lauern, liefert der aktuelle Immobilienkompass des Wirtschaftsmagazins Capital. Dafür wurden in den 120 wichtigsten deutschen Städten wieder Makler und Investoren befragt und in insgesamt über 900 Stadtteilen die Preistrends untersucht. Die FTD präsentiert die Ergebnisse in Auszügen. Die wichtigste Erkenntnis: Nach langen Jahren der Vernunft kennen vor allem in den Toplagen der Metropolen die Preise offenbar kein Limit nach oben. Der Grund: Anleger wollen auf Nummer sicher gehen und investieren ihr Kapital gezielt dort, wo es in der Vergangenheit am wertbeständigsten war. Nun gilt in diesen Lagen das eng begrenzte Luxussegment als anfällig für Blasen. Besonders gut lässt sich diese Entwicklung in Hamburg beobachten. In der Hansestadt kostet eine Eigentumswohnung im Schnitt rund ein Fünftel mehr als noch vor drei Jahren. Das belegen Daten des Immobilienberaters CB Richard Ellis. Zum Vergleich: In Frankfurt oder Stuttgart lag der Preissprung im selben Zeitraum lediglich bei knapp zehn Prozent. Nur München kann da noch mithalten - mit einem Plus von 15 Prozent. An der Isar hat sich der ohnehin schon hochpreisige Immobilienmarkt in einigen Stadtteilen derart aufgeheizt, dass professionelle Investoren bereits abwinken. "Für uns ist es einfach nicht rentabel, auf diesem Niveau Wohnungen zu kaufen", sagt Ernst Holland, Vorstandschef der bayerischen Wohnungsgesellschaft GBW.
Selbst hartgesottene Makler finden Berlin "krass"
Selbst im einst von Leerstand geplagten Berlin treibt der Boom seltsame Blüten. Im Bezirk Mitte sind die Mieten nach Berechnungen des Marktforschers Bulwiengesa seit 2001 um 22 Prozent gestiegen. Die Kaufpreise legten auch kräftig zu. Rund um den Potsdamer Platz kostet der Quadratmeter doppelt so viel wie vor drei Jahren: 10.000 Euro - das finden selbst hartgesottene Makler "krass". Man könnte diese Exzesse als Ausnahmeerscheinung abtun, als ein Spiel von Leuten, denen es auf ein paar Tausend Euro nicht ankommt. Doch solche Preisspitzen setzen einen Verdrängungsprozess in Gang und wirken somit bis in die unteren Segmente und Lagen. Ein gutes Beispiel ist Berlin Kreuzberg: Interessenten müssen bereit sein, bis zu 3500 Euro pro Quadratmeter zu bezahlen. Sonst brauchen sie gar nicht erst mitzubieten. Bis vor Kurzem wurden in dem Stadtteil höchstens 2000 Euro aufgerufen. "Bald werden es über 4000 Euro sein", vermutet Ralf Rosinus vom Maklerbüro Ziegert Bank- und Immobilienconsulting. "Vor vier Jahren wäre das alles noch völlig undenkbar gewesen", gibt Rosinus zu. Inzwischen ist der Stadtteil so teuer, dass die ersten weiterwandern Richtung Süden, ins nördliche Neukölln, Kreuzkölln genannt. Die hohe Nachfrage hat viele Gründe. Da ist zum einen die von Ökonomen beschworene Inflationsangst, die Investoren in sichere Sachwerte treibt. Entscheidender dürfte aber die boomende Konjunktur in Deutschland sein. Der Aufschwung vermittelt den Beschäftigten wieder ein Gefühl von Sicherheit, und das erhöht die Bereitschaft, größere Summen auszugeben, zumal die Bauzinsen trotz Trendwende nach wie vor niedrig sind. Die Preisexplosion ist vielerorts aber auch dem knappen Angebot geschuldet. Seit Jahren werden vor allem in den Großstädten zu wenig Wohnungen gebaut. Das rächt sich nun. Allein Hamburg bräuchte jährlich 6600 neue Wohnungen, doppelt so viele wie derzeit geplant. Laut Ifo-Prognosen wird diese Lücke so schnell nicht geschlossen. Denn Bauvorhaben haben lange Vorlaufzeiten. "Die Wohnungswirtschaft ist wie ein riesiger Tanker", sagt Berenberg-Mann Wittke. "Da steuert man nicht mal eben schnell um." Und je höher die Mieten, desto größer wird der Anreiz, ein Domizil lieber gleich zu kaufen. Laut einer Umfrage der Hamburger Sparkasse möchten 40 Prozent der Hanseaten lieber im Eigentum wohnen, vor allem junge Familien und einkommensstarke Singles zwischen 18 und 39 Jahren. 42 Prozent der Mieter halten ein Eigenheim langfristig für die günstigere Alternative. Für Kapitalanleger kaum noch was zu holen Während Eigennutzer auch jetzt noch zugreifen, gibt es für Kapitalanleger auf dem aktuellen Preisniveau kaum noch etwas zu holen. Gerade in den Toplagen sind die Kaufpreise in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Mieten. Beispiel Düsseldorf-Oberkassel: Dort schnellten die Preise für Neubauten im Jahresschnitt zuletzt um zwölf Prozent hoch, die Mieten stiegen gerade mal um die Hälfte. Und das ist kein Einzelfall. In den In-Vierteln anderer Metropolen hat sich der Markt ähnlich entwickelt. Dass die Mieten mit den Preissprüngen nicht Schritt halten, ist auch dem strengen deutschen Mietrecht geschuldet, das allzu forschen Erhöhungen einen Riegel vorschiebt. So kommt es, dass sich Wohnungen als Kapitalanlage kaum noch lohnen. In Vierteln wie Hamburg-Harvestehude oder München-Giesing liegt die Rendite nur noch bei mageren 3,6 Prozent. Verwaltungskosten und Instandhaltungsrücklagen sind da nicht mal mit eingerechnet. An solchen Erträgen finden allenfalls noch Philanthropen Gefallen. Gerade in den Gegenden, wo die Preise in den vergangenen zwei Jahren besonders stark gestiegen sind, dürfte der Boom bald abebben. Angst um ihr Vermögen müssen Käufer indes nicht haben. Dafür ist die Nachfrage noch zu groß, wie auch Marie Kähler bei ihrer Wohnungssuche gemerkt hat. |