Die Prophete bekommen kalte Füße
Von Hermann Kutzer, Handelsblatt
§ Um es vorweg zu nehmen: Es gibt keine Korrelation zwischen unserem Wetter und dem Börsenklima! Immerhin lässt sich eine Gemeinsamkeit feststellen: Von „Überhitzung“ spricht keiner mehr. Im Gegenteil, die Wirtschaftspropheten sagen jetzt sogar eine globale „Abkühlung“ vorher. Eine Merrill-Lynch-Um-frage unter fast 300 internationalen Fondsmanagern brachte diese enttäuschende Prognose: Erstmals seit 2001 erwarten die Anlageexperten nämlich eine Verschlechterung der Wirtschaftslage innerhalb eines Jahres. Man befürchtet zwar nicht gleich eine Rezession. Doch signalisiert das neue Stimmungs-barometer einen Erwartungsumschwung, denn die euphorische Stimmung vom Jahresbeginn, wonach sich eine synchrone Erholung der Weltwirtschaft abzeichne, ist damit verflogen – mit einer Ausnahme: Für Japans Wirtschaft bleibt man „bullish“.
Meine Empfehlung: Ändern Sie danach nicht Ihre persönliche Geldstrategie. Denn ähnlich wie die jüngsten Intel-Zahlen lassen sich die Umfrageergeb- nisse durchaus unterschiedlich interpretieren. Sollten die Fondsmanager nämlich Recht behalten, dann droht uns auch längerfristig keine Inflation und kein stärkerer Zinsanstieg. Und das wäre ja positiv für den Aktienmarkt. Auf der anderen Seite muss man sich fragen, ob die sich ausbreitende Konjunk-turskepsis überhaupt berechtigt ist, denn den eigenen Optimismus haben die Experten schon nach einem halben Jahr begraben. Und niemand weiß, wie lange der junge Pessimismus am Leben bleiben wird. Freuen Sie sich erst einmal darüber, dass unser Wetter besser werden soll!
HANDELSBLATT, Mittwoch, 14. Juli 2004, 15:02 Uhr |