"Das Geld macht man an der Börse nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Sitzfleisch" sagten die alten Frankfurter Börsianer. Wie Recht sie hatten. Geduld ist vielleicht das Wichtigste an der Börse und der Mangel an ihr der häufigste Fehler. Wer keine Geduld hat, darf nicht einmal in die Nähe der Börse gehen.
Mein Spruch lautet: In der Spekulation gemachstes Geld ist Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen und dann das Geld. Zunächst kommt es immer anders und erst zum Schluss so, wie man denkt. Wenn die Diagnose, auf der die Spekulation aufgebaut ist, stimmt, sie also von den richtigen Voraussetzungen ausgeht, dann wird sie sich durchsetzen. Wann? Das ist eine Frage der Ereignisse, Nachrichten und Trends - mit einem Wort: der Imponderabilien, die die fundamentalen Fakten zwischenzeitlich überdecken. Behalten die Elemente des Spekulationsgebäudes ihre Gültigkeit, dann ist alles nur eine Frage der Zeit. Den meisten Börsianern aber fehlen Geduld und Nerven, die zwischenzeitlichen Stürme und Gewitter auszusitzen. Wenn sie sehen, dass die Kurse fallen, geraten sie in Panik und verkaufen alles.
Ich habe für die Börse eine eigene mathematische Gleichung aufgestellt: zwei mal zwei ist fünf - minus eins. Ich meine damit, dass zum Schluss alles so eintrifft, wie es sein sollte. Zwei mal zwei ist vier, doch nur im Endresultat. Aber zu diesem Endresultat gelangen wir nicht auf geradem Weg, sondern auf einem Umweg. Dieses Axiom unterscheidet eben die Kunst von der Wissenschaft, weil eine wissenschaftliche Arbeit mit solchen Gleichungen nicht rechnen darf. Da müssen zwei mal zwei sofort vier sein. Wenn ein Ingenieur eine Brücke baut, müssen seine Berechnungen mathematisch exakt sein. Denn wäre eine Brücke nach der Formel 2 x 2 = 5 - 1 aufgebaut, bräche sie bei fünf schon zusammen, bevor es zu vier käme.
Und so bricht auch der Spekulant (bei den ominösen fünf) zusammen, wenn er nicht Geduld hat, um durchzuhalten, bis das unumgängliche "minus eins" eingetroffen ist. Infolgedessen behält er zum Schluss Recht mit seiner Logik, kann aber davon nicht mehr profitieren. |