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News - 24.04.08 07:51 VW jagt Toyota
Eben noch Sanierungsfall, fordert Europas größter Autokonzern den Branchenbesten heraus. In zehn Jahren will Volkswagen die Lücke zum Vorbild Toyota schließen - und die Japaner dann abhängen. Das Erstaunliche: Nie hatten die Wolfsburger bessere Chancen.
DÜSSELDORF Porsche macht Dampf. Der Stuttgarter Sportwagenbauer pocht auf der Hauptversammlung von VW auf seine Rechte als neuer Großaktionär. Von zehn Uhr an starren am heutigen Donnerstag 4 000 Aktionäre und Gäste im Congress Center Hamburg gebannt auf den Ausgang des internen Machtkampfes. Nie war Volkswagen spannender.
Der Konflikt mit dem Land Niedersachsen droht dabei das Wichtigste zu überdecken: Wolfsburg ist zurück auf der Weltbühne der Autobranche. Rechtzeitig zur Hauptversammlung verkündet Konzernchef Martin Winterkorn den Aktionären einen Gewinnsprung für das erste Quartal: Operativ verdient VW 1,3 Mrd. Euro - gut 21 Prozent mehr als im Rekordjahr 2007. "Das zeigt, welches Potenzial im Volkswagen-Konzern steckt", frohlockt der Manager. Analysen, Grafiken und Hintergründe: Lesen Sie heute das komplette Volkswagen-Dossier in der Printausgabe des Handelsblattes
Der vor kurzem noch als angeschlagen wahrgenommene Autokonzern ist auf scheinbar wundersame Weise auferstanden. Ein Phoenix steigt aus der Asche auf und geht vitaler denn je zum Angriff über - das klingt nach einem Märchen. Und ist trotzdem heute schon beinahe Wirklichkeit.
Unermüdlich drängt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking darauf, Volkswagen dorthin zu bringen, wo der Konzern aus seiner Sicht hingehört: an die Spitze. Von der neuen automobilen Kraft zeugt nicht zuletzt die Wahl des Gegners. Als Messlatte haben Wiedeking und Winterkorn keinen Geringeren auserkoren als Toyota - den Branchenprimus in puncto Wachstum, Qualität und globale Produktion. "An Toyota müssen wir uns messen", predigt der Porsche-Mann nicht mehr nur den eigenen Managern am Stammsitz in Zuffenhausen. Auch die fünf VW-Vorstände haben die Botschaft vernommen: "Das ist der Maßstab. Wer sich nicht daran orientiert, hat schon verloren." Für Wiedeking, den leidenschaftlichen Anhänger des Kaizen-Systems der permanenten Verbesserung sind die Japaner schlicht "das Synonym für Konsequenz". Vorbei die Zeiten, als sich VW an der amerikanischen Opel-Mutter General Motors maß. Toyota markiert das Ziel.
Verwundert reiben sich die Beobachter die Augen. VW jagt Toyota? Die Skandale um Schmiergelder für Betriebsräte und Lustreisen auf Firmenkosten hatten das Image des einstigen Wirtschaftswundermotors Volkswagen in den Meinungskeller gezogen. VW stand für verkrustete Strukturen und die Selbstbedienungsmentalität von raffgierigen Betriebsräten und Politikern. Schlimmer noch: Vor nicht einmal zwei Jahren war Volkswagen in der öffentlichen Wahrnehmung ein Sanierungsfall. Bei knapp 105 Mrd. Euro Jahresumsatz kam der Konzern auf ein operatives Ergebnis von ärmlichen zwei Milliarden Euro.
Dann kam der neue VW-Markenchef Wolfgang Bernhard. Der ehemalige Mercedes-Manager brach mit Traditionen, er hämmerte den stolzen Wolfsburger Ingenieuren ein, dass sie ihre Golfs und Passats viel zu umständlich und damit teuer produzierten. Als Maßstab aber nahm er Toyota - den Effizienzweltmeister. Bernhard selbst scheiterte an seiner Rücksichtslosigkeit. Doch seine Reformen - knallharte Kostenkalkulation und attraktive Nischenmodelle - brachten Erfolg: Nie war VW schneller mit einem Auto auf dem Markt als mit dem Tiguan, dem kompakten Geländewagen.
Winterkorn motiviert die Truppen, sein Produktionschef Jochem Heizmann treibt den "Volkswagen-Weg" in Anlehnung an das legendäre Produktionssystem von Toyota voran, optimiert Prozesse und Strukturen. Standardisierte Baukästen und Module sollen konzernweit - von Audi bis zur Kernmarke VW - Kosten verringern und vor allem immer neue Nischenmodelle möglich machen. "Bis Ende 2010 entwickeln und launchen wir im Konzern mehr als 20 zusätzliche Modelle, da sind die Nachfolger bestehender Baureihen noch nicht mitgezählt", verspricht Volkswagens Vertriebschef Detlef Wittig.
Zeugt nun der Angriff auf die Japaner von Übermut, oder ist er ein Zeichen kluger Strategie? "Die Chancen für Volkswagen, Toyota einzuholen, standen noch nie so gut wie jetzt", sagt Automobilexperte Engelbert Wimmer von der PA Consulting Group. Der Konzern könne gerade auf den Feldern Boden gutmachen, auf denen der Abstand zwischen VW und Toyota bis dato noch sehr groß war. Für den Branchenspezialisten ist klar erkennbar, dass bei VW eine Ära der Mobilisierung begonnen hat.
Die Zahlen belegen das bisher Erreichte. Das operative Ergebnis hat Vorstandschef Winterkorn im Vorjahr verdreifacht, rund 6,2 Mrd. Euro konnte er am Ende seines ersten Amtsjahres vorweisen. "2007 war für den Konzern das erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte", meldete er stolz. Der greifbare Erfolg und die hochfliegenden Fantasien durch Porsches Ankündigung, die Macht im Wolfsburger Hochhaus zu übernehmen, beflügelten den Kurs. Dümpelte die Stammaktie Ende 2004 noch bei 33,35 Euro, stieg sie kurz vor der Hauptversammlung auf 190 Euro.
Anerkennung kommt sogar vom selbst gewählten Rivalen. "Volkswagen ist eines der besten Unternehmen", sagte Toyotas Europachef Tadashi Arashima dem Handelsblatt. Das betreffe die Stärke der Marke, der Produkte, die Qualität und den Vertrieb. Winterkorn hat den Schlachtruf ausgegeben. Volkswagen soll, an den Kriterien Absatz und Kapitalrendite, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit gemessen, innerhalb von einer Dekade ganz nach vorn fahren.
Dazu muss VW die Absatzlücke zu Toyota schließen. Derzeit setzen die Japaner allein mit ihren Kernmarken Toyota und Lexus und ohne ihre Beteiligungen Hino und Daihatsu fast neun Millionen Autos ab - gut zweieinhalb Millionen mehr als der Wolfsburger Konzern. Ein eindrucksvoller Beleg für den japanischen Erfolg der vergangenen Jahre. 2001 lagen beide Konzerne nur einige Zehntausend Stück auseinander.
Ganz genau analysieren die Spezialisten in der VW-Zentrale am Mittellandkanal Strategie und Praxis des asiatischen Paradeunternehmens. "Wir können eine Menge von Toyota lernen - in jeder Beziehung", sagt Vertriebsmann Wittig. "Mach 2018" heißt das Programm, mit dem Winterkorn die 1 200 Top-Manager des Konzerns und die rund 330 000 VW-Mitarbeiter weltweit auf dem Weg nach vorn motivieren will.
"Die Ziele sind ausgesprochen ehrgeizig, und sie zu erreichen wird kein Kinderspiel", gibt der Volkswagen-Chef zu. Allein die Kernmarke VW soll im Jahr 2018 mindestens 6,6 Mill. Fahrzeuge verkaufen - ein Plus von mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 2006. Die Kapitalrendite soll von ehedem 5,3 auf für VW atemberaubend klingende 21 Prozent steigen.
Das Haupthindernis auf dem Wachstumspfad ist längst im Fokus des Unternehmens: Amerika. Am Mittwoch hat sich der Aufsichtsrat mit Standorten für eine neue Fabrik in Nordamerika beschäftigt. Mit einer US-Produktion ist Volkswagen vor 20 Jahren auf die Nase gefallen. Doch eine neue Attacke im Dollarraum ist dringend nötig. "Seit dem Jahr 2002 haben die Wolfsburger auf dem größten Automarkt der Welt Verluste in Milliardenhöhe eingefahren - während Toyota das Geld mit dem Karren hinausrollt", sagt Wimmer.
Statt zuletzt 531 000 Autos pro Jahr abzusetzen, sollen die Konzernmarken innerhalb von wenigen Jahren eine Million schaffen. "In den USA ist Toyota wesentlich erfolgreicher als wir", sagt Vertriebsmann Wittig selbstkritisch. Wie realistisch ist die Aufholjagd also?
Selbst in der Porsche-Zentrale gibt man zu, dass VW im Moment "noch weit entfernt von Toyota ist". Glücklich sind Wiedekings Mannen nicht, dass Winterkorn sich auf das Jahr 2018 festgelegt hat. "Es dauert eher länger, aber VW dreht sich in die richtige Richtung", sagt ein Porsche-Manager.
Entscheidend sei, dass die Mitarbeiter wüssten, wohin sie laufen sollen. Auch BMW habe Jahrzehnte gebraucht, um Mercedes einzuholen, die Audi-Mannschaft hat sich jahrelang mit der Parole "Beyond BMW" angespornt. Branchenexperte Wimmer zitiert Bill Gates: Im Allgemeinen überschätzen die Menschen, was man in einem Jahr erreichen könne, sagt der Microsoft-Gründer - und unterschätzen, was man in zehn Jahren realisieren könne.
Der entscheidende Vorteil des Jägers gegenüber dem Gejagten: Er muss mächtig aufholen, das motiviert die Mitarbeiter. Volkswagens Verbesserungspotenzial ist riesig. "Der Konzern muss einen größeren Teil seiner Produktion an die Zulieferer auslagern und so die Mittel freisetzen, um sein Kerngeschäft und sein Wachstum zu stärken", sagt Engelbert Wimmer. Das erfordert neues Denken, birgt aber gewaltige Chancen. "Warum sollten VW und Zulieferer nicht gemeinsam Komponentenwerke betreiben?" fragt der Automobilexperte.
An anderer Stelle legen die Deutschen sogar vor. "Wir sind mit unseren bald neun Marken und einer beispiellosen Vielfalt an Modellen vom Kleinwagen über Supersportwagen bis zum 44-Tonner extrem gut aufgestellt, das ist ein echter Wettbewerbsvorteil", sagt VW-Manager Wittig. Schon warnt Wiedeking, westfälischer Bewunderer japanischer Weisheit, davor, den Feind zu unterschätzen. Dessen Konzernchef Katsuaki Watanabe hat die Achillesferse des Erfolges erkannt. "Toyota bleibt nicht stehen, der Konzern fährt seine Wachstumsstrategie weiter", ist sich Falk Frey, Autoanalyst der Ratingagentur Moody's sicher.
Quelle: Handelsblatt.com
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