So wie ich es ablehne, unreflektiert das gebetsartige Wiederholen von "dem Franken geht's eh gut" zu glauben, gilt das auch für das Gegenteil. Die Welt (und noch ärger die Börsen) sind viel komplizierter, als dass einfache Antworten ausreichen. Ich lese daher sehr wohl die Interpretationen der "Experten" insbesondere dann, wenn es starke Widersprüche in deren Aussagen gibt.
Es gibt meiner Meinung nach eine Frankenblase. Wie groß diese ist und wie stark sie gerade platzt, entzieht sich (leider - denn sonst könnte ich damit viel Geld verdienen) meiner Kenntnis.
So wie ich das herauslese, gibt es eine nicht zu vernachlässigende Fraktion an Personen, die auch Geld im Markt haben (also ein persönliches Interesse, dass ihre Überlegungen aufgehen), die durchaus mit einem Absinken des Euros zum Franken rechnen. Einige davon sogar bis auf/unter die Parität. Nach meiner Einschätzung ist deren Anzahl in letzter Zet etwas geschrumpft, aber die Gruppe ist nicht vernachlässigbar und schon deswegen sollte man sich nicht gedankenlos über deren Argumente lustig machen und sie vom Tisch wischen. Hinzu kommt, dass gerade in volatilen Märkten selten das eintritt, was die Mehrheit der Experten voraussagt (siehe Prognosen 2007-2011).
Die Mehrzahl der kommunizierten Meinungen geht derzeit davon aus, dass sich der Euro leicht weiter erholen wird, dass das Band, in dem er bleiben wird, aber eher schmal ist. Bis Jahresende zwischen 1.05 und 1.13, soweit ich das überblicke.
Nur wenige gehen derzeit von einem wirklichen Platzen der Frankenblase aus und prognostizieren daher einen Anstieg auf Werte über 1.13 bis Jahresende.
Eine von China ausgehende Krise kann dem Schweizer Franken dabei kurzfristig sogar zur Hilfe kommen, indem der Franken plötzlich wieder als sicherer Hafen wahrgenommen wird. Außerdem können Banken in jenen Ländern, wo Frankenkredite zwangskonvertiert werden, versucht sein, den derzeitig günstig erscheinenden Kurs zu nutzen und die eigenen Verluste damit zu begrenzen (wenn sie diese schon nicht verhindern können) - wie gesagt, derzeit weiß keiner, wie es weitergeht und eigentlich kannst du alle Kurz-Prognosen in den Schredder geben und drauflosraten. Damit kommt aber dem psychologischen Moment eine immer größere Bedeutung zu und da ist "der Franken ist ein sicherer Hafen" eine ziemlich starke Triebfeder...
Und abschließend meine Meinung: ich denke, dass wir derzeit ein erstes (kleines) Platzen einer Frankenblase sehen. Vielleicht wurde diese Entwicklung auch von der SNB sacht mit angestoßen. Gerade durch die sich vielleicht abzeichnende Krise aus China kann aber gerade ein größeres Platzen verhindert werden. Kurzfristig kann der Kurs meiner Meinung nach um 5ct rauf oder runtergehen - weder in dem einen noch in dem anderen würde ich einen Trend sehen. Ich sehe ihn tendenziell aber leicht (!!!) steigen (vielleicht auf 1.10 bis Jahresende, also fast eine Seitwärtsbewegung.)
Sollte der Franken in den nächsten zwei Jahren über die Parität zum Euro steigen, dann würde das die nachfolgenden Langfristziele noch erhöhen, da ich der festen Überzeugung bin, dass die Schweizer Wirtschaft dies auch nur für 2 Jahre mit einem wirtschaftlich heftigen Abschwung bezahlen würde müssen.
Langfristig (5-10 Jahre) glaube ich, dass der Franken aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten deutlich abwerten wird. ich sehe den Kurs dann auf mindestens 1.35, schon deswegen, weil die Schweizer Wirtschaft sich nicht von der Europäischen isolieren kann (es sei denn, die weiter oben prolongierte verstärkte Kooperation mit den BRICS kommt wirklich und führt zu einem Bruch mit der EU - ich halte eine solche Entwicklung aber für das schlimmste, was dem Franken passieren kann, wie auch schon weiter oben ausgeführt). Das wirtschaftliche (aber auch die Effizienz und Innovationskraft) der europäischen Wirtschaft geht in erster Linie von Deutschland aus. Und gegen diese kommt die Schweizer Wirtschaft nicht an. |