ROUNDUP 3: Einbruch im Stahl- und Edelstahlgeschäft belastet ThyssenKrupp
15:47 23.01.09
(Neu: Weitere Details von der Hauptversammlung, Aktie, Middelmann-Nachfolge)
BOCHUM (dpa-AFX) – Die massive Verschärfung der weltweiten Wirtschaftskrise macht dem Industriekonzern ThyssenKrupp (Profil) immer schwerer zu schaffen. In der Stahlsparte seien die Auftragseingänge im November und Dezember um bis zu 50 Prozent eingebrochen, sagte Vorstandschef Ekkehard Schulz am Freitag in Bochum. Im Edelstahlgeschäft hat sich die Lage massiv verschlechtert: 2008/2009 rechnet der Konzern hier mit roten Zahlen, der Bereich verschiebt den Bau seines US-Werks um ein Jahr und schickt einen Teil seiner Mitarbeiter ab Februar in Kurzarbeit. Einen „derart abrupten Einbruch wie in den letzten Monaten habe ich während meiner über 40 Berufsjahre noch nicht erlebt“, sagte Schulz. Einen Stellenabbau wollte der Konzernchef nicht mehr ausschließen. Zum Verlauf des Ende Dezember abgelaufenen ersten Quartals äußerte sich das Management nicht und wagte auch weiter keine Prognose für das laufende Geschäftsjahr.
An vielen Stellen im Konzern seien Unsicherheiten und Auftragsrückgänge zu spüren, sagte Schulz. Die rückläufige Nachfrage in der Stahlsparte, deren Kunden zu einem Drittel aus der Autoindustrie kommen, werde sich „deutlich negativ auf unser Ergebnis auswirken“. „Wir werden in diesem Geschäftsjahr, soviel ist sicher, einen deutlichen konjunkturbedingten Umsatz- und Ergebnisrückgang hinnehmen müssen“, betonte der ThyssenKrupp-Chef. Die Situation sei schwer einzuschätzen, die Krise in „ihrer Entstehung und ihrer Heftigkeit ein Novum“. Er rechne damit, dass die Rezession deutlich schärfer ausfallen und länger anhalten werde, als es noch vor wenigen Monaten zu erwarten war. „Deswegen kann ich Ihnen hier und heute keine seriöse Prognose geben.“
Die Aktie von ThyssenKrupp verlor bis zum Nachmittag 3,56 Prozent auf 15,72 Euro und damit mehr als der Markt. Insgesamt wurden die Stahlwerte von schlechten Branchenvorgaben aus Japan belastet. Der japanische Branchenprimus Nippon Steel hatte Produktionskürzungen angekündigt.
EDELSTAHLWERK IN USA KOMMT SPÄTER – EDELSTAHLSPARTE IN KURZARBEIT
Bereits im November hatte ThyssenKrupp in Reaktion auf die Krise ein umfassendes Kostensenkungsprogramm angekündigt. Davon verspricht sich der Konzern Einsparungen von deutlich über eine Milliarde Euro. Zusätzlich hat der Konzern jetzt auch seine Investitionen überprüft und verschiebt den Bau des über eine Milliarde Euro teuren Edelstahlwerks in den USA um etwa ein Jahr. „Diese zeitlichen Anpassungen sichern kurzfristig Liquidität; mittel- und langfristig bleibt das Ergebnis- und Umsatzpotenzial für den Konzern erhalten“, sagte Schulz. Ursprünglich sollte der erste Teil des Werks Ende dieses Jahres in Betrieb gehen. Am Umfang würden keine Abstriche gemacht, betonte Schulz. Der Bau des Stahlwerks am selben Standort in Alabama werde unverändert fortgesetzt, ebenso liege das neue Stahlwerk in Brasilien im Plan.
Gleichzeitig müssen sich mehr Mitarbeiter auf Kurzarbeit einstellen. Von den 41.000 Mitarbeitern der Sparte Steel würden ab Februar 16.000 kurz arbeiten. Zusätzlich wird diese Maßnahme nach einem Beschluss von dieser Woche auch im Edelstahlbereich eingeführt. Betroffen sind nach Aussage eines Sprechers vor allem die 4.500 Mitarbeiter von Nirosta, von denen Anfang nächsten Monats 2.000 kurz arbeiten. „Wir entscheiden von Monat zu Monat“, betonte der Sprecher, auch bei weiteren Töchtern der Sparte Stainless würden entsprechende Maßnahmen geprüft. „Insgesamt sehen wir im Bereich Rostfrei einen schwierigen Start in das neue Geschäftsjahr, das mit einem Verlust abschließen wird“, betonte Schulz. Mittelfristig gehe der Konzern aber davon aus, dass der Edelstahlmarkt auf den langjährigen Wachstumspfad von rund 5 bis 6 Prozent Wachstum pro Jahr zurückkehre.
STELLENABBAU NICHT AUSGESCHLOSSEN
Einen Stellenabbau plant ThyssenKrupp bislang nicht vor, Schulz wollte diesen aber nicht gänzlich ausschließen. Zwar wäre es falsch, „von kurzfristigen Erwägungen getrieben auf gut qualifizierte Mitarbeiter zu verzichten“, sagte er, fügte aber hinzu: „Dennoch können wir in einigen Bereichen signifikante Einschnitte nicht ausschließen.“ Er halte es für unseriös, Garantien abzugeben, die möglicherweise von der wirtschaftlichen Entwicklung überholt werden.
Eine Entlastung verspricht sich der Konzern im Stahlbereich auf der Rohstoffseite, wo die Preise für Erz und Kokskohle im Zuge des Abschwungs deutlich gesunken sind. „Deshalb erwarten wir eine deutliche Entlastung bei den anstehenden Preisverhandlungen auf der Rohstoffseite von über 50 Prozent“, betonte Schulz. Beim Edelstahl gestalte sich dies allerdings anders, hier seien die Rohstoffpreise weiter hoch. In den Sparten Elevator und Technologies erwartet ThyssenKrupp eine vergleichsweise positive Geschäftsentwicklung: Die Aufzugsparte werde Umsatz und Ergebnis steigern, Technologies werde „relativ gut abschneiden“.
CROMME: FÜHREN 'VERTRAULICHE GESPRÄCHE' ÜBER MIDDELMANN-NACHFOLGER
Konzernweit rechne er ab nächstem Jahr wieder mit einer Verbesserung der Situation. „Für 2010 besteht die Hoffnung, dass die Weltwirtschaft die Rezessionsphase verlassen wird und sich das Wachstum wieder moderat beschleunigt.“ Für diesen Fall werde ThyssenKrupp auf den Wachstumspfad zurückkehren. Die mittelfristigen Ziele bekräftigte Schulz. Nachdem die Aktionäre für das abgelaufene Jahr mit 1,30 Euro eine unveränderte Dividende erhalten sollen, stellte Schulz auch für die Zukunft eine Dividendenkontinuität in Aussicht. „Wir wollen die Dividende nicht in der Weise atmen lassen, wie das möglicherweise beim Ergebnis der Fall ist.“
Im Moment ist ThyssenKrupp (Profil) zudem auf der Suche nach einem Nachfolger für seinen Finanzchef Ulrich Middelmann. "Wir führen aktuell ganz konkret vertrauliche Gespräche“, sagte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Middelmann wird Anfang kommenden Jahres 65 Jahre alt. "Wir haben schon eine Vielzahl von Gesprächen mit potenziellen Kandidaten geführt“, betonte Cromme. Er hoffe, dass der Konzern "relativ schnell und kurzfristig“ einen Nachfolger vorstellen könne. Zu in den Medien genannten Kandidaten – speziell den aktuellen Finanzchef des Autozulieferers Continental (Profil), Alan Hippe – wollte sich der Aufsichtsratschef nicht äußern. Das "manager magazin“ hatte in seiner Online-Ausgabe unter Berufung auf Insider berichtet, dass Hippe zu ThyssenKrupp wechseln und dort das Finanzressort zunächst gemeinsam mit Middelmann leiten solle./sb/he
--- Von Kathrin Schulte-Bunert, dpa-AFX --- Quelle: dpa-AFX ----------- Gewinn ist die Summe aus positiven Investitionen abzüglich negativer Investitionen |