19.02.2009 Preispoker mit der HRE-Aktie
Es wird geschachert, was das Zeug hält: Der Bund will bei der Hypo Real Estate freie Hand haben und die Aktionäre aus der Bank drängen. Großaktionär J. C. Flowers will sich das bezahlen lassen – angeblich mit 8 bis 10 Euro je Aktie. Ein Investment in HRE-Aktien ist nichts anderes als Glücksspiel. Nach einer gütlichen Einigung sieht es nicht aus. Schon gar nicht nach einer schnellen: Die Bundesregierung ist Finanzminister Peer Steinbrück zufolge nicht bereit, dem HRE-Großaktionär bei einem möglichen Ausstieg aus dem stark angeschlagenen Immobilien- und Staatsfinanzierer finanziell entgegenzukommen. "Es gibt die Möglichkeit, ein Übernahmeangebot zu machen. Aber Herr Flowers wird Preisvorstellungen haben, die weit über das hinausgehen, was in einem Enteignungsverfahren zu zahlen wäre, gemessen an dem aktuellen Kurs", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gegenüber dem WDR am Donnerstag.
3 Euro oder 8 bis 10 Euro? Die Frage, über die auch an der Börse heftigst spekuliert wird, ist: Um welche Summen geht es? Im Markt kursiert heute das Gerücht, dass der deutsche Staat Flowers 3 Euro pro Aktie bezahlen könnte, schreibt der Börseninformationsservice GodmodeTrader. Das wäre deutlich mehr, als derzeit an der Börse für eine HRE-Aktie gezahlt wird: Die Aktie war gestern, als die Regierung ihre Enteignungspläne in Form gegossen hatte, um 47 Prozent in die Höhe geschossen von 1,11 Euro auf 1,63 Euro – heute ging es weiter aufwärts, zeitweise bis auf 1,92 Euro.
Aber es wäre noch viel weniger, als Flowers im Sommer 2008 bei seinem Einstieg gezahlt hat: Das waren stolze 22,50 Euro das Stück. Insgesamt berappte der Finanzinvestor für seine knapp 25 Prozent an der Bank 1,1 Milliarden Euro. Seitdem hat die Aktie mehr als 90 Prozent ihres Werts verloren. Da ist es durchaus vorstellbar, dass Flowers beim Bund nun wenigstens 8 bis 10 Euro je Aktie rausschlagen will. Derartige Medienberichte beantwortete Steinbrück mit den Worten: "Das ist Spekulation." Das könne er nicht bestätigen. Nur so viel: Eine Einigung mit Flowers würde, gemessen an dessen Vorstellungen, "sehr viel teurer" als eine Enteignung.
Der Kursverlauf der letzten 14 Tage - relevant, wenn die Enteignung heute stattfände. Eine äußerst volatile Aktie - allein am 18. Februar schwankte der Kurs zwischen 1,14 Euro und 1,93 Euro. 1. Enteignung Enteignung – das ist das Reizwort dieser Tage. Das Bundeskabinett hatte gestern einen Gesetzentwurf gebilligt, der bei einer Verstaatlichung von angeschlagenen Banken als letzte Möglichkeit eine Enteignung vorsieht. Die Wirtschaft reagierte empört auf diese Pläne, sprach von einem Tabubruch, der dem Standort schaden werde. Dagegen beschwichtigt die Regierung: Der Gesetzentwurf zielt nur auf die HRE.
Im Falle einer Enteignung müsste der Bund den Aktionären eine Entschädigung zahlen. Die Summe richtet sich nach dem Durchschnittskurs der Hypo-Real-Estate-Aktie in den beiden Wochen vor der Enteignungsankündigung. In den letzten zwei Wochen schwankte der Kurs zwischen 0,98 Euro und 1,92 Euro. Aktuell müssten die Altaktionäre zwischen 270 und 280 Millionen Euro bekommen. Das Gesetz soll bis 3. April durchs Parlament.
2. Mehrheitsübernahme durch Kapitalerhöhung Kanzlerin Angela Merkel zeigte einen zweiten Weg auf: Der Staat könnte auf eine Enteignung verzichten, wenn die Aktionäre auf einer Hauptversammlung einem Kapitalschnitt zustimmen und einer anschließenden Kapitalerhöhung, die aber nur der Bund zeichnet. Auf diesem Wege könnte sich der Bund die Mehrheit an der HRE aneignen. Durch diese Kapitalschritte würden die Aktionäre ihre Einlagen zum größten Teil verlieren. Um sie trotzdem zur Zustimmung zu bewegen, droht ihnen das Gesetz mit Konsequenzen: Die Aktionäre müssen Schadenersatz leisten, wenn sie durch ihr Stimmverhalten oder unbegründete Klagen den Fortbestand der Bank gefährden. Außerdem weicht man dann wieder zu Weg Nummer eins: die Enteignung.
Bei einem Übernahmeangebot werden die letzten drei Monate herangezogen, um die Höhe des Preises festzulegen. 3. Übernahmeangebot Die Regierung erwägt als dritte Möglichkeit ein Übernahmeangebot. Das könnte auch noch unterbreitet werden, wenn das Enteignungsverfahren bereits eingeleitet ist. Wie eingangs erwähnt, dürfte das aber an den Preisvorstellungen von Flowers scheitern. Der Mindestpreis richtet sich in diesem Fall nach dem Durchschnittskurs der HRE-Aktie in den letzten drei Monaten. Die Aktie schwankte in diesem Zeitraum zwischen 0,98 Euro und 3,29 Euro.
Welcher Weg beschritten wird, ist völlig offen. Ein Engagement in der Aktie jedenfalls nichts für schwache Anlegernerven. Der Markt wird hauptsächlich von Spekulanten dominiert – daher kommt es zu so heftigen Kursbewegungen wie gestern. So mancher Anleger hat wohl auch auf einen preistreibenden Squeeze-out spekuliert. Der Bund stellte die Weichen dafür, dass die Kleinaktionäre schon dann zwangsweise abgefunden werden, wenn der neue Eigner 90 Prozent der Aktien hält. Normalerweise ist der Squeeze-out erst bei 95 Prozent möglich. Die Frage ist natürlich, ob es dem Bund gelingt, überhaupt auf einen so hohen Anteil zu kommen.
Höhere Risiken als vermutet? Gegen die Aktie spricht außerdem: Niemand weiß, welche negativen Nachrichten noch ihren Weg in die Öffentlichkeit finde. Einem Zeitungsbericht zufolge birgt die HRE möglicherweise noch höhere Risiken in sich als bisher vermutet. Der Münchener Konzern habe Kredit- und Derivatgeschäfte in Höhe von einer Billion Euro abgeschlossen, berichtete die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" Donnerstagausgabe) unter Berufung auf mehrere Finanzexperten des Bundestages. Eine Insolvenz des Geldhauses hätte "unabsehbare Folgen" für die gesamte deutsche Volkswirtschaft.
Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag) berichtet, sollen in den kommenden Wochen weitere Garantien von bis zu 20 Milliarden Euro nötig sein. Zudem mangele es an Eigenkapital. Bis Ende März müsse die Bank ihren Jahresabschluss vorlegen. In der Branche kursiere die Befürchtung, dass die HRE die Mindestquoten für das Eigenkapital aus eigener Kraft nicht mehr erfüllen kann und weitere 10 Milliarden Euro erforderlich sind.
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