"Im Moment ist alles wunderbar"
Bayerische Rudelbildung nach dem vorzeitigen Gewinn der Deutschen Meisterschaft. -------------------------------------------------- Er wurde drei Mal als Spieler und nun zum 14. Mal als Manager Meister. Uli Hoeneß (53) spricht über den aktuellen Titel, das Risiko mit dem neuen Trainer Felix Magath sowei über neue Spieler. --------------------------------------------------
kicker: Herr Hoeneß, herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft! Wie geht es dem Muskelfaserriss?
Uli Hoeneß: Es tut sehr weh, womöglich ist es ein Muskelbündelriss.
kicker: Konnten Sie die Meisterschaftsfeier dennoch genießen?
Hoeneß: Ich kam um zwei Uhr nachts vom ZDF-Sportstudio zurück, wir saßen am Sonntag bis halb fünf in der Frühe.
kicker: Hatten Sie je Zweifel, dass es mit dem Titel klappt?
Hoeneß: Manchmal war es zu holprig, da hat nicht viel funktioniert. In Tel Aviv dachte ich, da geht ja gar nichts. Plötzlich fiel der Schalter.
kicker: Wann?
Hoeneß: Gegen Ajax, beim 4:0. Oder als wir gegen Juve 0:1 verloren und Ajax gegen Tel Aviv unterlag, habe ich zu Magath gesagt: Jetzt wird es was. Du musst auch ein bisschen Glück haben.
kicker: Sprechen Sie von den Dusel-Bayern?
Hoeneß: Dieser Begriff ist totaler Unsinn. Der FC Bayern muss sich seine Erfolge mehr erarbeiten als die anderen, gerade auswärts. Letztlich setzt sich die Qualität unserer Mannschaft durch. Wer hat zuletzt 4:0 in Lautern gewonnen?
kicker: Bayern im Viertelfinale der Champions League, am 17. 3. 1999. In der Bundesliga Hamburg am letzten Spieltag 1986/87.
Hoeneß: Wir haben am Samstag in einem Spiel, in dem andere verkrampfen, von Anfang an wie zu Hause gespielt, unter besonderem Druck, mit dem jungen Torwart.
kicker: Sie sprachen von einem Risiko, das der Trainerwechsel dargestellt habe. Was meinten Sie?
Hoeneß: Wir haben von der weichen auf die harte Welle umgestellt: Was hätten wir gemacht, wenn es nicht funktioniert hätte? Was dann? Wir gingen da ein Risiko ein, denn Ottmar Hitzfeld war populär. Es ging gut. Wir haben dafür hart gearbeitet. Das System und die Arbeit von Felix Magath zahlen sich aus.
kicker: Hat sich Magath nun beim FC Bayern etabliert?
Hoeneß: Im Moment ist alles wunderbar. Im Kader herrschen eine große Harmonie und Sympathie.
kicker: Wo ist die Handschrift des neuen Trainers zu sehen?
Hoeneß: Er trainiert anders, er legt mehr Wert auf Disziplin. Anfangs prallten Welten aufeinander. Läufe auf den Wallberg waren schon ungewöhnlich.
kicker: Liegt die entscheidende Änderung im Physischen?
Hoeneß: Ja. Real Madrid hat auch gute Fußballer, aber die kamen in dieser Saison lange nicht ins Laufen. Der neue Trainer Luxemburgo bringt sie offenbar wieder dazu.
kicker: Magath würde gerne noch mehr trainieren, beim FC Bayern bleibt ihm dafür aber nicht die Zeit.
Hoeneß: Wir fliegen im Juli vier Tage nach Tokio. Da verdienen wir so viel Geld, dass er einen guten neuen Spieler dafür bekommt.
kicker: Wie viele Neue kommen?
Hoeneß: Philipp Lahm. Und wir suchen einen guten Innenverteidiger.
kicker: Wer wird es? Der Brasilianer Luisao von Benfica Lissabon?
Hoeneß: Den beobachten wir. Aber der Daumen geht nicht nach oben. Unsere Scouts sind unterwegs; wenn ihnen einer gefällt, sitzen wir sofort im Flugzeug.
kicker: Ist Balde von Celtic Glasgow durchgefallen?
Hoeneß: Wir hatten ihn in guter Erinnerung, auch Felix Magath. Kopfballstark ist Balde noch immer. Wir beobachten ihn weiter.
kicker: Ist der Nürnberger Torjäger Marek Mintal ein Mann für Bayern?
Hoeneß: Nein. Was soll er bei uns spielen? Wir haben Santa Cruz, Deisler, Schweinsteiger, Hargreaves und Lahm. Es wäre die größte Leistung von Magath, wenn sich alle diese Spieler noch steigern.
kicker: Hat Schweinsteiger Ihre frühere Skepsis widerlegt?
Hoeneß: Seine Entwicklung ist wunderbar. Er hat dazugelernt, arbeitet gut, ist diszipliniert.
kicker: Welcher Spieler hat die größten Fortschritte gemacht?
Hoeneß: Es wäre falsch, Einzelne hervorzuheben. Dieser 19. Titelgewinn ist ein Gesamtwerk.
kicker: Steht der FC Bayern am Beginn einer neuen Ära?
Hoeneß: Es ist noch zu früh, darüber zu urteilen. Aber drei Spieltage vor Schluss wird man ohne Substanz nicht Meister. Mein Maßstab ist das 3: 2 gegen Chelsea. Auf diesem Niveau müssen wir uns einpendeln. Lediglich die Chancenverwertung muss besser werden.
kicker: Und dann reicht es für den großen internationalen Wurf?
Hoeneß: Ich kann nicht sagen, in der kommenden Saison schlagenwir Chelsea, Milan und Manchester. Wir müssen ein Team formen, das sich aus sich heraus bildet. In den 70-er Jahren war es genauso.
kicker: Mit Maier, Beckenbauer, Müller, Breitner und Ihnen?
Hoeneß: Das heutige Potenzial ist ähnlich. Claudio Pizarro kann ein Weltklassespieler sein. Ansätze zeigt er, aber er ist ein Sunnyboy. Jetzt muss er den nächsten Schritt tun. Auch Willy Sagnol hat die Qualität zum Weltklassemann. Obwohl er etwas verschlafen wirkt, ist er ein Schlawiner.
kicker: Kovac geht zu Juve. Finden Sie Ihren Sparkurs weiter richtig?
Hoeneß: Ja. Da waren wir starrköpfig. Drei Mal boten Sie uns an einzusteigen, wir lehnten ab.
kicker: Dafür müssen Sie für einen Neuen eine hohe Ablöse zahlen.
Hoeneß: Aber der Neue verdient nicht mehr Geld. Wir sind unseren Prinzpien treu geblieben. Die Spieler müssen die Grenze kennen.
kicker: Wo liegt sie bei Ballack, der vorzeitig verlängern soll?
Hoeneß: Es gab ein Gespräch, wir haben Standpunkte ausgetauscht.
kicker: Sind Sie mit ihm zufrieden?
Hoeneß: Im Vergleich zum Vorjahr ist eine klare Entwicklung zu sehen, von seinem Engagement für den FC Bayern.
kicker: Setzt Ballack die Reihe der Beckenbauer, Breitner, Matthäus, Effenberg und wie sie hießen fort?
Hoeneß: Vor einem Jahr hätte ich mit einem klaren Nein geantwortet. Heute sage ich: vielleicht.
kicker: Warum fordern Sie so vehement das Double?
Hoeneß: Weil wir Schalke nicht die Möglichkeit geben wollen zu sagen: Die Bayern sind zwar Meister, aber wir haben sie drei Mal in einer Saison geschlagen, also: Die beste deutsche Mannschaft sind wir. Mit dem Double ist alles okay.
kicker: Dann ist auch die Champions League verdaut?
Hoeneß: 2004 war das Aus viel schlimmer, da waren wir international schlecht. Gegen Chelsea fehlte in München das Glück.
kicker: Was geben Sie für 05/ 06 vor?
Hoeneß: Fast alle Spieler können sich um 15 bis 20 Prozent steigern.
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