ich gebe es zu: ich kann viele der hier geposteten englischsprachigen Artikel (schon rein zeitlich) nicht genau durchlesen und überfliege sie daher mehr oder minder sorgfältig. Das geht wahrscheinlich einige usern hier so. A.L. redigiert ja freundlicherweise viele seiner eingestellten Artikel durch Hervorhebung oder eingefügte Kommentierung, das ist dann sehr hilfreich für uns Leser, die essentials des Artikels schnell erfassen zu können. Andernfalls bleibt ja wahrscheinlich so manche wertvolle Info der Masse der Mitleser verborgen. Jetzt hat Stöffen gestern mit den postings #4913, 4915 und 4917 (p.197) drei höchst interessante Beiträge eingestellt, bei deren Lektüre mich ein Frösteln überkam und die erstaunlicherweise (aus o.g. Gründen?) hier im Thread aber keinen rechten Widerhall erfahren haben. Also, liebe Mit-User, macht Euch doch mal die Mühe und blättert zurück auf Seite 197. Ich will hier mal kurz laut nachdenken: 1) da fand sich in posting #4915 folgender Abschnitt: "The cost of borrowing for most firms in Europe and North America has jumped from circa 6.5pc to 8.3pc, if they can get it. Many cannot. Germany’s Chamber of Industry told me yesterday that it had been flooded with distress calls from family Mittlestand firms unable to roll over credit lines." So. Was macht denn unser bekanntermaßen vor Eigenkapital nur so strotzender Mittelstand, wenn er keine Kredite mehr bekommt? Was sind die allseits bekannten 'vollen Auftragsbücher' wert, wenn man nicht vorfianzieren kann? Das o.g. Zitat mag vielleicht nicht repräsentativ und belastbar sein, sollte aber all denjenigen zu denken geben, die derzeit zum 'business as usual' zurückkehren wollen, weil die FED und andere Notenbanken die Sache ja schon regeln werden. 2) Impressionen zum Treiben der FED: Das Absenken des Diskontsatzes um 0.5% ist ja anfangs (auch hier im Thread) als eher kosmetische Maßnahme bewertet worden, da sich über dieses Fenster ohnehin nur Fast-Pleitebanken was leihen würden, die sonst nirgendwo mehr Kredit haben. Davon scheint es ja nun doch einige zu geben (DB, Citi, BoA, JP Morgan, Wachovia, etc.). Darüberhinaus ist die Tatsache, daß Subprime-Schrott bei der FED am discount window als 'Sicherheit' hinterlegt werden kann, an sich schon ein Witz (nun gut, war ja bisher offenbar auch eine eher theoretische Möglichkeit, wenn's kaum einer genutzt hat). Besonders witzig wird's, wenn man sich die realisierbaren Beleihungswerte anschaut (Link von Stöffen in #4911 gepostet): mind. 80% Beleihungswert, auch wenn kein aktueller Marktwert verfügbar ist! Normalsterbliche würden mit einem solchen Ansinnen ausgelacht werden, oder müßten (wenn überhaupt möglich) einen Beleihungswert von weit unter 50% akzeptieren. Offenbar sind die Beleihungswerte der FED auch historisch gewachsen und mitnichten der aktuellen prekären Situation angepaßt worden. Angepaßt = Verlängert wurde lediglich die Ausleihdauer (30 Tage statt overnight). Wer braucht nun die FED-Gelder so dringend? Aus Stöffen's posting #4913 geht hervor, daß eine ehemals eiserne Regel außerkraft gesetzt wurde, nach der die Kreditaufnahme bei der FED zugunsten von Tochterunternehmen limitiert ist. "… the Fed, which regulates large parts of the U.S. financial system, has agreed to exempt both banks from rules that effectively limit the amount of lending that their federally-insured banks can do with their brokerage affiliates. The exemption, which is temporary, means, for example, that Citigroup's Citibank entity can substantially increase funding to Citigroup Global Markets, its brokerage subsidiary. Citigroup and Bank of America requested the exemptions, according to the letters, to provide liquidity to those holding mortgage loans, mortgage-backed securities, and other securities" (…) "The regulations in question effectively limit a bank's funding exposure to an affiliate to 10% of the bank's capital. But the Fed has allowed Citibank and Bank of America to blow through that level." Das betrifft die offenbar in massive Liquiditätsenge gekommenen Brokerage-Töchter der Citi und BoA. Offenbar haben Anleger (wie ich übrigens auch !!!) aus Vertrauensverlust in großem Umfang Einlagengelder von ihren Tagesgeld- und Verrechnungskonten abgezogen, was von den betroffenen Brokern nicht auf normalem Wege bedient werden konnte. A.L. hatte ja schon von ähnlichen Schwierigkeiten bei E*trade USA berichtet, die kurzfristige Einlagen in ABS-Schrott u.ä. angelegt hatten, der nun nicht mehr liquidierbar waren: >>> http://www.ariva.de/Wie_sicher_sind_US_Broker_t300138 Ich vermute nun, daß ähnliche Vorgänge auch bei Citi und BoA dazu geführt haben, daß Kundeneinlagen nicht mehr regulär ausgezahlt werden können und über das FED discount window zwischenfinanziert werden müssen, was nur mit o.g. Regelaussetzung möglich wurde. Ohne die Regeländerung wären die Broker der genannten Dickschiffe wohl zahlungsunfähig geworden, und das nennt man landläufig BANKENPLEITE. Ist man bei der Sachsen-LB vielleicht geneigt, noch zu schmunzeln (wer hat schon sein Konto bei der Sachsen-LB? Richtig, formal niemand!), so kann man sich vorstellen, was eine Insolvenz bei zwei führenden US-Brokern für dramatische Folgen für die US-Verbraucher gehabt hätte. Also wieder mal nur ganz knapp vorbei an der Katastrophe. Quo usque tandem? Dazu abschließend noch ein Abschnitt aus Stöffen's posting #4915 repetiert: " (…) yields on 3-month US Treasury notes plunged at the fastest pace ever recorded, a panic flight to safety that no living trader had ever seen before. Why? Because trust had collapsed to such a degree that players with a lot of cash no longer believed it safe to leave wealth in bank accounts, or the money market funds of brokerage companies - (exposed as they are to short-term commercial paper and subprime CDOs). This did not occur after 9/11, or in the heat of the October 1987 crash. Nor did was there such a banking panic in October 1929. (it hit in August 1931)." Ob es unseren heimischen Brokern diesbezüglich besser geht? Daß die Öffentlichkeit bislang nur bei Einzelfällen (IKB, Sachsen-LB, und sukzessive jetzt auch weitere LB) vorsichtig auf Schieflagen vorbereitet wurde, sagt IMHO gar nichts über die wahre Situation der Institute aus. Es steht ja schon in der Fibel des kleinen Bankers geschrieben, daß Probleme (system-)intern geregelt werden müssen und keinesfalls an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. VG, Isc. |