Nein, ich bin nicht in die Doom-Fraktion konvertiert ;o) Im folgenden ftd-Artikel diskreditiert sich Lucas Zeise eigentlich schon durch die Titelformulierung, aber wir halten ihm mal zugute, daß es eine gezielte Provokation sein soll. Abgesehen davon und einzelnen Widersprüchlichkeiten (Rezessionserwartung vs. Flucht in sichere Staatsanleihen) ist der Artikel aber einen ganz nette Zusammenfassung der aktuellen Dollarproblematik für ökonomische Laien wie mich und enthält auch einige Aspekte, warum der Dollar längst noch nicht abzuschreiben ist. VG, Isc. FTD: Lucas Zeise: Wertlose Papiergeldschnipsel Wenn die Währung eines Landes abstürzt, jagen die Zinsen nach oben. Denn die Anleger im In- und Ausland meiden alle Wertpapiere, die Zinsen und Tilgung in einer Währung versprechen, die von Tag zu Tag weniger wert ist. Mangels Nachfrage sinken die Preise dieser Wertpapiere, was anders ausgedrückt höhere Zinsen bedeutet. Insofern ist es erstaunlich, dass der Verfall des Dollar in diesen Tagen mit einem dramatischen Abrutschen der Renditen von US-Staatsanleihen begleitet wird. Die Rendite zehnjähriger Anleihen des Schatzamtes ist unter vier Prozent gesunken. Sie hat gleichzeitig die ebenfalls nach unten schlitternde Rendite der zehnjährigen Euro-Bundesanleihe unterschritten. Die Rendite der zweijährigen Treasury ist in wenigen Tagen jäh unter drei Prozent gestürzt. Nur zur Erinnerung: Der Leitzins der US-Notenbank liegt noch anderthalb Punkte höher, bei 4,5 Prozent. Kurz, wir sind Zeugen der kräftigsten Rally bei US-Staatsanleihen seit 2002. Der steile Absturz der Marktrenditen in den USA signalisiert, dass Investoren mit einer Rezession rechnen - zumindest aber mit einer viel expansiver werdenden Notenbankpolitik, die die drohende Rezession vermeiden helfen soll. Flucht in Staatspapiere Der fallende Dollar scheint dagegen im Kalkül der Investoren noch keine Rolle zu spielen. Täte er das, müssten die Renditen der Dollar-Staatsanleihen steigen, nicht sinken. Zur Erklärung dieses Phänomens bieten sich mehrere Ansätze an. Zum einen steht der Flucht aus allen Dollar-Papieren eine Flucht aus Risikopapieren in sichere Staatsanleihen gegenüber. Wer keine von Subprime-Hypotheken hinterlegten Commercial Papers mehr halten will oder wem sogar Emissionen der halbstaatlichen Finanzierungsagentur Freddie Mac zu gefährlich sind, der wechselt in US-Staatspapiere gleicher Laufzeit. Der zweite Erklärungsansatz schließt sich dem an: Die rasante Rally der Staatspapiere ist vor allem eine inneramerikanische Angelegenheit. Sie geht einher mit dem Kursverfall der Bonds anderer Emittenten. Die Renditeabstände zwischen den verschiedenen Risikoklassen weiten sich aus. Die dritte Erklärung dreht sich um den Dollar als Weltwährung. Danach sind alle international tätigen Investoren - seien es Ölexporteure, Hedge-Fonds oder Zentralbanken - gezwungen, überschüssige Liquidität in der Weltwährung anzulegen. Diese dauerhafte und stetige Nachfrage nach in Dollar denominierten Wertpapieren stützt diese Weltwährung sogar noch in Zeiten akuter Schwäche. Diese besondere Attraktivität von Dollar-Papieren hat zur Folge, dass das Zinsniveau in den USA immer relativ niedrig ist. Relativ heißt: bezogen auf die ökonomischen Verhältnisse und die Wirtschaftspolitik des Landes. Amerika kann sich eine laxere, expansivere Wirtschaftspolitik als andere Länder leisten. Die USA konnten in der Nachkriegszeit sogar in mehreren längeren Perioden den Dollar abwerten lassen, ohne dass Kapitalflucht Zinsen und Wachstum drastisch eingeschränkt hätte. Aus dieser Position der Stärke heraus konnte Präsident Richard Nixons Finanzminister John Connolly gegenüber den europäischen Regierungen seine berühmte Aussage treffen: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem." In der aktuellen Abwertungsrunde ist er ein Problem nicht nur der Europäer, sondern vor allem der Asiaten. Der schwache Dollar lässt die Kaufkraft des bisher aufnahmefähigsten Marktes der Welt schrumpfen. Die extrem negative Leistungsbilanz der USA bessert sich. Da die verarbeitende US-Industrie in den vergangenen 15 Jahren stark vernachlässigt wurde, werden aber weniger steigende Exporte als sinkende Importe zur Bewegung in Richtung einer ausgeglicheneren Leistungsbilanz beitragen. Die schnellste Wirkung hat die Dollar-Abwertung auf die Vermögensposition der USA und ihrer Gläubiger. Man muss kein Mitleid mit der chinesischen Regierung haben, deren Staatsbank mehr als 1000 Mrd. an Dollar-Papieren (meist Staatsanleihen) hält. Sie wusste, welches Risiko sie kaufte. Wenn sie nun im Gefolge der Dollar-Abwertung 200 oder 300 Mrd. $ abschreiben muss, hat sie mit dieser Fehlinvestition immerhin den Aufbau einer beachtlichen Exportindustrie ermöglicht. Harsche Töne in der Opec Spiegelbildlich verbessert sich die Vermögensposition der USA durch den Dollar-Verfall. Die Guthaben in ausländischer Währung steigen, während sich die fast durchweg in Dollar eingegangenen Schulden auf angenehmste Weise verringern. Mit jedem Cent, den der Dollar verliert, saniert sich Amerika damit auf Kosten seiner Gläubiger. Natürlich werden solch schnöde Überlegungen in Gläubigerkreisen Deutschlands nicht angestellt. Wohl aber im Kreis der Ölexporteure. Beim Opec-Treffen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad vor zehn Tagen sagten die Präsidenten Venezuelas und des Iran, die USA-Gegner Hugo Chávez und Mahmud Ahmadinedschad, laut, was die übrigen Kartellmitglieder nicht zu sagen wagten: "Sie bekommen unser Öl und geben uns wertlose Papierschnipsel dafür." Relevant für den US-Finanzmarkt ist die Opec. Harm Bandholz von HVB/Unicredit weist darauf hin, dass die Ölexporteure zuletzt für fast 100 Prozent der internationalen Nettokäufe von US-Staatsanleihen verantwortlich waren. Stephen Jen, Devisenstratege bei Morgan Stanley und bekannt für seine Pro-Dollar-Position, sieht sich sogar zu einer Werbeschrift an die Adresse der Ölproduzenten veranlasst. Er rechnet vor, welch gutes Geschäft der Tausch ihres Öls gegen Finanztitel aus dem Westen darstellt. Die langfristige Performance von Aktien sei einfach besser als die des Ölpreises. Wer solche Werbung nötig hat, um den steht es nicht zum Besten. Der Dollar scheint im Begriff zu sein, seine Sondervorteile einzubüßen. Der einfache Weg, zu vermeiden, dass aus der Finanzkrise eine Deflation folgt, ist die von den Anlegern heftig geforderte erneute Inflationierung durch billiges Geld. Sie birgt jetzt aber Risiken. Wenn der Kursverfall des Dollar weitergeht und dieser die Kapitalzufuhr in die USA stoppt, steigen die Zinsen. Der Weg in die Deflation wäre dann unvermeidbar. Autor/Autoren: Lucas Zeise (c) FTD (von finanztreff.de 26.11.2007 - 19:50 Uhr) |