Also erstens war ich zur Wende erst 13 Jahre alt. Trotzdem war ich politisch schon ein wenig interessiert, aber vom Elternhaus her (mein Vater war Offizier) war ich auch nicht gerade kritisch erzogen worden, zumindest nicht gegenüber dem SED-Staat. Trotzdem kamen meine Eltern auch ständig von irgendwelchen Versammlungen nach Hause, und haben die verkrusteten Parteibonzen und Bürokraten kritisiert, mit denen auch auch konkrete Veränderungen innerhalb der Arbeitsstruktur nichts verändern konnte. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Es gab auch unter den SEDlern genügend Leute, die mit vielen Dingen nicht einverstanden waren. Man muss auch sehen, das für bestimmte Berufe eine Mitgliedschaft in der SED Pflicht war.
Bei mir oder zumindest bei meinen Eltern war es einfach die Überzeugung, das der Sozialismus die bessere Gesellschaft ist. Natürlich hat man viele Dinge kritisiert, aber deswegen hat man nicht das ganze System in Frage gestellt. Das mag alles naiv gewesen sein, aber viele Dinge hat man damals halt anders wahrgenommen. Ich kann mich aber gut daran erinnern, das ich in der Schule mit 13 Jahren ja langsam in die Phase kam, wo man vom Direktorat dazu befragt wurde, was man später beruflich machen will. Meist wurde man dann in Richtung Armee oder Ähnliches gedrängt. Mein Vater hat mir sofort abgeraten, zur Stasi zu gehen, da sowas für ihn auch nicht in Frage kam. Er hatte als Stabschef eines Regiments und später im Generalstab auch ganz guten Einblick in die Machenschaften bestimmter Organe. Das hat ihn sicherlich dazu verleitet, mir den Sinn oder Unsinn der Stasi schnell begreiflich zu machen. Trotzdem war er überzeugter Sozialist, der auch aus diesem Grund nicht in die Bundeswehr übergetreten ist. Natürlich setzte aber sofort im Herbts 1989 bei unserer ganzen Familie ein Umdenken ein, als viele Dinge auf den Tisch kamen, von denen man noch nichts wusste, bzw. die einem erst erklärt werden mussten. Das war ein Selbstreinigungseffekt, dem man sich stellen musste. In dieser Phase habe ich persönlich sehr viel reflektiert, was meine Kindheit und meine Gegenwart anbetraf, und ich bilde mir deswegen auch ein, das ich mir weitaus mehr Gedanken gemacht habe als 90% der Bevölkerung, vor allem in Westdeutschland, da es für Letztere ja nicht dringend notwendig war.
Heute verbleibt von der damaligen Ideologie eigentlich nur noch die Tatsache, das man eine gerechtere Welt schaffen will, so naiv wie sich das immernoch anhört. Aber es gibt ja nun auch noch mehr als genug zu kritisieren in der heutigen Gesellschaft, sowohl in Deutschland als auch was die internationalen Beziehungen betrifft. |