17.09.2009 15:54"Die Probleme hat der Wettbewerb" Um aus einem angeschlagenen Neue-Markt-Filmrechtehändler einen Marktführer in Sachen Bordunterhaltung zu machen, braucht man nach Ansicht von Advanced-Inflight-Chef Otto Dauer vor allem gute Nerven. Otto Dauer boerse.ARD.de: Die weltweite Wirtschaftskrise hat auch die Luftfahrt schwer getroffen, dennoch sind Sie als Anbieter von Bordunterhaltung und damit als Zulieferer der Airlines gut durch die Turbulenzen gekommen - der Umsatz stieg im ersten Halbjahr um 15 Prozent, das Ebitda um 30 Prozent. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Otto Dauer: Die Finanzkrise hat in der Luftfahrtbranche im Verlauf des ersten Halbjahres mit Verzögerung, aber sehr empfindlich eingeschlagen, wie die Veröffentlichungen der IATA zu den Kapazitätsauslastungen zeigten. Der Frachtverkehr war allerdings sehr viel stärker betroffen als der Passagierverkehr, der mittlere Osten wesentlich weniger als Europa und Nordamerika.
Nahezu alle großen Airlines waren bei uns schon wegen Einsparungen vorstellig. Wir lassen bei allzu großem Druck auch mal einen Kunden ziehen, weil ein defizitäres Geschäft dem Wettbewerb nur schaden kann. Unsere Einkaufsmacht als Marktführer und unsere führende Stellung bei Computerspielen an Bord machen sich zunehmend bemerkbar, ebenso wie Synergieeffekte auf der Verkaufsseite mit Kosteneinsparungen bei Ausschreibungen, weil wir gruppenintern entscheiden, welche Tochtergesellschaft an einer Ausschreibung teilnimmt. Das kann der Wettbewerb nicht. Ferner sind wir auf allen Erdteilen sehr gleichmäßig aufgestellt. Dadurch gleichen sich regionale Schwächen aus.
boerse.ARD.de: Sie sagen, dass Sie Kunden auch ziehen lassen. Kehren einige auch zurück?
Otto Dauer: Wir haben oft reumütige Rückkehrer. Einige Kunden waren nach einem Wechsel schwer ernüchtert. Airlines bleiben in der Regel lange bei einem Anbieter. Wenn dann neue Kunden zu uns wechseln, wie zum Beispiel American Airlines, sind sie oft positiv überrascht.
boerse.ARD.de: Aus der Luftfahrtbranche kommen derzeit kleine Signale einer Stabilisierung. Große Fluggesellschaften wie Lufthansa sind wieder besser ausgelastet, Fraport hat beim Frankfurter Flughafen beim Passagieraufkommen ungefähr das Vorjahresniveau erreicht. Einige Analysten hoffen bereits, dass das Schlimmste überstanden ist. Sind Sie ähnlich optimistisch gestimmt?
Mehr zum Top-Thema Advanced Inflight unterhält ganz oben Otto Dauer: Die Deutsche Lufthansa ist in der Luftfahrtbranche hinsichtlich Management und Rentabilität schon eine Ausnahmeerscheinung. Ansonsten muss man regional unterscheiden: Für die US-Airlines stehen die Zeichen auf weitere Konsolidierung, das bedeutet Fusionen ähnlich der Übernahme von Northwest durch Delta. Der mittlere Osten, wo wir sehr gut aufgestellt sind und eine Niederlassung in Dubai unterhalten, sieht gut aus. Auf dem indischen Markt sind wir seit 2008 mit einer Tochtergesellschaft in Mumbai vertreten. Neben Indien wollen wir uns den chinesischen Markt stärker erschließen.
Wir kümmern uns nicht ausschließlich um die weltweite Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Luftfahrt, sondern setzen unsere Expansionsstrategie durch inneres Wachstum und weitere Übernahmen auch in Zukunft fort. Dass wir weltweit gut aufgestellt sind, gleicht vieles aus. Wenn man nur von einem Kunden abhängig ist, wie einige unserer Wettbewerber, ist das schwieriger.
boerse.ARD.de: Was erwarten Sie, nach dem ersten erfolgreichen Halbjahr, vom zweiten Halbjahr 2009?
Otto Dauer: Wir gehen vorsichtig ins zweite Halbjahr und erwarten einen anhaltenden Druck durch die Airlines. Wir gehen derzeit nicht davon aus, das Vorjahresergebnis zur übertreffen, schließen dies aber auch nicht aus.
boerse.ARD.de: Bei der Bahn wurden Entertainment-Angebote wie das Bahn-TV oder die Musikprogramme durch die privaten Audio/Video-Möglichkeiten der Kunden (MP3 Player, Laptop etc.) abgelöst. Fürchten Sie eine solche Entwicklung auch im Flieger?
Otto Dauer: Sie können sich sicher sein, dass die Airlines die Unterhaltungsprogramme nicht einstellen werden, weil sie ein Wettbewerbsvorteil sind. Der Wettbewerb bei den Airlines definiert sich über den Preis, das Essen und die Unterhaltung an Bord und natürlich das Alter und Aussehen der Stewardessen. Premium-Airlines kämpfen hier auf hohem Niveau um die Business- und FirstClass-Kunden, dazu gehört auch das Unterhaltungsprogramm. Auch für die Luftfahrtbranche gilt, was Uli Hoeneß in seiner Schimpfrede sagte: Die Logen, in unserem Fall die Business Lounges, finanzieren das ganze Stadion.
Wir haben einst auch die Deutsche Bahn beliefert, aber das war irgendwann kein sehr lukratives Geschäft mehr für uns. 2008 sind wir dann in Großbritannien in den Bahnmarkt eingestiegen. Großbritannien hat eine ganz andere Städte und Pendlerstruktur als Deutschland, dort ist ein täglicher Pendlerverkehr von zwei Stunden nichts ungewöhnliches, während man hier näher an der Arbeit wohnt oder mit dem Auto fährt. Das Zuggeschäft ist jedoch ein nationales Geschäft, während wir ein internationales Unternehmen sind. Insofern haben wir die Ängste nicht.
boerse.ARD.de: Sie sind in Ihrer Marktnische der Marktführer - wie leicht oder schwer fällt es Advanced Inflight, den Vorsprung zu halten?
Otto Dauer: Die Probleme hat eher der Wettbewerb, und zwar damit, bei unserem Niederlassungsnetz, unserer technischen Kompetenz und unserer finanziellen Bonität mitzuhalten.
boerse.ARD.de: Bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen kündigten Sie an, weitere Akquisitionen zu prüfen. Gibt es hier schon konkrete Pläne?
Otto Dauer: Wir beabsichtigen in näherer Zukunft in die Connectivity an Bord (Internetanbindung) zu investieren. Welches Unternehmen das sein wird, ist noch offen, da es einige Kandidaten gibt.
boerse.ARD.de: In einem Interview erklärten Sie jüngst, dass Sie Ihr Unternehmen dank der marktführenden Position, der langjährigen Unterbewertung und der großen Liquidität als geeignetes Ziel für Heuschrecken sehen. Was tun Sie, um einen möglichen Angriff der Heuschrecken abzuwehren?
Otto Dauer: Aufgrund unserer breiten Aktionärsstruktur ohne Ankerinvestor sind wir in der Tat gefährdeter als andere Unternehmen. Unsere Strategie gegen den Einstieg von unwillkommenen Investoren ist die, so schnell als möglich zu wachsen und lediglich eine strategische Liquiditätsreserve vorzuhalten, das heißt auch immer wieder zu investieren. Denn je mehr Geld man in der Kasse lässt, umso verlockender wird man. Ferner kaufe ich seit geraumer Zeit selbst Aktien der Advanced an der Börse, mit dem Ziel, eine nennenswerte Beteiligung zu erreichen.
boerse.ARD.de: Bleiben wir bei der Aktie: In den ersten sechs Monaten 2009 lag der Höchstkurs bei 2,50 Euro, aktuell liegen wir bei einem Jahreshoch bei 3,45 Euro. Wo sehen Sie den Titel als fair bewertet?
Otto Dauer: Es gibt Research von der DZ-Bank und Viscardi sowie aktuelle Empfehlungen von Börse Online, dem Platow Brief, der Aktionär, Prior Börse und dem Betafaktor. Bei soviel Analystenverstand möchte ich eigene Bewertungen nach außen nicht riskieren. Vielleicht reicht es, wenn ich Ihnen sage, dass ich an unser Unternehmen glaube.
boerse.ARD.de: Für 2008 wurde eine Dividende ausbezahlt - können sich die Aktionäre dieses Jahr auch freuen?
Otto Dauer: Aus heutiger Sicht spricht nichts gegen eine Dividendenzahlung für das Geschäftsjahr 2009, die -wie schon bei unserer erstmaligen Dividende für das Geschäftsjahr 2008 - aufgrund unseres steuerlichen Verlustvortrages für unsere Aktionäre steuerfrei erfolgen soll. Unsere Dividendenpolitik war nicht eine Augenblickseingebung, sondern ist nachhaltig angelegt.
boerse.ARD.de: Wo steht Advanced Inflight in fünf Jahren?
Otto Dauer: Wir haben noch nicht vor, uns zur Ruhe zu setzen. Wir wollen vielmehr unseren Expansionskurs fortsetzen und möglichst schnell die 200 Millionen Euro Umsatzgrenze profitabel überschreiten.
Mein Vertrag wurde dieses Jahr bis 2014 verlängert. Wir möchten unsere Leistungsträger langfristig fest an uns binden, weil wir glauben, dass der Erfolg auch in nachhaltigem Management liegt. Beim Fußball ist es ja auch so, dass die Mannschaften besonders erfolgreich sind, die lange an ihrem Trainer festhalten.
Wenn Sie zurückblicken, welchen Weg wir von 2004 bis 2009 zurückgelegt haben, können Sie sich eventuell vorstellen, was noch vor uns liegt. Wir werden aber jeden Schritt auch weiterhin hinreichend vorsichtig tun.
Das Gespräch führte Samira Lazarovic
Quelle: Börse ARD |