-------------------------------------------------- Leitartikel Wirtschaft
Domino
VON HANS-CHRISTOPH NOACK
18. August 2006 Was bedeutet die Übernahme der DBA durch die Air Berlin für die deutsche Luftfahrtbranche? Sicher ist, die lange beschworene Konsolidierung gewinnt an Schwung. Ein Wettbewerber, der vor allem im innerdeutschen Markt seit Jahren ohne wirtschaftlichen Erfolg versucht hat, die dominierende Lufthansa herauszufordern, wird von einer dreimal so großen Gesellschaft geschluckt. Für die Lufthansa, die mit ihren 99-Euro-Tickets für europäische Verbindungen den Billig-Fluggesellschaften die Stirn geboten hat, kann sich nicht zufrieden zurücklehnen. Joachim Hunold, der Vorstandsvorsitzende von Air Berlin, wird künftig versuchen, dem Platzhirsch Lufthansa Marktanteile auch auf lukrativen Verbindungen in Deutschland abzujagen. Doch einiges spricht dafür, daß dies überlegt geschehen wird, was für den Kunden bedeutet, daß die Ticketpreise nicht schnell deutlich billiger als bisher werden.
Die Möglichkeiten von Air Berlin sind bessere als die der DBA. Unter der Führung des bisherigen Eigentümers Hans Rudolf Wöhrl hat sich die Münchner Fluggesellschaft wacker geschlagen, aber ihr fehlten die wirtschaftliche Potenz und vor allem die Flexibilität in der Flotte. In Zeiten steigender Treibstoffpreise und der Notwendigkeit, die Ticketpreise je nach Auslastungsgrad zu steuern, bedarf es operativer Instrumente, über die Air Berlin im Flugbetrieb verfügt. Mit einer gemeinsamen Flotte von 87 Flugzeugen und einer starken Position auf den Flughäfen Düsseldorf, München, Berlin, Nürnberg und Frankfurt sowie einer starken Marktstellung in Spanien kann Air Berlin Flugpläne aufstellen, Strecken vernetzen und je nach Auslastung mit entsprechenden Flugzeugen den Markt bedienen, wie es der DBA in dieser Form nie möglich war. Zudem fällt Air Berlin ein Teil des innerdeutschen Luftverkehrsmarktes zu, den sie vorher nicht besaß. Der in diesem Feld höhere Anteil von Geschäftsreisenden und Firmenreiseabkommen ist eine gute Basis für einen weiteren Ausbau.
Aufgrund des Gewichts der Deutschen Lufthansa mit ihren konzerneigenen Gesellschaften Lufthansa und Lufthansa Regional sowie der Billig-Fluggesellschaft Germanwings bleibt Air Berlin in der Position des Herausforderers. Bislang war dies eine honorige Rolle, aber wie die Erfahrung aus anderen Märkten zeigt, zugleich eine schwierige. Weder British Midland als Herausforderer der dominierenden British Airways noch andere Beispiele aus Spanien oder Skandinavien sind Erfolgsgeschichten. Denn die früheren Nationalcarrier wie Lufthansa oder British Airways sind in der Lage, wirtschaftlich unbefriedigende europäische Strecken durchzuschleppen, wenn sie eine Zubringerfunktion für das internationale Netzwerk besitzen. Gewinne aus dem Langstreckengeschäft lassen Einbußen im Heimatmarkt leichter verkraften. Auch ist der Vorteil von lange bestehenden Start- und Landerechten an wichtigen Verkehrsflughäfen nicht zu gering zu schätzen.
Dennoch wird der Coup von Hunold für Bewegung in der deutschen Luftfahrtbranche sorgen. Schließlich hat die LTU, auch dort hält Wöhrl Anteile, ihren erst seit Februar existierenden Partner DBA verloren. Bei der LTU heißt es zwar, die Kooperation mit Air Berlin/DBA werde fortgesetzt, aber Hunold sendet Signale, daß dies nicht seine erste Priorität ist. Zu groß sind die Schwierigkeiten der LTU, die wegen ihrer touristisch motivierten Langstreckenangebote von Reisekonzernen außerhalb des Konsolidierungskreises der Thomas Cook AG noch gebraucht wird. Auf der Mittelstrecke, also bis vier Stunden Flugzeit, scheint sie entbehrlich, weil sich dort hinreichend Anbieter wie Air Berlin, Condor, Hapagfly und andere tummeln. Bei den europäischen Städteverbindungen ist die Vielfalt noch größer. Denn hier trifft die LTU auf internationale Wettbewerber wie Ryanair und Easyjet. Die deutschen Adressen wie Germanwings und HLX besitzen zumindest wirtschaftlich stärkere Eigentümer mit Lufthansa oder der TUI. Hinzu kommt, daß die Zukunft der Condor, der Konzernfluggesellschaft der Thomas Cook AG, noch nicht geklärt ist. Karstadt-Quelle möchte die Reiseveranstalter der Thomas Cook AG gerne erwerben, aber ohne Condor. Der andere gleichberechtigte Eigentümer von Thomas Cook - die Lufthansa - ziert sich noch, doch zählt die Beteiligung an Thomas Cook nicht zum Kerngeschäft. Sollte es hingegen doch zur Trennung von Reiseveranstaltern und Condor kommen, könnte die Lufthansa aus Condor und Germanwings eine schlagkräftige Kombination schmieden, die vor allem der LTU schadet und den Handlungsdruck bei der TUI AG erhöhte. Dort wird seit Monaten an einer Reorganisation des Ferienfliegers Hapagfly und der Billig-Fluggesellschaft HLX gearbeitet. Zum Jahresende soll das Ergebnis vorliegen, das wohl in die Richtung einer Verschmelzung führen wird. Vielleicht werden auch wieder die im Winter sondierten Pläne belebt, daß aus Condor und Hapagfly eine große Ferienfluggesellschaft entsteht, deren Eigentümerstruktur dann neu gemischt würde. Die Konsolidierungswelle im Luftverkehr setzt LTU gehörig unter Druck.
Doch wird die Übernahme von DBA auch Air Berlin verändern. Die hemdsärmelige Führung früherer Jahre muß nun einen börsennotierten Konzern lenken. Die Integration von DBA braucht Zeit und Energie, viele gewohnte Abläufe werden sich ändern. Außerdem steht nun die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit in der Tür. Bei DBA ist sie Tarifpartner, und bei Air Berlin will sie es werden. Erste Vorbereitungen sind getroffen. Der ausgewiesene Gewerkschaftsfeind Hunold wird sich auch dieser Herausforderung stellen müssen.
Text: F.A.Z., 19.08.2006, Nr. 192 / Seite 9 --------------------------------------------------
Der vorletzte Absatz scheint Deine Analyse zu bestätigen! Danke für Deine Stellungnahme.
Freundliche Grüße von der Küste. |