" Mit Verlaub, Herr Präsident: Sie sind ein A.....loch"
Schlechte Zeiten für gute Sprüche Giftnudel? Drecksack? Übelkrähe! Als solche derben Spitzen im Bundestag fielen, hatte die Politik noch Unterhaltungswert. Heute regiert im Parlament das rhetorische Mittelmaß. Ein neues Buch erinnert jetzt an eine (fast) vergessene Streitkultur.
Es soll eine Zeit gegeben haben, in der Politiker allein durch die Gewalt ihrer Redekunst den Lauf der Geschichte bestimmten. Ein Demosthenes etwa, der im vierten vorchristlichen Jahrhundert zum bedeutendsten Athener Staatsmann aufstieg. Obwohl von Hause aus schwach auf der Brust und lispelnd. Er soll mit einem Stein unter der Zunge gegen die Meeresbrandung angebrüllt haben, bis die körperlichen Nachteile wegtrainiert waren. Den nicht unbedeutenden Rest mussten dann geschliffene Argumente bewirken.
Auch Cato der Ältere ist jedem historisch Interessierten und jedem Lateinschüler bekannt. Vor allem, weil er jede seiner Senatsreden - völlig unabhängig vom eigentlichen Thema - mit den Worten: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss", beendete. Was im Jahre 146 vor Christus ja dann auch wunschgemäß eintrat.
Die Abkanzler der Republik - so schön wurde 60 Jahre im Bundestag gezofft "Sie erregen mich nicht, Sie sind überhaupt nicht mein Typ" "Seit Sie Nadelstreifen tragen, müssen Sie auch auf der anderen Seite stehen" "Sie haben ein erotisches Verhältnis zu Paragrafen" Das Parlamentarische Schimpfbuch und sein Autor So viel Wirkungsmacht war selten. Und so etwas gibt es heute nicht einmal annäherungsweise mehr, lautet eine allenthalben geäußerte Kritik. Einmal davon abgesehen, dass das Aufrufen zum Zerstören fremder Städte bei uns glücklicherweise aus der Mode gekommen ist, mangelte es an Originalität und Beharrlichkeit.
Noch einmal liefen die alten Rhetoren der BRD zu Höchstform auf, als Schmidt, Brandt, Waigel, Blüm, Geißler und Genscher durch die neuen Länder zogen und für Freiheit, Marktwirtschaft - und ihre jeweilige Partei - warben. Mit deren Rückzug in den 90ern wird allgemein der endgültige Niedergang der Debattenkultur im Bundestag angesetzt.
Kann es aber sein, dass in so kurzer Zeit die Lust am Streitgespräch und die entsprechenden Talente verkümmern?
Wohl kaum. Sehr wohl aber sind die Kommunikationswege heute andere. Im Zeitalter des Internets und zahlloser Fernsehsender findet sich kaum noch Publikum, das sich durch eine Parlamentsdebatte unterhalten fühlte. Völlig unabhängig von der Brillanz oder Bösartigkeit der Vortragenden. Wichtige Botschaften werden heutzutage in Talkshows, Zeitungen und Zeitschriften oder in Ansprache per Internet verbreitet. Aber erst nachdem sie von den zuständigen Experten in den Fraktionen und Parteizentralen auf Tauglichkeit und Massenwirksamkeit getrimmt wurden. Eines fulminanten Auftritts im Parlament bedarf es dann nicht mehr, zumal die Parlamentarischen Geschäftsführer und Fraktionsbosse natürlich längst vor der Abstimmung die nötigen Mehrheiten organisiert haben. Das ist ihr Job.
Aus all dem jetztzeitigen agitatorischen Mittelmaß ragt vielleicht noch Guido Westerwelle heraus. Ganz in catoscher Tradition vergisst der Oberliberale bei keiner Rede - egal welchen Inhalts -, am Ende auf Steuersenkungen zu pochen. Vielleicht hat er ja wie sein antikes Vorbild am Ende auch Erfolg, und die Deutschen können sich auf eine Linderung der drückenden Fiskallasten freuen. Allerdings hat selbst der ausdauernde Cato die Früchte seiner Redestrategie nicht mehr selbst ernten dürfen. Er starb mit 84, drei Jahre vor dem Untergang Karthagos. Und Westerwelle ist erst 47!
http://www.abendblatt.de/daten/2009/03/24/1096576.html
Lang, aber lesenwert. FAZIT: Sprache verändert sich ständig und sie passt sich auch immer den gegebenen Umständen an. Möge sich jeder seinen Teil dabei denken.
einer geht noch, sollte es weiterer Aufmunterung bedürfen :-)))) "Herr Präsident, darf man Giftnudel sagen?"
oder:
Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) erwidert darauf: "Ich gehe aufs Klo und erschieße mich!"
Lennartz: "Sie brauchen nicht auf die Toilette zu gehen. Es wäre besser, wenn Sie für das, was Sie hier zu verantworten haben, zurücktreten würden."
http://www.abendblatt.de/daten/2009/03/24/1096589.html
So, nun ist aber gut rekiwi ----------- "Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht." |