Fluchtgrund Reichtum
11.02.2007 Ausgabe 06/07 Erst die Kontenabfrage, jetzt die Abgeltungsteuer – für viele ein Grund, Geld ins Ausland zu schaffen. Was zu tun ist. von Stephan Haberer Als 1989 die Mauer fiel, hat Peter Sch. seine persönliche Mauer hochgezogen. Eine Mauer zwischen sich und seinen Millionen auf der einen Seite und dem Fiskus auf der anderen. Eine unüberwindbare Mauer, nicht nur für den deutschen Fiskus. Der inzwischen 64-Jährige ist weder für den deutschen noch für sonst einen in der Welt greifbar. „Ich habe seither keinen Pfennig Steuern mehr gezahlt – ganz legal“, erzählt der passionierte Hochseesegler stolz.
Der Trick des früheren Ingenieurs: Er hat Deutschland verlassen – das machen viele. Und hat sich nirgendwo anders einen neuen festen Wohnsitz zugelegt – das machen nur wenige. Denn die meisten wissen nicht, welche Folgen es hat, ein reicher Vagabund zu sein: Die Besteuerung richtet sich in den meisten Ländern nach dem Wohnsitzprinzip. Dort, wo der Lebensmittelpunkt ist, wird in aller Regel auch besteuert. Gibt es keinen, geht der Fiskus leer aus. Und das in den meisten Ländern dieser Erde. „Ich kenne einige, die das genauso machen“, sagt der „Berufsfaulenzer“ (O-Ton Peter Sch.). Freimütig erzählt der Profi-Weltenbummler: „Ich war seit Jahren selbstständig, hatte ein gut gehendes Ingenieurbüro mit mehreren Angestellten. Schuftete dafür von früh bis spät. Die meisten Aufträge kamen von der öffentlichen Hand. Da konnte ich keine schwarzen Kassen füllen.“ Immer wieder betont er, dass er nie etwas Illegales getan habe. Irgendwann dämmert dem damals 46-Jährigen, dass Arbeit nicht alles ist. „Ich hatte mir das erste Mal seit über zehn Jahren eine Woche Urlaub gegönnt. Skifahren in der Schweiz. Da hat es klick gemacht.“ Langsam reift sein Plan. „Als meine Strategie klar war, habe ich alles verkauft, was ich in Deutschland hatte – das Ingenieurbüro, mehrere große Baugrundstücke und fünf Eigentumswohnungen in bester Lage. Ich war schon damals gutsituiert“, sagt er mit leichtem Understatement. Mehrere Millionen Euro kamen umgerechnet zusammen. Peter Sch. blieb in Deutschland, bis die Schlussprüfung des Finanzamts durch war. Bezahlte brav seine Steuerschulden, erst dann reiste er seinem Geld hinterher. Das hatte er in die Schweiz transferiert. Auf ein Nummernkonto. „Das war damals noch richtig anonym“, erinnert er sich (siehe Kasten Seite 68). Doch einen neuen Erstwohnsitz hat er nie angemeldet. „Ich habe eine Wohnung in Rom, eine in London und ein Haus auf den Kanaren. Aber nirgends bleibe ich länger.“ Oft ist der Segel-Fan wochenlang auf hoher See, in internationalen Gewässern. Denn der Mann kennt die 183er-Klausel, die es so nicht nur in Deutschland gibt.
Hintergrund: Wer seinen Wohnsitz länger als ein halbes Jahr in der Bundesrepublik hat, ist hier auch unbeschränkt steuerpflichtig. Das heißt, alle Einkünfte weltweit werden grundsätzlich in Deutschland besteuert. Dass der deutsche Fiskus nicht nochmals auf Gelder zugreift, die schon im Ausland versteuert wurden, sollen zwischenstaatliche Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) verhindern. Mehr noch: Oft können Steuerpflichtige damit sogar Steuern sparen. Wer dagegen den Wohnsitz im Ausland hat, muss in Deutschland nur die Einkünfte versteuern, die er auch in Deutschland erzielt hat. „Beschränkt steuerpflichtig“, heißt das im Fachjargon. Doch Achtung: Hält man sich als beschränkt Steuerpflichtiger mehr als 183 Tage in der Bundesrepublik auf, wird man unbeschränkt steuerpflichtig. „Wer das nicht beachtet, ist grenzenlos dumm – so wie Boris Becker.“ Peter Sch. ist schlau: Seit 17 Jahren hat er keine Steuern mehr gezahlt. Doch das Modell kann längst nicht jeder nutzen. Viele sind beruflich oder privat in Deutschland so gebunden, dass Auswandern für sie nicht infrage kommt. Wohl aber für ihr Vermögen. 24,6 Prozent der Deutschen würden ihr Geld im Ausland anlegen – wenn sie denn mindestens eine Million hätten. Das ergab eine Umfrage der GfK Nürnberg im Auftrag der Raiffeisenbank Kleinwalsertal. Besonders wichtig für 86,9 Prozent der Befragten: ein starkes Bankgeheimnis. „Bemerkenswert ist, dass sich die Deutschen darin über alle sozialen Unterschiede wie etwa Alter, Einkommen oder Beruf hinweg einig sind“, sagt Roland Jauch, Leiter Business Development International der Raiffeisenbank Kleinwalsertal. Und Klaus Schimana, Leiter des Deutschland-Geschäfts bei der Tiroler Sparkasse in Juuungholz, bestätigt: „Unsere deutschen Kunden kommen wegen des besseren Schutzes ihrer Privatsphäre, sie erhoffen sich mehr Diskretion.“ Seit Anfang 2005 läuft das Deutschland-Geschäft richtig heiß. „Dafür hat die Kontenabfrage gesorgt – und der Boom hält immer noch an“, weiß Prokurist Schimana. Kein Wunder: 2006 stieg die Zahl der Abfragen um über ein Drittel. Die Kontendaten von mehr als 106000 Steuerbürgern wurden überprüft.
Die geplante Abgeltungsteuer ist dagegen bei deutschen Kunden österreichischer Banken noch kein Thema. Wolfgang Schweißgut, Bereichsleiter Vermögensanlage beim Bankhaus Jungholz: „Wir spüren hier noch keinen neuen Trend, allenfalls vereinzelte Anfragen.“ Dabei hat die Abgeltungsteuer durchaus Auswirkungen – gerade für Vermögende, wie der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Rupert Klar, Partner und Head of Practice Group Tax der Münchner Kanzlei Sibeth Partnerschaft, erläutert: „Einerseits werden Dividenden höher besteuert als im bisherigen Halbeinkünfteverfahren. Je nach individuellem Steuersatz lag die Besteuerung bisher bei maximal 21 Prozent, künftig beträgt die Abgeltungsteuer 25 Prozent – jeweils plus Soli und Kirchensteuer. Andererseits entsteht bei Zinseinkünften ein Vorteil für Steuerpflichtige mit Steuersätzen von über 25 Prozent. Wichtigste Änderung: Veräußerungsgewinne werden künftig generell der Abgeltungsteuer unterworfen.“ Der Experte erwartet daher Depotumstrukturierungen vor dem Jahr 2008. Grund: „Für Wertpapiere, die zuvor erworben werden, endet die Spekulationsfrist vor Inkrafttreten der Neuregelungen am 1.1.2009. Daher werden viele in Aktien oder Fonds umschichten.“
Problem: Auf Kursgewinne, Zins- und Dividendenerträge, die 2009 oder später anfallen, muss Abgeltungsteuer gezahlt werden. Doch hierfür haben Banken schon Lösungen parat, die selbst diese Zuflüsse auf Dauer steuerfrei stellen. Bei der Raiffeisenbank Kleinwalsertal kann man sich etwa ab einer Einlage von 150000 Euro ein persönliches Zertifikat aus sieben verschiedenen Kombinationen zweier Dachzertifikate – ZJ PlanZertifikat Basis und Spezial – zusammenstellen. Bei dieser ZJ Finanzarchitektur wird mittels zugrunde liegender Zertifikate auf alle möglichen Investmentklassen gesetzt. Roland Jauch: „Für uns ist keine Asset-Klasse per se risikoreicher als eine andere. Jeder Anleger kann das Risiko über die Gewichtung der Bausteine justieren.“ Beim Bankhaus Jungholz muss man nur 50000 Euro mitbringen und hat die Wahl zwischen drei verschiedenen Zertifikaten Globalstrategie I, II oder III, die quasi einen Zertifikatemantel um eine fondsgebundene Vermögensverwaltung mit unterschiedlich hohen Aktien- und Rentenanteilen legen. Vorteil: „Der Mantel um die Vermögensverwaltung eliminiert die Steuerpflicht“, so Schweißgut. „Wenn man rechtzeitig investiert und die Papiere lange genug hält“, fügt er an. Wird unter dem Zertifikatemantel umgeschichtet, ist das steuerlich völlig unerheblich. Übrigens: Bei der derzeit gültigen Besteuerung sind Kursgewinne bei beiden Zertifikatelösungen nach zwölf Monaten Haltefrist steuerfrei, sofern sie nicht zum Beispiel aufgrund einer Kapitalgarantie als Finanzinnovation einzustufen sind. „Wer die EU-weite Kapitalverkehrsfreiheit nutzt und sein Geld steueroptimiert im Ausland anlegt, muss auch nicht fürchten, dass er etwa wegen veralteter DBA nach Einführung der Abgeltungsteuer doppelt zur Kasse gebeten wird“, sagt Roland Jauch. Steuerberater Klar ergänzt: „Zu berücksichtigen ist aber, dass nach aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausländische Niederlassungen deutscher Banken bei deutschen Kunden zum Einbehalt der Abgeltungsteuer verpflichtet sein könnten.“ Doch auch wer die steueroptimierten Finanzprodukte nicht nutzt, kann von Kapitalanlagen in Österreich, der Schweiz oder Luxemburg profitieren: „Da die endgültige Besteuerung erst im Rahmen der Einkommensteuererklärung erfolgt, haben Steuerehrliche einen nicht unerheblichen Steuerstundungseffekt“, erläutert Sparkassen-Mann Klaus Schimana. Und wer sich entschließt, seinem Geld in die Alpenrepublik zu folgen, kann sogar vom österreichischen Erbrecht profitieren. Lässt man sich als Deutscher in Österreich nieder, unterliegt man der dortigen Kapitalbesteuerung von einheitlich 25 Prozent auf Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne. Auf Letztere wird Steuer jedoch nur fällig, wenn die Wertpapiere weniger als ein Jahr gehalten wurden. Der Clou: „Mit dieser Endbesteuerung ist auch gleich die Erbschaftsteuer abgegolten“, weiß Schimana. Und Wolfgang Schweißgut ergänzt: „Selbst wenn Sie als Deutscher in Kitzbühel wohnen und Ihre Kapitalanlagen Ihrer deutschen Freundin in München vererben, fällt darauf keine Erbschaftsteuer an.“ Achtung: Der Trick funktioniert nur bei Kapitalanlagen.
Und wen es in die Schweiz zieht? Der sollte wissen, dass nicht nur Promis wie Michael Schumacher oder Boris Becker von der lukrativen Pauschalbesteuerung profitieren können, sondern jeder EU-Bürger, der bereit ist, jährlich mindestens 40000 Euro Pauschalsteuer abzudrücken. Inzwischen muss man nicht mal mehr 55 Jahre alt sein, um davon profitieren zu können. Und wenn man unbedingt arbeiten will, dann verträgt sich auch das mit der Pauschalsteuer – wenn die Tätigkeit nicht in der Schweiz ausgeübt wird. Aber das Arbeiten wollen Leute wie Peter Sch. ja fast ebenso vermeiden wie das Steuerzahlen |