Das Kokain der Finanzmärkte Von Rita Syre, Frankfurt
Das Geschäft mit billigen Krediten läuft heiß. Immer größer wird das Risiko, das die Banker eingehen - und bald soll die Blase platzen. Das glaubt zumindest Heike Munro, Spezialistin für den Kredithandel der Deutschen Bank in London. Frankfurt am Main - "Ja, wir erleben eine neue Blase", stellt Heike Munro gleich zu Beginn ihres Vortrags in Frankfurt klar. Es geht um spekulative Übertreibungen beim Einsatz von Fremdkapital, und Munro sollte wissen, wovon sie spricht. Sie ist bei der Deutschen Bank in London Spezialistin für den Bereich Kredithandel, vor allem für den Handel mit Krediten angeschlagener Unternehmen. In den Jahren 2005 und 2006 habe es die meisten Transaktionen in diesem Geschäft gegeben, sodass es ihrer Einschätzung nach im kommenden Jahr, spätestens aber 2009 zu ersten Schwierigkeiten kommen werde. Denn dann dürften die Zinsen und Tilgungen der Kredite für viele Unternehmen zu einem Problem werden. Überlegungen, es könnte gelingen, die Luft aus der Spekulationsblase langsam abzulassen, hält sie für "wenig relevant". Denn trotz der zu beobachtenden signifikanten Kreditverschlechterung gebe es nach wie vor zu viel Geld im Markt. Konkret will Munro die Auswirkungen des Platzens der Bubble auf den Markt, aber auch auf die betroffenen Unternehmen nicht ausführen. Insbesondere Private-Equity- und Hedgefonds fahren bei ihren Übernahmetransaktionen einen hohen Fremdkapitaleinsatz. Und die sind auch in Deutschland sehr aktix. Fonds horten mehrere Billionen Dollar Fünf Gründe führt die Expertin für ihre These ins Feld. So sei die Kapitalaufnahme sehr einfach. Das deutlichste Indiz dafür seien die vielen Hedgefonds. "Sie schießen geradezu aus dem Boden", sagt sie. Mehr als 9000 Hedgefonds gibt es derzeit - und damit dreimal so viel wie noch vor sechs Jahren. Das ihnen zur Verfügung stehende Kapital hat sich in diesem Zeitraum auf 1,3 Billionen Dollar ebenfalls annähernd verdreifacht. Den Private-Equity-Unternehmen sind seit 2005 mehr als 250 Milliarden Dollar zugeflossen, davon allein den beiden führenden KKR und Blackstone zusammen 32 Milliarden Dollar. Die Branche hat in den vergangenen sechs Jahren die eingesammelten Gelder von wenigen Hundert Millionen Dollar auf etwa zwei Billionen Dollar heraufgeschraubt. Für die Kriegskasse, also für Übernahmen, sollen ihnen rund 400 Milliarden Dollar auf Abruf zur Verfügung stehen. Besorgt zeigt sich Munro auch darüber, dass immer mehr Privatanleger in dem riskanten Geschäft mitmischen und via Publikumsfonds und Zertifikaten in Hedgefonds und PE-Gesellschaften investieren. So habe sich ihre Zahl der Börsengänge in den vergangenen 14 Monaten auf 15 verdreifacht und das Volumen verzehnfacht. "Sogar Rockstars wie Bono von U2 sind eingestiegen", merkt Munro an. Dabei kann es sich die Kreditexpertin nicht verkneifen, an den Hinweis von Blackstone zu erinnern, dass der Kapitalmarkt ein Unternehmen nicht richtig bewerten könne. "Auf dem Höhepunkt des vergangenen Zyklus angelangt" Bei ihren Deals würden Private-Equity- und Hedgefonds wenig Vorsicht walten lassen - trotz sich verschlechternder Kreditkennzahlen der übernommenen Unternehmen. So sei das Verhältnis von Schulden zu Gewinnen vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern (Ebitda) der gekauften Firmen in den vergangenen fünf Jahren um 29 Prozent nach oben geschnellt. Gleichzeitig zahlten die Investoren bei Übernahmen im vergangenen Jahr im Schnitt ein Vielfaches des erwarteten Unternehmensgewinns. "Mit Multiples von 8,8 sind wir damit wieder auf dem Niveau der Jahre 1997 und 1998 angelangt, als letztmalig der Höhepunkt des Zyklus erreicht worden war", sagt Munro. Äußerungen von Top-Private-Equity-Managern, dass sich die Fonds gegen niedrigere Erträge wappnen müssten, unterstreichen für die Spezialistin der Deutschen Bank den Ernst der Lage. Schließlich kommt die Investmentbankerin auf die gängige Meinung zu sprechen, dieses Mal sei aber alles anders als bei der letzten Übertreibung. Dagegen führt sie die viel zitierte Erkenntnis an: "Leverage ist das Kokain der Finanzmärkte. Es macht im höchsten Grad abhängig, gibt einen guten Kick und jeder denkt, er hat es im Griff." http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,479735,00.html |