Der Kampf zwischen den Bullen und den Bären ist im vollen Gang und scheint für heute unentschieden verlaufen zu sein. Offensichtlich kommen so langsam die Bullen ins Zweifeln bzw. in die Versuchung auch mal Gewinne mitzunehmen.
In der Zwischenzeit eine kleine Lektüre:
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Warnsignale an Wall Street ... und dennoch ein großes "aber" von Ronald Gehrt
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser! Gar so extrem wie am deutschen Aktienmarkt, wo der Dax letzte Woche binnen drei Tagen 200 Punkte runter und ebenso weit wieder rauf lief, geht es an den amerikanischen Börsen nicht zu. Das sei unbenommen. Doch das Grundprinzip ist das selbe: Bullishe Argumente werden knapp, also werden die Sprüche aus dem Hut gezaubert, die immer ziehen, weil sie schwammig und nicht belegbar sind: Unterinvestition, Liquiditätsüberschuss, kommende Erholung der US-Konjunktur. Negative Aspekte hingegen wie der fortgesetzte Dollar-Verfall oder die faktisch hier und heute schwachen Wachstumsdaten der US-Konjunktur werden momentan einfach beiseite geschoben. Rallye durch clevere „Kunstgriffe“ Was die Quartalsbilanzen anbelangt, hat der Trick, die Erwartungen im Vorfeld rechtzeitig so weit zu reduzieren, dass sie fast nur übertroffen werden können, gezogen. Richtig ist zwar, dass nicht wenige Firmen auch wirklich gute Daten präsentieren konnten. So lagen am Freitag Honeywell und Caterpillar beide satt über den Erwartungen und legten so zu Recht deutlich zu. Aber auf der anderen Seite werden auch Bilanzen mit Jubel begrüßt, welche deutliche Gewinnrückgänge auswiesen – Hauptsache, die Erwartungen wurden übertroffen. Das birgt schlicht die Gefahr, dass die Akteure den Blick für das Gesamtbild verlieren, das tendenziell nun einmal einen markanten Rückgang der Wachstumsraten ausweist – während die Aktienkurse deutlich weiter steigen. Hinzu kommt, dass die so genannten Experten die Pfade der Logik verlassen und alles applaudiert. Erst am Freitag hörte ich Abby Joseph Cohen von Goldman Sachs darüber räsonieren, dass sich die Wachstumsschwäche in den USA regulieren werde, weil schließlich Asien und Europa so gut wachsen, dass diese die USA wieder mit nach oben ziehen würden. Die Quintessenz dieser Argumente war natürlich: Man muss weiter bullish für die US-Börsen sein. Klar. Früher ... noch vor ein paar Wochen ... galten die USA als die Welt-Konjunkturlokomotive und eine Wachstumsschwäche als Risiko für die wichtigsten Wirtschaftsräume weltweit. Da kann man mal sehen, wie schnell sich die Zeiten ändern. Die Schere zwischen Realität und Aktienkursen weitet sich Was bedeutet das nun? Klar muss sein, dass diese Schere, die sich zwischen den Aktienkursen einerseits und der Realität andererseits auftut, große Risiken birgt. Darauf müssen Sie sich einstellen. Nur macht es keinesfalls Sinn, jetzt bereits a la Baisse zu spekulieren. Natürlich sind solche Kursrallyes, denen die faktische Grundlange langsam abhanden kommt, jederzeit für einen völlig überraschenden und weit reichenden Kurssturz gut. Das haben wir Ende Februar erlebt, das haben wir all die Jahre zuvor erlebt und wir werden es wieder erleben. Und, mit Blick auf die immer weiter ansteigende Sorglosigkeit der Anleger, welche sich in immer höherer Risikobereitschaft niederschlägt, wird nicht nur jede Rallye schneller und immer noch schneller laufen, auch die Kurseinbrüche werden stärker werden. Jedoch: Darauf unmittelbar zu spekulieren und auch noch einen Gewinn daraus zu machen, wird gerade wegen der zunehmenden Geschwindigkeit immer mehr zur Glücksache. Denn es ist aktuell nicht prognostizierbar, wie weit die laufende Rallye nun reichen wird. Sehen wir uns dazu mal die Charts der drei wichtigsten US-Indizes an, des Dow Jones, des marktbreiten US-Index Standard & Poors 500 und des technologielastigen Nasdaq 100. US-Indizes: Markttechnik am Anschlag, ABER ... Im Zuge des Verfalltermins für Optionen am Freitag, der übrigens nicht weiter als Grund der Kursgewinne erwähnt wurde, weil das bedeutet hätte dass die Anleger nachdenklich hätten werden können, weil gerade solche Termine nach Rallyes meist zu weiteren Kursanstiegen führen, die danach oft zurück genommen werden, stieg der Dow Jones innerhalb seines kurzfristigen Aufwärtstrendkanals deutlich weiter. Und nahe an dessen obere Begrenzung. Diese würde bis Ende der Woche noch Luft bis ca. 13.100 generieren ... oder gut ein Prozent. Die untere Begrenzung läge Ende der Woche um 12.730. Da die Stochastik bereits „am Anschlag“ notiert, rückt der Zeitpunkt für einen Rücksetzer immer näher. Wichtig ist dabei aber das vormalige Allzeithoch von Ende Februar bei 12.785. Erst, wenn diese Linie und der momentan bei 12.560 verlaufende, aber zügig steigende 20 Tage-Durchschnitt unterboten sind, wäre mit einer nennenswerten Korrektur zu rechnen. Ein ähnliches Bild präsentiert der marktbreite S&P 500. Getrieben durch den Options-Verfalltermin hebelte sich der Index auf neue Jahreshochs. Hier fehlt die Möglichkeit, einen wirklich tauglichen Trendkanal einzuzeichnen, aber es bleibt der Blick auf die Markttechnik: Durch die vorherigen Tage der Bewegungslosigkeit in der Vorwoche baute das kurzfristige Momentum ein Niveau ab, wie es seit November 2005 nicht mehr erreicht worden war. Damals ging es danach zumindest für fünf Wochen seit- bis leicht abwärts. Auch das Niveau der Stochastik ist mit 95 (von maximal 100) kaum zu überbieten. Aber: Das muss nicht automatisch heißen, dass es nach unten geht – eine Seitwärtsbewegung würde dieses überhitzte Niveau natürlich auch abbauen. Vorsicht ist somit angebracht, bearishe Spekulationen jedoch gewagt. Der Nasdaq 100 trägt weiterhin die rote Laterne. Der Index hat nun mit 1.850 einen Widerstand erreicht, der bereits im Januar ausgebildet wurde, als z.B. der S&P 500 noch bei 1.430 stand. Die einst so volatilen Technologiewerte werden immer mehr zum Ladenhüter. Und selbst die klar übertroffenen Erwartungen des Schwergewichts Google (und die Zahlen waren wirklich gut) brachten Google selbst nur um recht mickerige 2,3% nach oben und den Nasdaq 100 um 0,7%. Die Markttechnik ist kurzfristig dennoch überkauft und die Umsätze sprangen über die gesamte jüngste Aufwärtsbewegung nicht an. Damit würde ich die Wahrscheinlichkeit, dass der Nasdaq 100 die 1.850er-Hürde nicht umgehend überwinden kann, auf mindestens 60:40 ansetzen. Nicht hoch genug indes, um bearish zu werden, zumal: Wenn der Ausbruch doch gelingt, würde hier in jedem Fall zumindest für ein paar Tage der Bulle los sein! ... Baisse-Spekulationen bleiben gewagt Fazit: Natürlich häufen sich die Warnsignale. Es fiel mir z.B. am Freitag auf, dass die Unternehmen mit den guten Quartalsbilanzen zwar deutlich stiegen, aber nicht zu den Umsatzspitzenreitern gehörten. Hier tummelten sich trotz des Anstiegs des Gesamtmarkts nicht wenige Aktien mit leichten Kursverlusten. Zudem geht der US-Aktienmarkt in Aufwärtsbewegungen der inneren Dynamik verlustig, die man in den Tagescharts nicht erkennen kann. So ging es am Freitag gleich zur Eröffnung zwar steil nach oben, das war es aber dann auch. Das Niveau der Schlusskurse war bereits 10 Minuten nach Handelbeginn erreicht worden. Dann folgten in der ersten Sitzungshälfte leichte Gewinnmitnahmen und in der zweiten leichte Käufe, sodass die drei großen Indizes letztlich fast genau dort schlossen, wo sie begonnen hatten. Aber, um es noch einmal klar zu unterstreichen: Dies, ebenso wie die nicht zu neuen Hochs passenden, sehr mittelmäßigen Umsätze sind Warnsignale, aber noch keine Verkaufssignale. Auch, dass man auf einmal keine Angst vor den bösen Mai hat, wo doch angeblich „immer“ (faktisch in 60% der Fälle, also statistisch nicht dominant) die Hausse zuende sein soll, ist sehr bezeichnend. Aber: Absichern ja, a la Baisse spekulieren eher nein Die Charts zeigen ja, dass grundsätzlich noch Potenzial nach oben da wäre. Ob das ausgelotet wird ist völlig offen. Aber solange einfach nur gute Stimmung und immenser Optimismus dominiert und in den Medien auch so transportiert wird, kann diese Schere zwischen Soll und Ist noch weiter auseinanderlaufen. Da in Zeiten zu hoher Emotionen – positiven wie negativen – eben diese binnen Stunden ins Gegenteil umschlagen können und so charttechnische Linien viel von ihrer üblichen Relevanz verlieren, würde ich Ihnen raten, sich wie folgt zu schützen: Gewinne laufen lassen, Positionen aber nicht weiter aufstocken und Stopmarken ca. ein Prozent unter den 20 Tage-Durchschnitt legen (auf Schlusskursbasis), denn diese Linie behält auch in unruhigen Zeiten eine zumindest relativ hohe Zuverlässigkeit. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag – bis morgen! Ronald Gehrt The Daily Observer |