Japaner müssen mit Hunderten Nachbeben rechnen
Experten zufolge drohen Japan noch über Monate hinweg schwere Nachbeben – ein Nachbeben kann fast die gleiche Stärke erreichen, wie das Beben selbst.
Immer wieder erschüttern Nachbeben Japans Hauptinsel Honshu. Nach Einschätzung des Seismologen Rainer Kind vom Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam kann das Land noch über Monate von schweren Nachbeben erschüttert werden.
Satellitenbilder zeigen erschreckende Zerstörungen
Es habe bisher viele ungewöhnlich starke Erdstöße nach dem Erdbeben gegeben, sagte Kind. Mit Stärke 6,0 seien sie teilweise so stark gewesen wie das bisher am stärksten gemessene Erdbeben in Deutschland. Auch Beben in der Stärke 7,0 könnten in den kommenden Tagen und Wochen noch folgen und die Rettungs- und Aufbauarbeiten beeinträchtigen.
Vor der japanischen Küste stoßen zwei Kontinentalplatten aufeinander – die Eurasische und die Pazifische Platte. Dabei bauen sich zwangsläufig tektonische Spannungen auf, die sich immer wieder durch Erdbeben entladen. Japan liegt außerdem auf dem sogenannten pazifischen Feuerring, einem Gürtel von 450 aktiven Vulkanen, der sich von Neuseeland über Indonesien, Alaska, Kalifornien bis hinunter nach Feuerland erstreckt.
Wie stark war das Erdbeben vor der japanischen Küste?
Das Beben hatte eine Magnitude von 8,9. Das Epizentrum lag rund 130 Kilometer von der Küstenstadt Sendai entfernt in einer Tiefe von etwa 20 Kilometern. Starke Beben mit einer Magnitude größer als acht treten statistisch gesehen weltweit nur einmal pro Jahr auf. Die Magnitude ist ein Maß dafür, wie viel Energie bei einem Beben freigesetzt wird. Die Skala ist logarithmisch. Ein Beben der Magnitude neun ist rund tausend Mal stärker als ein Beben der Magnitude sieben.
Wurde das Beben auch von Messstationen in Deutschland registriert?
Ja. Erdbeben sind weltweit messbar, wenn sie mindestens eine Magnitude von etwa 6,5 aufweisen.
Wie entsteht ein Tsunami?
Beim Beben in Japan wurde der Meeresboden auf einer Fläche von 500 mal 100 Kilometer angehoben. Dieses ruckartige Anheben der Wassersäule führt zu einer vertikalen Schwingung, die sich mit großer Geschwindigkeit über das Meer ausbreitet. Das ist der Tsunami (Riesenwelle).
Warum entsteht nicht nach jedem Seebeben ein Tsunami?
Nicht bei jedem Seebeben kommt es zu einem schlagartigen Anheben oder Absenken des Meeresbodens. Dies ist jedoch Voraussetzung für das Entstehen eines Tsunami. Doch selbst in diesen Fällen hängt es noch von einer Reihe weiterer Faktoren ab, ob tatsächlich ein gefährlicher Tsunami Küsten erreichen kann. Die Tiefe des Meeres an der Stelle des Bebens ist ein wichtiger Faktor, aber auch die Beschaffenheit der Küste, auf die eine Welle zuläuft.
Wie schnell kann sich ein Tsunami ausbreiten?
Je tiefer das Meer am Entstehungsort der Welle ist, umso schneller breitet sich der Tsunami aus. In tiefen Ozeanen können Tsunamis bis zu 900 Kilometer pro Stunde zurücklegen. Vor den Küsten werden sie allerdings stark abgebremst. Zum Vergleich: Normale Oberflächenwellen auf dem Meer sind maximal 100 Kilometer pro Stunde schnell.
Sind Schiffe auf dem Pazifik durch den Tsunami bedroht?
Nein. Auf dem offenen Meer äußert sich der Tsunami lediglich durch ein leichtes Anheben des Meeresspiegels. Schiffe machen diese Bewegung problemlos mit. Der Tsunami wird dabei oft nicht einmal bemerkt.
Wovon hängt es ab, wie hoch ein Tsunami beim Auftreffen auf die Küste wird?
Zum einen natürlich von der Energie, die durch das Beben in die schwingende Wassersäule übertragen wird. Je größer die betroffene Fläche im Meeresboden ist, je ruckartiger die Bewegung erfolgt und je tiefer das Meer ist, umso mehr Energie kann übertragen werden. Bei der Ausbreitung über den Ozean wird ein Tsunami nur relativ schwach gedämpft und kann deshalb Tausende von Kilometern zurücklegen, bevor er seine Kraft verloren hat. Die Höhe der Welle an einer bestimmten Küste, auf die der Tsunami trifft, hängt indes ganz entscheidend davon ab, wie das Tiefenprofil und die Geografie dieser Küste aussieht.
Lassen sich Tsunamis in irgendeiner Form vorhersagen?
Im Gegensatz zu Erdbeben lassen sich Tsunamis vorhersagen, denn die Voraussetzung für einen Tsunami ist ja ein zuvor stattgefundenes Seebeben. Dieses kann von seismischen Messstationen sofort registriert, lokalisiert und in seiner Stärke erkannt werden. Die Frage ist nur: Wird das konkrete Seebeben tatsächlich zu einem Tsunami führen oder nicht? Um diese Frage zu beantworten, braucht man Messsysteme, die den Meeresspiegel in den gefährdeten Regionen registrieren – also zum Beispiel Bojen, die Veränderungen des Meeresspiegels via Satellit an ein Kontrollzentrum senden.
Wurden die Menschen in Japan vor diesem Tsunami gewarnt?
Ja. Für Warnungen vor Flutwellen im Pazifischen Ozean ist seit 1968 das Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) nahe Honolulu auf der Hawaii-Insel Oahu zuständig. Dem Frühwarnsystem sind inzwischen 26 Insel- und Küstenstaaten angeschlossen. Die Warnungen werden per E-Mail, Internet und SMS an Behörden und Privatpersonen verschickt. Im konkreten Fall betrug die Vorwarnzeit aufgrund der Nähe des Epizentrums jedoch weniger als 15 Minuten.
Muss jetzt in Japan mit Nachbeben gerechnet werden?
Ja, unbedingt. Auf große Erdbeben wie dieses folgen nach aller Erfahrung in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zahlreiche, wenngleich nicht mehr ganz so schwere Beben. Dann sollten jedoch die noch herrschenden Spannungen zwischen den Kontinentalplatten so weit abgebaut worden sein, dass zumindest an dieser Stelle in den nächsten 150 bis 200 Jahren kein extrem starkes Beben mehr stattfinden dürfte.
Können Satellitenbilder bei der Bewältigung der Katastrophe helfen?
Ja. Radarbilder von Satelliten können dreidimensionale Geländebilder liefern und entsprechende Veränderungen durch das Beben sichtbar machen. Schäden an Straßen und Schienenwegen lassen sich so erkennen.
„Ein Nachbeben kann annähernd die gleiche Stärke haben, wie das Beben selbst“, ergänzt der Geophysiker Thomas Walter vom GFZ. Mehr als 250 solcher Erschütterungen haben die Forscher bereits registriert.
Mit wie vielen Beben müssen die Japaner noch rechnen? Anzeige
Die GFZ-Wissenschaftler des Potsdamer Instituts gehen von einigen tausend Beben aus. „Viele hundert davon werden spürbar sein“, schätzt Geophysiker Walter. Bei Erdbeben von einer Stärke wie das in Japan sind Nachbeben nicht nur in den Folgemonaten normal, sondern auch noch in einem Zeitraum von einem bis zwei Jahren. Dies belegten Erfahrungen vergangener Jahre. „So messen wir heute noch Beben in Chile, wo es im vergangenen Jahr ein Erdbeben der Stärke 8,8 gab“, schildert der Geophysiker.
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