Gesamtwirtschaftliches Umfeld
Der Erreger lebt weiter titelte der SPIEGEL seine dieswöchige Titelgeschichte über den Zustand des Finanzsystems ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers.
Laut SPIEGEL wurde die Krise bisher nur verlangsamt, nicht gestoppt: Der Krankheitserreger steckt weiter im System. Die staatlichen Hilfsgelder wirken wie Antibiotika. Sie unterdrücken die zerstörerische Wirkung des Erregers. Aber sie heilen nicht.
Wie sollen auch genau diejenigen Maßnahmen, die uns in die Krise hereingeführt haben, uns ausgerechnet wieder aus der Krise herausführen. Wer die Wirtschaft und die Verbraucher erst mit billigem Geld überhäuft und in die Verschuldungs-Falle lockt, kann nicht mit noch mehr, noch billigerem Geld und einer noch höheren Verschuldung erwarten, die grundlegenden Probleme in den Griff zu bekommen.
Mir erscheint vor diesem Hintergrund der Vergleich mit einem Drogensüchtigen passender. Man hat den Bürger mit Lebensstandard auf Pump abhängig gemacht. Dazu braucht man den Stoff, den man als billiges Geld dem Süchtigen über den Verteilungs-Apparat der Finanz-Industrie zukommen lässt. Die Situation des Drogensüchtigen wird jedoch von Tag zu Tag schlimmer. Anstatt ihn auf Entzug zu setzen, wird die Dosis weiter verstärkt. Bis der Süchtige verreckt. Die Drogen-Bosse sitzen in den Hochhäusern der Wall Street. Sie waschen ihre Hände in Unschuld und leben in Saus und Braus. Die Regierung könnte ihnen gefährlich werden, da sie sich um die Gesundheit ihrer Bürger Sorgen macht. Aber die Drogen-Bosse haben mit ihrem Geld den Regierungs-Apparat unterwandert und machen trotz steigender Drogen-Toter so weiter wie bisher. Schert ein Mitglied dieses Kartells aus, dann wird es liquidiert. So nimmt die Konzentration an der Spitze immer weiter zu.
Der Ökonom und Nobel-Preisträger Joseph Stiglitz warnte vor kurzem, dass die Banken-Probleme jetzt sogar noch größer seien als kurz vor der Pleite von Lehman Brothers. Die sogenannten too-big-to-fail Banken wurden nicht geschrumpft, sondern sind in den letzten 12 Monaten noch viel größer geworden. Nach Stiglitz haben die U.S.A. versagt, die dem Bankensystem zugrunde liegenden Probleme zu lösen. Die Tendenz zur Bildung eines allmächtigen Banken-Oligopols schreitet also weiter voran.
Der SPIEGEL beschreibt die Situation der Banken wie folgt: Nach IWF-Berechnungen haben die Banken erst rund ein Drittel der wertlos gewordenen Werte aus den Bilanzen entfernt. Das Kursfeuerwerk an den Börsen beruht damit zum Teil auf Phantasiewerten. Die Regierung unterstützt die Bilanz-Retusche. Die Finanzaufseher verzichten derzeit darauf, die gültigen Bilanzierungs-Regeln zu vollziehen. Vor allem die Auflage, möglichst alle Wertpapiere in der Bilanz mit aktuellen Marktpreisen zu bewerten, wurde stillschweigend suspendiert. Denn die Preissenkungen durch die Krise führten in den ersten Monaten nach der Lehman-Pleite zu immer weiteren Wertberichtigungen in den Bilanzen, die ihrerseits weitere Verkäufe von Wertpapieren nach sich zogen. Diese Todesspirale gefährdet immer mehr Banken. Erst als die Bilanzregeln de facto ausgesetzt wurden, entstand eine Art Stabilität; wenn auch eine trügerische.
Zombie-Banken nennt man solche Kredit-Institute, die eigentlich schon pleite wären, weil die Summe der zu Marktpreisen bewerteten Vermögensgegenstände kleiner wäre als deren Verbindlichkeiten. Die Kunden als Gläubiger der Zombie-Banken werden in dem falschen Glauben gelassen, dass ihre Einlagen sicher seien. In Wirklichkeit ist ein Großteil ihrer Einlagen mit dem Wert der Vermögensgegenstände der Bank mitgeschrumpft. Man hat es den Kunden bloß noch nicht mitgeteilt.
Wollen Kunden dennoch ihre Guthaben abziehen, dann werden auftretende Liquiditäts-Lücken der Zombie-Banken mit druckfrischem Geld der Zentralbank zugespachtelt. Und für die ganz schlimmen Vermögensgegenstände bietet die Notenbank auch eine Lösung an: Diese werden nahe ihres Nennwertes angekauft (die EZB macht dies z.B. für verbriefte spanische Hypotheken) oder Notenbank und Zombie-Banken tauschen ihre Vermögensgegenstände untereinander (SOMA-Programm der FED): Die Bank gibt ihre wertlosen Anlagen im Tausch für Staatsanleihen der Notenbank. Mit Staatsanleihen in der Bilanz sieht die Welt für die Banken dann wieder rosig aus. Bis irgendwann einmal in der Zukunft die Anlagen wieder fällig werden: Spätestens dann wird sich herausstellen, wie groß der Unterschied zwischen Nennwert und Marktwert wirklich ist.
Aber es geht ja nur um die Rettung jetzt und heute. Wer denkt in der derzeitigen Krise schon Jahre in die Zukunft.
Warum will man nicht die Lehren aus dieser Entwicklung ziehen: Weil die U.S.A. und Großbritannien nicht von ihrer aufgeblähten Finanzindustrie ablassen wollen. Im Jahr 2008 war der US-Finanzsektor für rund 40 Prozent der amerikanischen Unternehmensgewinne verantwortlich. Der Finanzsektor in Großbritannien beschäftigt 6,5 Millionen und erwirtschaftet mehr als 10 Prozent des Bruttoinlands-Produktes. Von dem Einkommen der Banker an der Wall Street und Londoner City lebt ein Großteil der Service Industrie. Seien es nun Restaurants, Fluggesellschaften oder auch die Premium Auto-Hersteller. Diese beiden Länder haben praktisch keine Alternative mehr, als so weiter zu machen wie bisher.
Ein weiterer fieser Erreger scheint sich mit dem Handels-Streit zwischen China und den Vereinigten Staaten auszubreiten: China verärgert die U.S.A., weil es seine Bürger zum Kauf von Gold und Silber aufruft. Und gleichzeitig die Aktionen des Gold-Kartells behindert. Dafür wurden Sonderzölle auf chinesische Reifen erhoben. Nun beschwert sich wiederum China, dass die Vereinigten Staaten beim Export von Autos und Hähnchen-Produkten unfaire Handelmaßnahmen einsetzen.
Maßnahme und Gegenmaßnahme sind das perfekte Milieu, in dem sich dieser Erreger explosionsartig vermehrt. Dabei sollten die Politiker eigentlich wissen, dass Protektionismus zu Zeiten einer scharfen Rezession die Weltwirtschaft endgültig in die Depression abgleiten lassen wird. Die Erfahrung der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts sollten nicht vergessen sein.
Der nächste Krisen-Schub is already baked into the cake.
Aktuelle Entwicklung an den Gold-Märkten
Gestern war ein Tag der Symbolik: Der Londoner P.M. Fix kam mit $999,25 zustande, die COMEX schloss mit $999,40 und die letzte Notierung im New Yorker Access Handel betrug $999,60.
Im frühen asiatischen Handel stieg Gold heute Vormittag wieder auf über $1.000 an, konnte diese Marke aber erneut nicht halten. Im frühen Londoner Handel hielt sich Gold wenige Dollar unterhalb der Marke von $1.000. Der A.M. Fix kam mit $997,50 (EUR 683,59) auf diesem Niveau zustande. Im Vergleich zum Montag konnte Gold auf 24-Stundenbasis $3 zulegen.
Mit Beginn des Handels an der COMEX versucht Gold erneut, die Marke von $1.000 zu überschreiten. Dieser Versuch scheiterte jedoch und Gold wurde in der Folge bis auf $992 gedrückt. Diese plumpe Aktion des Gold-Kartells scheiterte jedoch. Der sich nahende P.M. Fix ließ Gold dann aber wieder leicht sinken. Zum P.M. Fix stand Gold dann bei $996,00 (EUR 682,89): Drei Dollar niedriger als zum gestrigen P.M. Fix.
Der Producer Price Index (PPI) stieg wegen der Energie-Kosten überraschend stark um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat (m/m) an. Erwartet hatten die Analysten lediglich einen Anstieg von 0,8 Prozent. Rechnet man diesen Anstieg auf das Jahr um, dann beträgt der Anstieg mehr als 20 Prozent. Daraus kann man zwar noch nicht auf eine sich beschleunigende Teuerung von Waren und Dienstleistungen schließen. Aber dieser Anstieg der Preise für Vor-Produkte (wholesale) wird sich wohl in den Preisen für die Endkunden (retail) niederschlagen. Insbesondere bei Energie, wo der Anteil der Preise der Vor-Produkte an dem Endkunden-Preis sehr hoch ist.
Das war dann wohl ein Grund, warum sich Gold nach Schluss des Handels in London wieder oberhalb der Marke von $1.000 befestigen konnte. Die COMEX beschloss den heutigen Handel mit $1.004,40 signifikant oberhalb der Marke von $1.000. Im Access Handel konnte Gold dann bis auf $1.010 ansteigen. An dieser Stelle war dann aber Schluss.
Der US-Dollar blieb heute zwar stabil bei 76,6. Dafür stiegen aber die Renditen der 10-jährigen Treasuries auf 3,5 Prozent an. Der Quotient aus beiden Werten ist heute auf 21,9 (Montag: 22,6) gesunken.
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