Ein Prozess mit einer Jury (Geschworenen) ist deshalb vorteilhaft, weil die Richter bekanntlich ungern ihrem Arbeitgeber (der Regierung) in den Rücken fallen. In allen bisherigen Fällen (bis auf Lamberth) war - soweit mir bekannt ist - die Regierung die Beklagte.
Allerdings sind die Geworenen aus 1000 Kandidaten von Lamberth handverlesen ausgewählt worden, wobei die Kriterien unbekannt sind. Zudem besteht die Gefahr, dass die Jury im Zuge des Prozesses von der Verteidigung und anderen interessierten Kreisen manipuliert wird.
Die Jury besteht auch acht Frauen und einem Mann (ein zweiter Mann schied aus, offenbar wegen Covid). Alle sind Mitte 30 und alle sind finanzielle Laien. Das ist ein Problem, weil man - um den FnF-Betrug zu verstehen - einiges an Finanzwissen braucht.
Man muss z. B. wissen, was Risikorückstellungen sind. Es handelt sich dabei um Bilanzposten, in denen z B. künftig erwartete, aber ungewisse Verluste verbucht werden (bei Fannie erwartete Verluste aus faulen Krediten).
Wenn eine Finanzinstutition (z. B. eine Bank) Risikorückstellungen vornimmt, führt das im betreffenden Jahr zu hohen ausgewiesenen Verlusten - auch wenn unklar ist, ob diese Verluste später tatsächlich eintreten werden. Das war bei FnF von 2008 bis 2012 - den Verlustjahren - der Fall. Risikorückstellungen stehen als Fremdkapital in der Bilanz. Sie schmälern das Eigenkapital - und zwangen FnF, die (vergifteten) Regierungs-"Hilfen" (SPS) in Anspruch zu nehmen.
Wenn die befürchteten Verluste später jedoch NICHT eintreten, werden die Risikorückstellungen wieder aufgelöst, was dann zu entsprechend hohen Gewinnen führt. Das war bei FnF ab 2012/3 der Fall.
Und diese Gewinne hat die Regierung, als sie davon Wind bekam, mit Hilfe des NWS in die eigenen Taschen umgeleitet. Ziel war erstens, das Geld abzukassieren und anderweitig auszugeben (z. B. für Obamacare), und zweitens, dass FnF nie wieder aus dem Schlamassel herauskommen ("ewige Gefangenschaft" in der Zwangsverwaltung).
In den Jahren von 2008 bis 2013 war Ed DeMarco "acting" FHFA-Direktor. Er hat bei der Zeugenvernehmung letzte Woche nochmals bestätigt, dass er Fannie und Freddie "abwickeln" wollte, weil angeblich das "Geschäftsmodell untauglich" sei. In jedem Fall wollte er - zugunsten der Großbanken - den "Fußabdruck" der GSEs deutlich verkleinern (ähnlich wie später Calabria). Deshalb dürfte er auch nur zu gern bereit gewesen sein, von 2009 bis 2012 die fragwürdigen Risikorückstellungen vorzunehmen, die auf Druck von oben hin erfolgten (damit die Regierung die SPS erhält). Die Regierung und DeMarco hatten die gleichen Interessen - nämlich die GSEs zu schwächen und dauerhaft an die Kette zu legen.
Eine weitere wohlkalkulierte Tücke des HERA-Gesetzes besteht darin, dass Fannie und Freddie die Staatshilfen, die sie wegen der angeblich "befürchteten Verluste" (und damit einhergehenden Risikorückstellungen) von 2008 bis 2012 in Anspruch nehmen mussten, nicht - wie alle anderen Wall Street Banken (via TARP) - als rückzahlbaren Kredit (loan) mit moderaten Zinsen (bei TARP 5 %) erhielten, sondern eben in Gestalt der SPS-Hilfen. Die Regierung gab Geld und erhielt dafür Aktien.
SPS sind somit Aktien (equity). Die Regierung erhielt mit den SPS eine allen anderen Aktien vorrangige (und diese entwertende) Beteiligung an den Firmen, die obendrein auch noch mit einer üppigen Dividende von 10 % ausgestattet war.
(Kritiker haben große Zweifel, dass es überhaupt dem Wesen einer Zwangsverwaltung entspricht, wenn die Regierung hohe Dividenden kassiert, denn es soll ja - mit der gebotenen Sorgfalt - die (vermeintlich angeschlagene) Finanzkraft der Firmen wiederhergestellt werden. Dazu darf man (bzw. die Regierung) nicht 10 % pro Jahr rausziehen, und schon gar nicht ALLES, wie es ab 2012 über den Net Worth Sweep (NWS) geschah. DeMarco hat jedoch vor der Jury ungerührt weiterhin behauptete, der NWS sei "im Interesse von FnF" gewesen...)
Weil die SPS Aktien sind, sind die Dividendenzahlungen an die Regierung erstens keine Zinsen und zweitens auch kein Abtrag auf eine Schuld (loan). Die Hilfe via SPS war daher vergiftet. Der Gipfel an Frechheit bestand dann, den NWS als "Dividendenerhöhung" zu verkaufen.
KURZ: Die Regierung erzwang mit den unnötigen Risikorückstellungen, die sie via FHFA von oben durchdrückte, ihre vorrangige "unternehmerische" Beteiligung an FnF. Und als die Rückstellungen ab 2012 aufgelöst wurden und die riesigen Gewinne anfielen, wurde diese per NWS abgegriffen, so dass die SPS zu einer "Betonschwimmweste" für FnF wurden. Es war mit den erdrückenden SPS fast unmöglich, jemals aus der Zwangsverwaltung wieder rauszukommen, und genau das war auch Ed Demarcos Ziel.
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Ich selber habe einige Monate benötigt, um diese schwierigen Zusammenhänge zu verstehen. Ob die neun Geschworenen (offenbar Finanzlaien) in nur zwei Wochen genug Durchblick erhalten, um diese gigantische Falschspielerei zu durchschauen, bleibt die große, alles entscheidende Frage im Lamberth-Prozess. Mit Pech werden sie überrumpelt und für dumm verkauft.
Positiv" ist, dass DeMarco sich im Zeugenstand in Widersprüche verwickelte und dass der Anwalt der Kläger ihn mit geschickten Fragen bloßstellte. Das sollte auf der Jury aufgefallen sein.
Nachtrag 25.Okt.: Inzwischen hat auch noch der sehr beschlagene Finanzexperte, der in Havard und am MIT Bilanzierung lehrt, überzeugend nachgewiesen, dass der NWS in keinster Weise berechtigt war (# 069). Auch das dürfte an der Jury hängengebieben sein.
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