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Culture Club
Seite 35 von 2452
neuester Beitrag: 14.12.24 14:05
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eröffnet am: | 22.09.12 21:13 von: | Fillorkill | Anzahl Beiträge: | 61287 |
neuester Beitrag: | 14.12.24 14:05 von: | Fillorkill | Leser gesamt: | 6595538 |
davon Heute: | 3377 | |||
bewertet mit 76 Sternen |
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gut analysiert
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informativ
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..und wenn man sie mit anderen Dingen verbindet kann daraus zugleich etwas völlig neues entstehen.
siehe "it smells like..." im nächsten Clip
Schöne Postmoderne
...die ihren Höhepunkt m.E. noch längst nicht überschritten hat. Ende der 70er ging es zwar los, aber heute scheint sie eigentlich aktueller denn je. Vielleicht ist sie sogar im letzten Jahrzehnt überhaupt erst richtig im allgemeinen Zeitgeist angekommen.
Ob das Bewußtsein dafür vorhanden ist spielt interessanter Weise noch nicht mal eine Rolle, der Zeitgeist "ist" einfach durch und durch postmodern.
Die Postmoderne scheint z.B. im Hipster und seiner französische Variante des BoBos (bourgeoise bohemien), die sich von den 2000ern bis heute als eine Art subkultureller mainstream neben dem mainstream gehalten haben, geradezu zu kulminieren
Es scheinen damals wie heute jedoch auch viele Missverständnisse im Zusammenhang mit diesem Begriff umzulaufen - am meisten vielleicht gerade dort, wo sie kritisiert wird.
Du hast mich, als Du sie damals ins Feld geführt hast, wirklich auf eine interessante und horizonterweiternde Sache gestossen.
Eine Sache, über die witziger Weise gerade in der heutigen Zeit, wo sie so aktuell ist, kaum jemand spricht - Ein Begriff, der aus dem kulturellen Diskurs fast verschwunden zu sein scheint.
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Freiheit wird maximal erlebbar, wenn aus Hindernissen Chancen zum Abheben werden. Das ist, kurz gefasst, die Idee des Skateboardens. Die Geschichte des Sports beginnt mit dem harmlosen Surfen auf Gehwegen und wird erst in jenem Moment zu einem epochalen Ereignis der Jugendkultur, als ein paar kalifornische Jugendliche, die ihr bisheriges Leben am Rand des amerikanischen Traums, dem Ende der Route 66, gelebt haben, das Skateboard für sich entdecken.
Die Jungs, die Mitte der 70er-Jahre vor einem Surfladen im heruntergekommenen Teil Santa Monicas verbracht hatten, übertrugen die Eleganz und den Wagemut des Surfens auf das Skateboarden. Sie nannten sich Z-Boys und skateten, um die gebaute urbane Realität der Stadt gegen die Gebrauchsanweisung der Architekten und Städteplaner zu benutzen.
Die Kinder aus dem Schmuddelvorort von L. A., Dogtown getauft, entdeckten in heruntergekommenen Höfen, auf abgelegenen Fußwegen und wenig später in stillgelegten, leeren Swimmingpools ideale Orte, um sich ihre Umwelt anzueignen – und in der Aneignung die städtische Hardware neu zu interpretieren.
Skater sind zur Präzision verpflichtet
Aus der Tristesse von Bausünden und verlassenen Gebäuden wurden Orte maximaler Akrobatik und Poesie. Anders als die Flucht in Drogen war dieser Eskapismus eine Flucht in die Realität. Die Skateboarder rangen der Wirklichkeit neue Möglichkeiten ab. Ihre Wahrnehmung der Umgebung ist zu Präzision verpflichtet und nutzt den Abgleich mit der Wirklichkeit zu kreativen Übersprungshandlungen.
Der Skateboarder als Libertär lebt sein Freiheitsbedürfnis rücksichtslos aus – gegen sich, nicht aber gegen andere. Er hat bei aller Selbstversunkenheit ein soziales Gewissen und vermeidet die Gefährdung von Außenstehenden. Der Blick des Skateboarders auf den öffentlichen Raum beseelt die banale Realität mit seinen Nutzungsfantasien, die allesamt erfahren werden sollen. Für den Skater wie für den Liberalen gilt das Realitätsprinzip, die Ideale bilden nicht die Startrampe der eigenen Weltanschauung.
Die Annahme dessen, was ist, wird umso gewinnbringender, je exakter sie ausfällt. Einen neuen Liberalismus bezeichnete der Ausnahme-Feingeist und zeitweilige FDP-Politiker Ralf Dahrendorf 1975, als die Z-Boys in Dogtown gerade richtig loslegten, als die einzige erkennbare Hoffnung, "die Realität nach dem Potenzial zu schneidern und nicht umgekehrt das Potenzial nach der Realität zu beschneiden".
Meditation der Freiheitsbeherrschung
Skateboarder schneidern die Wirklichkeit nach dem Potenzial denkbar individuell. Skateboarden ist das Gegenteil eines Mannschaftssports. Skateboarden ist eine Meditation der Selbstbeherrschung und in ganz nachvollziehbarem Sinne eine Meditation der Freiheitsbeherrschung. Dazu gehört schon das Grundprinzip der Unverbundenheit zwischen dem Skater und seinem Gefährt. Hebt der Skater ab, fliegt das Board neben ihm: Sie sind in der Flugbahn durch maximale Freiheit verbunden.
Damit stellt der Skateboarder nicht nur die eigenen Fähigkeiten auf ständig neue, gewagtere Proben, sondern eben auch am Ende die Gesetze der Physik. Der humanistische Kern dieser wie vieler anderer Sportarten ist die Erforschung dessen, wozu ein Mensch in der Lage ist.
Und während der Skateboarder seine Befähigung zur physischen Welt-Beherrschung optimiert, reizt er den Sprung ins Ungewisse aus. Ihm fehlen – wie dem Liberalen – die verzagenden Ängste vor dem Restrisiko. Er fürchtet auch nicht die Zerstörung der Konvention, wie der öffentliche Raum zu nutzen sei. Gefragt nach der Essenz des Lebens, antwortet der Profi-Skater Neil Blender: "It's all a trial." Es ist alles ein Versuch. Dazu gehören auch Härte, Disziplin und Schmerzunempfindlichkeit.
Viele Skater sind Unternehmer geworden
"Youth against establishment" heißt ein Slogan, der nicht nur das Selbstverständnis der Skatekultur artikuliert, sondern auch zum Motto einer bekannten Skate-Mode-Firma wurde. Diese kommerzielle Nutzung der eigenen Ethik der Unangepasstheit kann auch programmatisch verstanden werden.
Die Skater haben in der Regel kein Problem, gesponsert und vermarktet zu werden, wenn es der eigenen Unabhängigkeit keinen Abbruch tut. Viele Skater, auch der Ursprungs-Crew der Z-Boys, sind erfolgreiche Unternehmer geworden. Auch das ist kein Zufall. Der liberale Ökonom Joseph Schumpeter singt Anfang des 20. Jahrhunderts in der "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" das Hohe Lied auf die Kraft der "schöpferischen Zerstörung" und identifiziert den Unternehmer als jemanden, der die Wirklichkeit anders wahrnimmt als seine Mitwelt.
Der Unternehmer erkennt in Mängeln Chancen und Marktlücken. Er interpretiert die Wirklichkeit für sich neu und schafft so Innovation, die für unternehmerischen Erfolg und Wachstum unerlässlich ist. Die Unternehmer, die Schumpeter im Blick hat, sind Pioniere, die bisher unbekannte Ecken des Marktes surfen und erobern. Sie hijacken den Teil des Marktes, den sie bisher lieb- und ideenlos dahindümpeln sehen.
Das Gewohnte ist der Feind
Sie tun dies besonders gern gegen Widerstände. Schumpeter verbindet einen liberalen Individualismus mit einer ökonomischen Theorie, die ganz Kind ihrer Zeit ist. Nur das Neue ist relevant – das ist der Geist der Avantgarden.
Entwicklung kann nur mit dem Ausbruch aus gewohnten Bahnen und durch spontane und diskontinuierliche Änderungen stattfinden. Das Gewohnte wie das Gewöhnliche sind der Feind. Für den Skateboarder zählen nur die neuen Kunststücke – und die sind in der Regel mit der je individuellen Ausführung verbunden. Die Innovation wird individualisiert.
Die Bewegungsfreiheit gehört zum vielleicht ursprünglichsten Drang des Homo sapiens, der als Nomade seine Existenz begann. Die Garantie der Bewegungsfreiheit wurde für den modernen Rechtsstaat wie für den politisch organisierten Liberalismus zu einem Prüfstein der freiheitlichen Verfasstheit eines Landes oder eines Staatenbundes. Der Skater ist eine rollende Freiheitsstatue und ein Mahnmal für die Forderung nach maximaler Bewegungsfreiheit.
Subkultur abseits der "Tyrannei der Mehrheit"
Die trivialsten Illustrationen von Unfreiheit sind mit angeketteten Menschen und damit mit einem radikal minimierten Bewegungsdrang verbunden. Der Skater lebt in seiner Form der Fortbewegung sein Unabhängigkeitsstreben aus. In Larry Clarks Film "Kids" wird das Unabhängigkeitsstreben der Skater als Spielfilm monumentalisiert; er verdeutlicht, wie sehr diese Subkultur ihre Werte, Haltung und ihren Stil abseits der "Tyrannei der Mehrheit" vollzieht.
Dies gilt zumal für ihr Auftreten in Diktaturen, wie die Dokumentation "This ain't California" über Skater in der DDR belegt. Beim Skaten im Kerker der DDR-Diktatur wurde die eingeschränkte Bewegungsfreiheit maximal intensiviert. In Afghanistan, Pakistan und Kambodscha versuchen begeisterte Skater, mit ihrer NGO "Skateistan" die Idee der Freiheit und einer freien Gesellschaft bei den jungen Menschen zu popularisieren und zu verankern.
Dieser Aktivismus ist die Ausnahme, für den Skater wie den Liberalen. Das Problem des Liberalismus ist seine Neigung zum Elitären, Eigenbrötlerischen. Hinzu kommt nicht erst seit Isaiah Berlins Freiheitsvorlesungen der Hang, Freiheit als Ausbleiben von Unfreiheit zu definieren – und damit so ein zunächst nicht sonderlich einladendes Konzept von "negativer Freiheit" zu entwickeln.
Liberale Helden: Dr. House und Bart Simpson
Eine Idee ex negativo zu entwerfen, mag für Intellektuelle ein klassisches Vergnügen sein; eine politische Theorie oder Ideenlehre kommt ohne positive Definition von Freiheit nicht aus. Sie benötigt eine emotionale und kommunikative Erdung, besonders dort, wo sie die politische Bühne betritt, auf der eine Mischung aus Tragödie und Komödie gespielt wird.
Der Liberale wird in der Regel mit älteren, vergeistigten Professoren und Intellektuellen visualisiert oder aktuell in der FDP mit einem allzu jungen Mann. Der Aktivist ist eher links, der Demonstrant sowieso, und selbst die Theoretiker der Dissidenz und des Aufruhrs haben die Nähe zum politischen Geschehen gesucht. Der Liberale führt ein heimliches Leben als Held der Popkultur: Von Dr. House über Ari Gold in "Entourage" bis hin zu Bart Simpson reicht die angelsächsische Typologie des Liberalen.
Der Skateboarder wäre ein idealer Held für Liberalismus-Ideen. Wenn Dahrendorf davon spricht, dass Gesellschaft Spielräume schaffen muss und Kräfte freisetzen, betont er, dass diese Kräfte am Ende jene einzelner Menschen sind. Der Skateboarder versteht die Metapher der Spielräume konkret.
Ein freier Mensch kann fliegen
Wie unfrei der Mensch ist, spürt er oft erst in der Begegnung mit einem Überschuss an Freiheit. Der Diskurs darüber ist zurzeit entweder intellektualisiert und mainstreamverachtend, oder er dreht sich krumm und anämisch gegen den antifreiheitlichen Geist der Gegenwart – die Monokultur des Egalitären, Etatistischen und der Umverteilung.
Wenn alle über Gleichheit und Sicherheit reden, muss der Liberale von Freiheit sprechen. Doch Freiheit will gelebt werden. Die physische Dimension der Freiheit wird intellektuell unterschätzt. Die gehemmten Vertreter des Liberalismus stecken im Gefängnis ihrer Selbstverengungen. Ein freier Mensch kann fliegen.
http://www.welt.de/kultur/article111906212/...en-gemeinsam-haben.html
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"Freiheit. Ein großes Wort. Ein beliebtes Wort bei Werbetextern und Philosophen, Studienräten und Politikern, Stammtischfürsten und ungekrönten Kirchentagsköniginnen. Aus der Freiheit ist häufig genug das geworden, was Friedrich August von Hayek ein Wieselwort nannte. "So wie das kleine Raubtier, das auch wir Wiesel nennen, angeblich aus einem Ei allen Inhalt heraussaugen kann, ohne dass man dies nachher der leeren Schale anmerkt, so sind die Wieselwörter jene, die, wenn man sie einem Wort hinzufügt, dieses Wort jedes Inhalts und jeder Bedeutung berauben. Ich glaube, das Wieselwort par excellence ist das Wort sozial.
Was es eigentlich heißt, weiß niemand." Heute ergeht es der "Freiheit" oft ähnlich. Jedes Kind weiß, was Freiheit bedeutet. Selbst die liberalste Erziehung kommt nicht ohne Freiheitsentzug aus, im Laufstall, im Kinderwagen oder bei der Großmutter mit den teuren Vasen. Dieser Evidenz fehlt ein gewinnendes Pendant in der politischen Rhetorik und Theorie. Warum?
Blass und abstrakt bleibt der Begriff, ob im politisch oder vorpolitischen Sinne missbraucht, wenn er nicht vergleichsweise direkt, gewissermaßen existenziell, an einen Freiheitsmuskel, Freiheitsnerv oder -elan des Sprechenden angeschlossen wird oder aber in einer Situation geäußert wird, in der ein Ruf nach Freiheit mit existenziellen Risiken und Konsequenzen verbunden ist.
Freiheit und Popkultur
Das archaischste Freiheitsversprechen liefert für viele die Popkultur: Sie war Symbol und Symptom einer freien Gesellschaft. Die kulturelle Alexie, die Zeichen der Zeit zu lesen, hat die Liberalen versäumen lassen, diese Freiheitscodes in ihrer Bedeutung angemessen zu würdigen und vor allem zu verstehen – abseits des Unterhaltsamen. Stattdessen blieb das liberale Bürgertum oft genug der Hochkultur der Theater, Literaturfestivals und Konzerthäuser magisch verbunden, in der ihre Werte und ihr Lebensentwurf lustvoll verhöhnt wurden. Deshalb ist der liberale Blick auf die Gegenwart häufig beschränkt.
Die energetische Aufladung insbesondere junger Bürgerkinder durch die zackigen Klänge der Beatles beendet den Stillstand in traditionellen Rollenbildern, und schließlich löst Punk jene Freiheitswette ein, welche die 68er am Anfang ihrer Revolten wohl anboten, bevor sie sich in den Ideologien des 19. Jahrhunderts verstrickten.
Der libertäre Urknall des Punk war eine Art Freiheitskernfusion, die auf den ersten Blick der bürgerlichen Welt den Krieg erklärte, auf den zweiten und genaueren Blick aber eine durchwegs bürgerliche Selbsterneuerung vorbereitete. Margaret Thatcher und Punk rissen dieselbe Welt ein – und standen einander fassungslos, mitunter feindlich gegenüber, vollkommen unnötig, eigentlich.
Mick Jagger und Margaret Thatcher
Die Labour-Regierung hatte das Land an den Rand des Abgrunds getrieben. Nichts funktionierte, die Züge hatten Verspätungen, die öffentlichen Telefone waren kaputt und wurden als Toiletten missbraucht. Die Gewerkschaften organisierten einen Streik nach dem anderen. Die Inflationsrate lag bei knapp 17 Prozent.
Mick Jagger, der noch als "Street Fighting Man" die Militanz der linken Avantgarde idealisierte, teilte ein gutes Jahrzehnt später Thatchers kühlen Blick auf das Land. "In the little old country where I come from, nobody ever works, nothing ever gets done." Da hört, wer mag, heraus, dass Jagger seinen MA an der London School of Economics gemacht hatte.
Julie Burchill, die erste Ikone der Punk-wie-Pop-Literatur, wurde nach wenigen Wochen als Sozialistin überzeugte Thatcheristin. In Thatchers Reformen und ihrer kompromisslosen Art mit dem etatistischen Establishment ebenso aufzuräumen wie mit der Klassengesellschaft der Tories erinnerte sie Punks an ihre eigene Aggressivität. "You do not achieve anything without trouble, ever", wusste Thatcher. Welcher Punk wollt ihr widersprechen?
Hip-Hop und die Liberalen
Die Anfänge fasst aller Popkultur liegen in Gegenkulturen, im gesellschaftlichen Off. Popkultur ist eine monströse Emanzipationsmaschinerie, die mit Jazz und R&B, später mit Disco und Hip-Hop Afroamerikaner in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft holt. Ohne Hip-Hop wäre kein Obama denkbar. Der amerikanische Präsident weiß dies und pflegt seine engen Kontakte zu deren Protagonisten wie Jay Z. oder P. Diddy.
Die Emanzipation der Schwulen wird von Disco- und House-Klängen begleitet, die der Frauen gipfelt in Figuren wie Lara Croft, Carrie Bradshaw oder Carrie Masterson, der Heldin der US-Serie "Homeland". Alle Emanzipationsdynamiken unterliegen einer heftigen individualistischen Drift. Eigentlich hat die Popkultur dort, wo sie in vollem Saft als Sinn- und Leidenschaftskraftwerk die Gesellschaft mit rohen Energien versorgt, nur ein Thema, und das ist die Freiheit. Die Liberalen haben die Deutung dieser Welten aber vornehm der Linken überlassen, die sie problemlos eingemeindet in ihr großes Befreiungsnarrativ, an dessen Ende Gulags oder François Hollande stehen.
Welche Bilder erzählen von Freiheit? Der Sport, dessen Wahrnehmung zunehmend kulturelle Formen und Medien bekommt, hat Partituren der Freiheit produziert, die dank der Anwesenheit von Fernsehkameras zu einzigartigen Schaustücken gelebter Freiheitsexzesse geworden sind. Sie geben in der Regel mehr her als die hundertste Lektüre von John Stuart Mill und Immanuel Kant.
Maradonas Freiheit
Diego Maradonas 2:0 gegen England bei der WM 1986, dieses 60-Meter-Solo voll aufreizender Eleganz und spielerischer Virtuosität. Es ist ein wenig so, als könnte Maradona abheben und über den Dingen schweben. Er umtänzelt leichtfüßig seine Gegenspieler, die fast doppelt so groß und schwer erscheinen, er weiß vor lauter Spielwitz nicht, welche Pirouette ihm den Weg zum Tor noch origineller erscheinen lässt.
Ein freier Mensch kann fliegen: diese Idee, diese Sinnestäuschung macht dieses Tor zu einer auch beim hundertsten Studium so atemraubenden Angelegenheit. Es ist auch der Irrglaube, der entsteht, wenn man waghalsige Skateboarder beobachtet. Es ist die maximale Transzendenz in der Immanenz. Auch wenn der Himmel leer sein sollte, wir Menschen sind gottähnlich dort, wo wir uns freimachen von irdischen Sorgen.
Das galt auch für Ayrton Senna. Den größten Rennfahrer aller Zeiten. Bei ihm genügen 40 Sekunden, in denen er beim Formel-1-GP von Donington 1993 vier Fahrer mit halsbrecherischen Manövern im Regen überholt, um sich an die Spitze des Feldes zu setzen. Es ist die Entsprechung zu Maradonas Solo unter verschärften Bedingungen, weil jedes dieser exotisch mutigen Manöver lebensgefährlich ist. Senna fuhr Linien, wie sie kein anderer Rennfahrer für möglich hielt.
Bürgersöhne und Fußball
Er erkämpfte seinem Sport neue Einsichten, wie Rennstrecken und Rennwagen genutzt werden konnten. Für Senna, den privilegiert aufgewachsenen Bürgersohn, war die Bestimmung des freien Mannes der Wettbewerb und seine innere Ritterlichkeit eine Frage des Stils. Senna interessierte sich nur für Siege, spendete aber einen Großteil seines Vermögens an seine Stiftung, die Kindern half, die weniger privilegiert aufgewachsen sind. Er rettete das Leben seiner Kollegen, auch wenn er dabei sein eigenes riskieren musste. Der Dokumentarfilm über sein "Leben" gehört zu den Quellentexten des zeitgenössischen Liberalismus. Ebenso wie die großartigen Interviews von Diego Maradona, der dem Elend seiner Herkunft nie entkommen sollte.
Er könne in jedem Land spielen, auch in einer Diktatur, erklärte Maradona, "solange man mir meine Freiheit auf dem Fußballplatz lässt, ist es mir gleich". Seine Schwierigkeiten als Trainer begründete er mit seiner Aversion gegen fest gefügte Ordnungen. "Ich hasse Regeln und Vorschriften. Ich habe sie immer gehasst. Wie könnte ich da jemals Trainer sein?" Gerade aus dem Scheitern der Freiheitskultur, die eine Kultur der Eliten war, müsste der Liberalismus sich den Freiheitserzählungen der populären Kultur zuwenden. Auch, weil dort der zerschmetterte Begriff der Freiheit als solcher nicht benötigt wird.
Die westlichen Gesellschaften liberalisieren sich allen Sicherheitsbedürfnissen zum Trotz weiter, doch das vermeintlich klassisch liberale Denken kann davon kaum profitieren, weil es nicht die richtige Sprache spricht und die richtige Haltung einnimmt, um die Energien dieses Trends einzufangen und zu verstärken.
Heldentenöre der Freiheit
Neue Heldentenöre der Freiheit erzeugen einen Sog, während alte Konzepte von Freiheit – die sein müssen! – lediglich als Referenz dienen können. Liberalismus ohne Euphorie wirkt unglaubwürdig, weil er stets die Möglichkeitsräume des Einzelnen im Blick haben will, sein Fortkommen, seine Chance auf Glück.
Deutschland, die verspätete Nation, deren Dichter und Denker hymnische Beiträge zu einer Kultur der Freiheit erschaffen haben, deren politisches System aber den denkbar längsten blutigen und fragilen Weg zur Freiheit genommen hat, diese Nation besitzt am Anfang des 21. Jahrhundert die besten Voraussetzungen, friedlich, zivil und kreativ jene Bevormundungsgüte mit alternativen Konzepten zu überdenken.
Das neue, überraschend positive Image des Landes hat auch mit den Schaufenstern des freien Westens zu tun, die in der Hauptstadt Berlin am augenfälligsten die alten Schatten des Preußentums und des Hyperprotestantischen abgelegt haben. Boris Johnsons faszinierter Blick auf Berlin, als einer inspirierenden, weil freien Stadt, hat noch keine Entsprechung in eine politische und theoretische Rhetorik gefunden, die jene Fremdwahrnehmung mit einer passenden Selbstreflexion versieht.
Freiheit heißt "erkunden"
Ralf Dahrendorf hat den Liberalismus als einen Prozess beschrieben, "durch den Menschen neue Lebenschancen für weitere Menschen erkunden". Das Wort "erkunden" besitzt eine existenzielle Botschaft. Historisch kommt der Begriff aus der militärischen Aufklärung. Die Erkunder sind die Vorfühler der Avantgarde. Sie bereiten deren Vorrücken vor.
Die Avantgarde ist der erste Truppenteil, der Feindberührung hat. Politische, soziale und kulturelle Avantgarden haben in unterschiedlichem Maße die Freiheits- und damit Lebenschance "für weitere Menschen" nicht nur erkundet, sondern erfochten. Der zeitgenössische Liberale ist für Dahrendorf zum Erkunden verpflichtet. Man würde dem Liberalismus wünschen, dass seine Vordenker und Streiter noch mehr auch Avantgarde sein wollen, mit Lust auf Feindberührungen abseits klassischer Frontverläufe und mit den erwartbaren Frontstellungen. Die aktuelle Phänomenologie des Liberalismus ist eine weithin etablierte Lebenswelt, in der Biografien geordnete Bahnen ziehen und in der zum Teil schnörkellos Erfolg an Erfolg gereiht wird.
Dieses Gelingen ist kostbar und verdient großen Respekt. Der etablierten und damit konservativen Pflege des Liberalismus muss eine rebellische, revoltierende, antielitäre, raue und rohe Denkschule und Kultur hinzugefügt werden, um das Reden zur Freiheit aus dem Kerker ihres Historismus und ihrer pragmatischen Nützlichkeit zu schleudern.
Glück und Geschichte
Im Reden über die Freiheit waren die Deutschen stets emsig. In der existenziellen Hingabe an ein freies Leben bleiben sie bis heute zu oft ängstlich, sicherheitsverliebt und risikoscheu. Drastisch wird dies in den politischen Institutionen exemplifiziert, in der Individualisten, krumme Biografien und widerständiges Denken nur in der Karikatur als Protestparteilärmer auftauchen. Wer das Wort Freiheit laut und ernst ausspricht, muss im Zweifel bereit sein, sich mit allen anzulegen – auch mit denen, die sich für Freunde der Freiheit halten.
Das Motto des vor wenigen Wochen verstorbenen großen deutschen Unternehmers Berthold Beitz stammte von dem griechischen Staatsmann Perikles, der dem Wesen der Freiheit schon vor zweieinhalbtausend Jahren ganz nahe kam, als er sagte: "Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut."
Dieser Weisheit letzter Schluss steht am Anfang der Freiheitsgeschichte des Abendlandes. Es ist ein Vermächtnis, dessen Aktualität nicht zwingender sein könnte. Die Freiheitsgeste, die existenziell individuelle, ist die Grundlage freiheitlicher Verfassungen von Staat und Gesellschaft. Deswegen ist keine Rebellion dysfunktional, wenn sie neue Möglichkeitsräume entdeckt und gestaltet.
Geheimnis der Freiheit
Wenn das Geheimnis der Freiheit der Mut ist, was ist das Geheimnis des Mutes? Ein Geheimnis des Mutes ist die Neugier. Weil am Anfang einer vom Freiheitsmuskel existenziell erzwungenen Ausbruchsgeste der Handelnde selbst nicht weiß, wie dieser Akt ihn, seine Um- und Mitwelt verändert. Freiheit ereignet sich dort, wo Handeln und Tun auch den Handelnden selbst verblüffen.
Ein anderes Geheimnis des Mutes ist die Unfähigkeit, Risiko zu vermeiden. Die Medizin weiß längst, dass die Neigung zum Risiko auch eine Sucht produzieren kann, weil die Ausschüttung von Endorphinen im Augenblick der Gefahr abhängig machen kann. Dieser Mut ist das Gegenteil jenes Mutes, wie er in Sonntagsreden oft genug eingefordert wird.
Die großen politischen Gesten des 20. Jahrhunderts waren Ergebnisse existenzieller Notwendigkeiten. Nur Willy Brandt konnte, nein musste vielleicht vor dem Denkmal des Warschauer Gettos, ohne dies geplant zu haben, in die Knie gehen. Er hat damit die Welt verändert, er hat sie zu einem besseren Ort gemacht. In dieser einen Geste kam die Essenz eines Lebens am Rande der Gesellschaft, im Widerstand, in Verantwortung an den Konfliktherden des Kalten Krieges zum Ausdruck. Es war die Geste eines freien und mutigen Menschen. Nur sie erreichen die Herzen der anderen wirklich, wenn sie tun, was sie tun müssen, weil es gar nicht anders geht. Sie sind zur Freiheit verdammt und nehmen dieses Urteil dankbar an.
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Darüber hinaus möchte ich damit auch Deinen Beitrag #711 drüben bei den Ökonomen aufgreifen und entsprechend würdigen.
Bezüge zu manch anderen mehr oder minder aktuellen allgemeinen Diskussionen drüben im Thread ergeben sich ebenfalls - vor allem zum Ende des Artikels hin.
"Vor 30 Jahren starb der französische Philosoph Raymond Aron. Das Werk des großen antitotalitären Denkers zeigt, dass nur ein skeptischer Liberalismus wirklich zur Verteidigung der Freiheit taugt. Von Richard Herzinger
Ein nicht nur bei ihren Gegnern, sondern auch unter Liberalen selbst weit verbreitetes Missverständnis ist die Vorstellung, beim Liberalismus handele es sich um ein geschlossenes Denkgebäude, das der Menschheit den Weg zu einem Zustand ungetrübter, idealer Freiheit zu weisen trachte. Bekehrten sich die Menschen erst einmal zu den Lehren des Liberalismus, so die Überzeugung manches wackeren Freiheitsfreundes, werde sich von selbst eine bessere und glücklichere Welt ohne staatliche Zwänge und kollektive Fremdbestimmung einstellen.
Sowohl Antiliberale als auch jene Liberale, die dem Glauben an eine vollkommene Freiheit anhängen, tendieren somit dazu, den Liberalismus mit einer utopischen Heilslehre zu verwechseln. Sobald sich liberale Aktivisten jedoch im Besitz einer letztgültigen Wahrheit oder frohen Botschaft wähnen, die es nur noch möglichst vielen Menschen zu verkündigen gelte, drohen sie den Liberalismus in eine abstrakte, redundante Ideologie zu verwandeln und damit seinen eigentlichen Impetus zu verfälschen.
Raymond Aron, dem vielleicht bedeutendsten liberalen Denker des 20. Jahrhunderts, war diese Art von euphorischem, doktrinärem Denken fremd. Wie kein anderer moderner politischer Philosoph hat er die skeptische und im Kern defensive Grundstimmung der authentischen liberalen Tradition herausgearbeitet und zu neuer Vitalität erweckt. Dabei knüpfte der bekennende Kantianer an die Ideen der liberalen Klassiker Montesquieu, Tocqueville und Max Weber an.
Aron, der vor 30 Jahren, am 17. Oktober 1983, gestorben ist, hielt nichts von politischen und gesellschaftlichen Glücksverheißungen, auch nicht im Namen noch so schön klingender freiheitlicher Ideale. "Es gibt keine vollkommene Gesellschaft, aber es gibt Grade der Unvollkommenheit", schrieb er 1955. Die westliche liberale Demokratie erachtete er als die am wenigsten unvollkommene Staatsform, weswegen er sie mit Leidenschaft gegen alle Formen von Totalitarismus und Despotismus verteidigte.
"Möglichkeit der persönlichen Initiative"
Was aber nicht hieß, dass Aron die liberale Demokratie lediglich als "kleineres Übel" betrachtete. "Rechtfertigen lässt sich die freiheitliche Gesellschaft", schrieb er, "gerade durch die Möglichkeit der persönlichen Initiative und der dem Einzelnen eingeräumten Möglichkeit der Selbstverwirklichung, also nicht als geringeres Übel, sondern aufgrund mancher Vorzüge."
Aron bezeichnete sich selbst als einen "aktiven Pessimisten" – was nach seinen Worten bedeutete, "aus meinem Pessimismus (oder aus dem, was als solcher verstanden wird) niemals die Lehre der Indifferenz und der Passivität gezogen" zu haben. "Pessimismus" hieß für ihn nichts anderes, als auf die Droge der Verheißung eines idealen Endzustands zu verzichten, um umso klarsichtiger wirkliche Verbesserungen des menschlichen Daseins in Angriff nehmen zu können. Erst die Fähigkeit, der fürchterlichen Gefahr und Verführungskraft totalitärer Unfreiheit ungeschminkt ins Auge zu sehen, befähigte ihn dazu, den vollen Wert der unvollkommenen Freiheit in liberalen Demokratien zu erkennen und sie mit aller Kraft zu verteidigen.
Was den 1905 als Sohn einer jüdischen Familie in Paris geborene Aron freilich nicht der Illusion verfallen ließ, es gebe "die Freiheit" in einer ganzen, unteilbaren Form. "Die Gesellschaften, die wir demokratisch-liberal genannt haben", schrieb er, "zeichnen sich dadurch aus, dass sie (...) anerkennen, dass es so etwas wie eine allein gültige Formel wahrer Freiheit nicht gibt".
Aron ging sogar so weit zu betonen, dass ein Freiheitszuwachs für einzelne oder bestimmte Gruppen stets einen Freiheitsverlust für andere bedeuten müsse. Das ergebe sich aus der immer präsenten "Dialektik" von Freiheit und Macht. Eine freie Gesellschaft erkennt man demnach daran, dass in ihr "viele Menschen etliche Freiheiten besitzen und niemand die absolute Freiheit der unumschränkten Macht."
"Begrenzung der Macht der Regierenden"
Voraussetzung für eine solche ausbalancierte Vielfalt der Freiheiten war für Aron die Herrschaft allgemein respektierter Regeln und Gesetze, die dafür sorgen, dass "zwei traditionelle Kriterien" einer "mehr oder minder freien" Gesellschaft gesichert sind: "Begrenzung der Macht der Regierenden und Unabhängigkeit vieler Individuen in bestimmten Tätigkeitsbereichen".
Wem dieses nüchterne Freiheitskonzept Arons zu defensiv und minimalistisch erscheint, verkennt, welche ungeheure, stets fragile historische Errungenschaft die Spielräume politischer und persönlicher Freiheit darstellen, die in liberalen Demokratien Gestalt angenommen haben. Liberale müssen bestrebt sein, diese Spielräume, im Rahmen von Institutionen und Gesetzen, für möglichst viele möglichst umfangreich auszuweiten. Doch ein skeptischer Realismus, wie er das Denken Raymond Arons durchdrungen hat, kann sie vor der Illusion bewahren, "die Freiheit" sei so etwas wie das Allheilmittel gegen alle Fährnisse und Widersprüche gesellschaftlichen Daseins.
Das Bewusstsein dafür, wie wenig selbstverständlich und schwer zu erringen die liberalen Freiheitswerte sind, hat Aron aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Ideologien und Herrschaftsformen des Totalitarismus gewonnen. Dabei hat er freilich keine in sich geschlossene Totalitarismustheorie aufgestellt.
Was er entwickelte, war – in den Worten des Aron-Experten Matthias Oppermann –, "eine rein deskriptive Totalitarismuskonzeption, bei der er vom Besonderen zum Allgemeinen ging und nicht umgekehrt und die er immer wieder an den von ihm beobachteten historischen Gegenstand anpasste".
Demokratien "sind grundsätzlich konservativ"
Für den "engagierten Beobachter", wie sich Aron selbst nannte, war theoretische Erkenntnis keine Beschäftigung im akademischen Elfenbeinturm. Neben seiner Tätigkeit als einflussreicher Universitätsprofessor (und Verfasser von 40 Büchern) stand gleichrangig seine Aktivität als tagespolitischer Leitartikler, als der er die aktuellen Zeitläufte analysierte und kommentierte. Mindestens so sehr wie als politischer Philosoph gewann er dabei Bedeutung als geostrategischer Denker und kühler, von keinen pazifistischen Vorbehalten voreingenommener Analytiker des Krieges.
Als jüdischer Franzose, der sich in streng republikanischer Tradition freilich an erster Stelle als französischer Patriot und erst in zweiter Linie als Jude verstand, ging Aron im Zweiten Weltkrieg nach England, um sich der Widerstandsbewegung de Gaulles anzuschließen. Nach dem Krieg erkannte er – ganz im Gegensatz zu den vom Marxismus beeinflussten Hauptströmungen unter den französischen Intellektuellen – den Kommunismus als ähnlich tödliche Bedrohung für die liberale Zivilisation an wie es zuvor der Nationalsozialismus gewesen war. Dabei setzte Aron diese beiden totalitären Systeme keineswegs gleich, sondern arbeitete im Gegenteil detailliert ihre Unterschiede heraus, sowohl was ihre historischen und ideologischen Ursprünge, als auch was die Funktionsweise ihrer Herrschaftssysteme betrifft.
Eine substanzielle Gemeinsamkeit zwischen ihnen erkannte er allerdings unter anderem darin: Beide Systeme waren "revolutionär" in dem Sinne, dass sie radikal mit der Vergangenheit und allen geschichtlichen Konventionen brechen wollten, wohingegen liberale Demokratien "in dem Sinne grundsätzlich konservativ sind, dass sie die überkommenen Werte bewahren wollen, auf die unsere Zivilisation gegründet ist; im Vergleich zu jenen, die eine völlig neue Existenz einrichten wollen, eine militärische, auf die permanente Mobilisierung gegründete Existenz, im Vergleich zu jenen sind wir konservativ."
Konzessionen an illiberales Denken
Dass ein Liberaler in diesem Sinne auch ein Konservativer sein müsse, bedeutete freilich nicht, dass Aron dem Wertesystem des politischen Konservatismus allzu viel Sympathie entgegengebracht hätte. "Konservativ" zu sein, hieß für ihn vielmehr im weiteren Sinne, das historische Gedächtnis für die Fundamente zu bewahren, auf die sich die modernen liberalen Freiheitsideen gründen. Angesichts der Gefahr totalitärer Gleichschaltung gehörte es für Aron zu den Aufgaben der Liberalen, den Fortbestand auch jener Bestandteile der pluralistischen Gesellschaft (wie den Kirchen) zu verteidigen, mit denen der Liberalismus eigentlich in weltanschaulichem Widerstreit liegt.
Gleichwohl hat Aron in seinem Bestreben, einen Ausgleich zwischen Liberalismus und Konservatismus zu finden, punktuell womöglich doch zu große Konzessionen an illiberales Denken gemacht. So etwa, als er feststellte, das Individuum könne sich nur in der Gemeinschaft verwirklichen. Auch die Freiheit des Einzelnen, sich weitest möglich außerhalb gemeinschaftlicher Bindungen zu bewegen, zählt aber in einer freien Gesellschaft zu den elementaren Rechten.
Doch kommt es ja nicht darauf an, jedem einzelnen Gedanken dieses großen französischen Denkers zuzustimmen. Was Arons Werk für das liberale Selbstverständnis unverzichtbar macht, ist die Einsicht, dass liberales Denken an Schärfe und Wirkung gewinnt, wenn es den Wert der Freiheit nicht von einer Idealvorstellung oder irgendeiner geschichtsphilosophischen Prämisse ableitet, sondern im Kontrast zur stets präsenten Bedrohung durch die Unfreiheit bestimmt, die im Totalitarismus ihre ultimative Steigerung erfahren hatte.
Auch wenn die großen totalitären Systeme inzwischen verschwunden sind, ist diese Denkmethode doch keineswegs inaktuell geworden. Neue Mutationen des Autoritarismus wie der chinesische Postkommunismus und der Putinismus in Russland, aber auch massenmörderische "politische Religionen" wie der Islamismus, befinden sich weltweit im Aufwind, während der Westen einmal mehr das Zutrauen in die Kraft seiner freiheitlichen Verfasstheit zu verlieren droht.
"Die Vernunft und die Wissenschaft"
Aber auch innerhalb der westlichen Demokratien wachsen Tendenzen zur Gängelung und Bevormundung unter dem Vorwand staatlicher Fürsorge heran. Freilich macht es sich zu einfach, wer die Staatsgläubigkeit der großen Mehrheit der Gesellschaft nur als Ausdruck von verblendetem, manipuliertem Bewusstsein erklären will.
Aron war dagegen klar, dass der Wunsch nach immer mehr Sozialstaat durchaus eine Kehrseite des modernen Individualismus ist. In dem Maße, wie dieser sich von traditionellen gemeinschaftlichen Bindungen entfernte, wuchs nämlich das Bedürfnis nach sozialer Absicherung durch den Staat, die diese Loslösung des Individuums von "gewachsenen" Gemeinschaften materiell ermöglicht.
Aron seinerseits trat als echter Liberaler für wirtschaftliche Freiheit ein, bestand aber gleichwohl auf dem Primat des Politischen – was freilich nichts mit "sozialliberalen" Konzessionen an einen regulierenden Etatismus zu tun hat. Vielmehr hielt er die Demokratie nur für lebensfähig, wenn sie sich auf die aktiven politischen Bürgertugenden verlassen kann.
Er glaubte nicht an einen Sinn der Geschichte, hielt aber trotzdem – oder gerade deshalb – daran fest, man könne "im Lichte der Idee der Vernunft fortfahren, an eine humanisierte Gesellschaft zu denken, von ihr zu träumen, sie zu erhoffen". Den Fortschrittsoptimismus des 19. Jahrhunderts sah er als obsolet an, nicht aber die Maximen der aufklärerischen Rationalität: "Die Menschheit", schrieb er, "hat keine andere Hoffnung zu überleben als die Vernunft und die Wissenschaft."
Liberalismus bedeutete für Raymond Aron das Abenteuer eines unerschrockenen Denkens ohne Netz und doppelten Boden. Den Preis dafür nahm er hin: "Ich bin wahrscheinlich isoliert und ein Opponent", resümierte er 1981 in einem Gespräch, "ein normales Schicksal für einen wahren Liberalen."
http://www.welt.de/geschichte/article121006914/...ch-eine-Chance.html
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Schön geschrieben, Zan:
'..Darüber hinaus sind Veränderung und Transformation einfach ein fester und dauerhafter Bestandteil des Lebens, die immer in einem Spannungsverhältnis zum ebenso ursprünglichen und wichtigem Prinzip stehen, Dinge zu erhalten und zu bewahren. Es ist kein Widerspruch, zu versuchen diesen beiden Polaritäten gleichsam Raum zu lassen wo es eben sinnvoll erscheint. Es geht da eigentlich eher um Balance als um Stringenz.
Zur Stringenz im allgemeinen möchte ich ausserdem als grundsätzlichen Gedanken einwerfen, dass die Beweglichkeit als übergergordnetes Prinzip in seiner Beweglichkeit nicht weniger stringent ist, als die Unbeweglichkeit in seiner Unbeweglichkeit.
Es ist lediglich ein anderes Prinzip, das darin zum Ausdruck kommt. ...'
Die Frage ist halt, welchen kausalen Einfluss das bewusste, planende Selbst auf die Bewegungen des Lebens nehmen kann. Und ob es sowas überhaupt gibt. Schaut man nach vorn, erscheint alles offen. Schaut man zurück alles determiniert. Gerade bei ziemlich stringenten Typen wie zB Fill braucht es für Kursänderungen den externen Schock. Und auch dann ist die Frage, wie nachhaltig die dann sind...
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"History that repeats itself turns to farce. Farce that repeats itself turns to history."
"History that repeats itself turns to farce. Farce that repeats itself turns to history."
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Black golly gob. Big horny monkey.
Pimp pusher coon. Grinning piccaninnies.
Send him home soon. Back to the trees.
Black wogs. Black wogs. Your face don't fit.
Black wogs. Black wogs. You ain't no Brits.
Ahmed is a Paki. Curry coffee queer.
Ten to a bed. Flocking over here.
Tax-sponging canker. Smelly thieving kids.
Ponce greasy wanker. Worse than the yids.
Brown wogs. Brown wogs. Your face don't fit.
Brown wogs. Brown wogs. You ain't no Brits.
Stick together we'll all be white me and you
The only colours we need are red, right and blue.
Paddy is a moron. Spud thick Mick.
Breeds like a rabbit. Thinks with his prick.
Anything floors him if he can' fight or drink it.
Round them up in Ulster. Tow it out and sink it.
Green wogs. Green wogs. Our face don't fit.
Green wogs. Green wogs. We ain't no Brits.
If the victim ain't a soldier why should we care?
Irish bodies don't count. Life's cheaper over there.
Green wogs. Green wogs. Face don't fit.
Green wogs. Green wogs. We ain't no Brits!
Green wogs. Green wogs. Grab 'em boys.
Green wogs. Green wogs. Turn up the white noise.
Turn up the white noise! Turn up the white noise!
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"History that repeats itself turns to farce. Farce that repeats itself turns to history."
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