Das meinte ich z.B. mit "Der Bedarf an solch einem Gegenpart war ohne Frage vorhanden."
Entwicklung in Musik und Film aber auch in anderen Kulturbereichen verlaufen ja häufig synchron. Am besten lässt sich das hier vielleicht auch an der Entwicklung des Films verfolgen. In den 60ern wurde häufig eine bis zur kitschigen Parodie verklärte heile bürgerliche Welt gezeigt, in der alle heiklen Themen und harten Lebenswirklichkeiten ausgesparrt blieben - witzigerweise im Gegensatz zu den 50ern. Man denke z.B. nur an die gelungenen Tenesse Williams Verfilmungen wie "Der Mann mit der Schlangenhaut", "Die Nacht des Leguans", "Endstation Sehnsucht", "Süßer Vogel Jugend" oder das Meisterwerk" Die Katze auf dem heißen Blechdach" (einer meiner Lieblingsfilme)
Die 60er waren da deutlich seichter. Die Sehnsucht nach solch einer unbedrohlichen heilen Welt war natürlich angesichts der beiden Weltkriege und einer Weltwirtschaftskrise nachvollziehbar. Aber eine Verklärung bleibt nunmal eine Verklärung, mag sie auch noch so charmant sein.
Der Bruch kam dann tatsächlich in den 70ern. Die Filme wurden plötzlich realistischer dreidimensionaler und härter. Kubricks "Clockwork Orange" wäre in den 60ern kaum vorstellbar gewesen. Genauso "Taxi Driver", "Apokalypse Now"," Einer Flog über das Kuckusnest" und letztlich auch solche Splatterfilme wie "Night of the living dead" und "The Texas Cainsaw Massacre", die damals als geschmackloser trash gehandelt wurden aber heute hingegen dauerhaft in der MoMa ausgestellt sind (zu recht).
Es war die Zeit für solche wertvollen Entwicklungen. Im Kino gab es dabei eine Qualität, die in dieser Dichte lange nicht mehr erreicht wurde. Das Blockbuster-Popkorn-Action-Kino der 80er war vom Anspruch hingegen wieder ein Tiefpunkt, so unterhaltsam man es dann manchmal doch finden mag - Eine Diagnose die natürlich im starken Kontrast zu seinem Erfolg steht.
Ich denke, dass Kultur immer ein Spiegel von gesellschaftlichen Entwicklungen ist. So fällt das Unterhaltungskino der 80er sicher nicht zufällig mit dem Erfolg des Kapitalismus der Reagan Ära zusammen.
Die starke Bewegung des Independent, die seit dem Ende der 90er eingesetzt hat und gerade im letzten Jahrzehnt soetwas wie ein mainstream neben dem mainstream geworden ist (bohemization of the burgeoisie), wäre dabei ohne die künstlerische Befreiung, die in den 70ern und frühen 80ern stattgefunden hat, sicher nicht denkbar.
Abgesehen vom Wert dieser Entwicklungen, WK II war in den 70ern ja auch wirklich noch nicht so lange zurück und die Verarbeitung dieser Ereignisse auf allen Ebenen überfällig. Aus damaliger Sicht ist das alles absolut verständlich.
Wenn laibach heute aber immer noch wieder und wieder in die gleichen Kerben schlägt, wirkt das auf mich fast ein wenig verbohrt und in der Verhaftung auf diesen Dingen irgendwie sonderbar. Zur Verbeitung gehört es eben auch, sich irgendwann von den Dingen lösen zu können. Aber vielleicht ist und bleibt man auch einfach immer ein Stück Kind seiner Zeit, ich selbst versuche dies nach Möglichkeit zu vermeiden (ob es mir gelingt weiß ich allerdings nicht)
"Neorealistische Bestandsaufnahmen gab es damals sowohl dem Inhalt wie der Form nach praktisch nicht" Im großen und ganzen hast Du wie gesagt recht. Wenn man genauer hinschaut entdeckt man dann allerdings doch ein paar Dinge.
Die Gedanken des Industrial waren ja keineswegs völlig neu, lediglich ihr Ausdruck war es. Es war schon vorher im Kern eigentlich alles da, z.B. in der amerikanischen Literatur der 50er vor allem bei William S. Burroughs und anderen Beatniks und wenn man genau hinschaut auch bei Tenesse Williams.
Der Dadaismus, der bereits nach dem ersten Weltkrieg entstanden ist, ist ebenfalls ein wesentliches Element, das sich im Industrial an vielen Stellen wiederfindet, ebenso der Surrealismus.
"Postmodern auch in dem Sinne, dass fortgeschrittene Technologie sozusagen kreativ zweckentfremdet wurde, um dieses Lebensgefühl nachzuzeichnen." Eine Methode, die mir sehr sympathisch ist. Sie führt doch häufig zu äußerst interessanten Ergebnissen. Der Gedanke, dass sich der Sinn eines Gegenstandes nicht aus der Natur des Gegenstandes selbst sondern durch die Kreativität des Anwenders ergibt, hat mir irgendwie immer gefallen.
"Für mich auch ein Ringen um Essenz, ein Nachdenken über die Frage, was kann heute noch authentisch, echt sein..."
Ich denke, dass man Authentizität gerade dann erreicht, wenn man es bleiben lässt, sich um sie zu bemühen. Sich dahingehend zu bemühen halte ich sogar für den sichersten Weg zum Unauthentischen. Wenn man sich dann nicht gerade absichtlich verstellt, kann man Authenzität andersherum m.E. gar nicht vermeiden, wenn man nur die Suche danach aufgibt.
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