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Extinction Rebellion, die radikalste der Klimabewegungen, blockiert den Verkehr in 60 Städten der Welt. Ihr Ziel ist der Sturz unseres Wirtschaftssystems.
Berlin, vor der Siegessäule, Montag, vier Uhr früh. Die Klimabewegung Extinction Rebellion (XR) startet ihre Aktionswoche. Ein junger Mann, der aus Ulm angereist ist, um den Verkehr im Zentrum der deutschen Hauptstadt lahmzulegen, erklärt, warum er sich dazu berufen fühle: „Wir sind auf der richtigen Seite der Geschichte. Wir haben das Recht auf unserer Seite.“
Bei solchen Blockaden komme es darauf an, die Wirtschaft zu schädigen, denn nur so könne man ein Maximum an Aufmerksamkeit erregen, sagt XR-Sprecherin Carola Rackete. Im Sommer schleuste die Kapitänin illegal Migranten über das Mittelmeer nach Europa; vorige Woche wurde sie im EU-Parlament mit stürmischem Applaus bedacht; jetzt widmet sie sich der Rettung der Welt vor der „Klimakatastrophe“. Die Klima-Rebellen wollen erreichen, dass in sechs Jahren kein CO2 mehr emittiert wird. Das wäre das Ende unseres Wirtschaftssystems, und genau das ist ihr Ziel. Anfang September hinderte die Polizei XR-Mitbegründer Roger Hallam daran, den Londoner Flughafen Heathrow mit einer Drohne zu blockieren. Dem „Spiegel“ sagte er, dass der Protest spürbare wirtschaftliche Konsequenzen haben müsse. Da die Gesellschaft „unmoralisch“ sei, sei die Demokratie „irrelevant“. Um das System zu Fall zu bringen, könne es „nur noch direkte Aktionen geben“. Die Klimafreaks glauben, dass die Menschheit an der selbst verschuldeten Erderwärmung zugrunde gehen wird, wenn sie ihre Lebensweise nicht sofort aufgeben und ein natürliches Gleichgewicht herstellen sollte, wie es angeblich vor der Industrialisierung geherrscht habe. Da die Menschen das nicht wollten, müssten sie dazu gezwungen werden. Extinction Rebellion ist durch und durch totalitär. Man kann lang darüber diskutieren, ob die Übernahme einer totalitären Ideologie der Radikalisierung von Jugendlichen vorausgeht, oder ob diese sich nur die Ideologie zu eigen machen, die sie in ihrer aggressiven Ablehnung des Status quo am meisten bestärkt. Vor dem Hintergrund apokalyptischer Szenarien, die absolute „wissenschaftliche“ Geltung beanspruchen, gedeiht die hypermoralische Anmaßung, die Menschheit retten zu können: „Unite behind science“. Die jungen Fanatiker sind überzeugt davon, dass sie „auf der richtigen Seite der Geschichte“ stehen und fühlen sich legitimiert, Recht zu brechen. Das ist eine hochexplosive Mischung. Am 25. September 1995 publizierten die „New York Times“ und die „Washington Post“ ein Manifest unter dem Titel „Die Industriegesellschaft und ihre Zukunft“. Die Folgen der Industrialisierung, hieß es darin, bedrohten die menschliche Rasse. Je rascher dieses System zusammenbreche, desto besser sei es. „Diese Revolution kann Gewalt anwenden oder auch nicht. Das lässt sich nicht voraussagen.“ Ihr Ziel sei jedenfalls „nicht der Sturz der Regierungen, sondern der wirtschaftlichen und technologischen Basis der gegenwärtigen Gesellschaft“. Der Autor des Manifests war der amerikanische Mathematiker Ted Kaczynski, besser bekannt als „Unabomber“. Zwischen 1978 und 1995 terrorisierte Kaczynski die USA mit einer Serie von Bombenanschlägen, bei denen Menschen ums Leben kamen oder schwer verletzt wurden. Kaczynski war ein übergeschnappter Überzeugungstäter wie Andreas Baader und Ulrike Meinhof, Anders Breivik und Brenton Tarrant. Werden wir es künftig mit einer „Grünen Armee Fraktion“ zu tun haben? Diese Befürchtung äußerte der frühere „Stern“-Journalist Wolfgang Röhl, ehemals Schwager der „Konkret“-Kolumnistin Ulrike Meinhof. Er zitierte einen ihrer Kommentare vom Mai 1968, der mit den Sätzen schloss: „Der Spaß hat aufgehört. Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht.“ Was Extinction Rebellion tut, geht über Protest hinaus. Es ist Widerstand. |