Das mit dem Durchblick ist halt relativ, aber wenn ich mir so manche halbgare Äußerung hier anschaue, dann ist es wohl so wie Du schreibst.
"Und zwar bin ich verwirrt, weil ein Markt ist doch nicht deswegen effizient weil es Käufer gibt, oder?" Nein ist er nicht. Da hast Du vollkommen recht.
Der Denkfehler liegt mEn an folgender Stelle: es geht bei dieser Theorie nicht darum, den "wahren" Preis zu finden. Schon gar nicht, den wahren Preis für die nächsten xx Monate / Jahre etc. Es geht lediglich darum, die Mechanismen der PreisFINDUNG zu modellieren. Und hier reicht es in der Tat nicht aus, das Käufer existieren. Sondern es geht vielmehr darum, auf welcher Informationsgrundlage alle Marktteilnehmer den für sie jeweils individuell akzeptablen Preis finden. WIE die einzelnen Marktteilnehmer diese Informationen jeweils gewichten, daß ist schon nicht mehr Gegenstand der Theorie! Wenn also heute die Mehrheit der Akteure zum Schluß kommt, Unternehmen X sei YY Euro wert, morgen aber zu einem anderen Ergebnis (YY+a), dann ist das halt so, weil die Akteure morgen die Infos anders gewichten.
Effizient ist ein Markt nach der Theorie dann, wenn alle Marktteilnehmer die gleichen Informationen haben und diese zur Bewertung nutzen (können). Nicht mehr aber auch nicht weniger.
Alle weiteren Geschichten à la (effizienter Markt = fairer Preis im Sinne von keine Über- oder Unterbewertung) sind mWn komplett über das Ziel hinaus geschossen.
Einzig die Annahme mit der "Unmöglichkeit" einer dauerhaft besseren Performance, ist eine in meinen Augen zulässige Konsequenz aus dieser Theorie. Wobei hier streng genommen noch die Frage der Bewertungskompetenz mit reinspielt. Leute wie Buffett haben halt (aus welchen Gründen auch immer) einiges mehr an know how. Und das führt dann zu besserer Performance. Den Aspekt, das große Investoren immer noch die eine oder andere Info im Hintergrund eher bekommen, den lasse ich mal außen vor...
Spekulationsblasen: Wo paßt das nicht zur Theorie? Eine Blase entsteht, weil die Mehrheit der Akteure die verfügbaren Informationen in zunehmendem Ausmaß immer mehr in eine Richtung (fehl-)interpretiert. (Ich lasse mal solche Dinge wie Trendfolge-Algorithmen-Trading außen vor.) Das machen die aber durchaus effizient! Das geht halt so lange, wie die menschliche Gier der (menschl.) Akteure mitspielt. (Was, diese Internetbude hat gar keinen Umsatz? Egal, so lange wie die Aktien steigen, will ich dabeisein...) In dem Moment, wo der erste laute Ruf a la "der Kaiser ist doch aber nackig", durchdringt, ändern die Leute ihre Bewertung (dann sind eben Internetbuden ohne nennenswerten Umsatz doch keine Mrd. wert...) und die Preisblase fällt in sich zusammen. Aber während der gesamten Zeit (vor - während und nach der Blasenbildung) hatten alle Marktteilnehmer alle Informationen in gleicher Weise verfügbar. Wenn sie daraus ungünstige Rückschlüsse zogen, dann ist das ihr Versagen, aber nicht das der Theorie! Es handelt sich eben nicht um eine Theorie zur BEWERTUNGSfindung, sondern um eine Theorie zur PREISfindung!
Wenn dann im Zusammenbruch einer Blase keine Käufer mehr da sind, dann wird der Markt auch ineffizient. Weil, wenn jeder verkaufen will, aber keiner kaufen, dann fallen die Preise viel viel tiefer, als die Akteure (vor allem die Verkäufer) eigentlich woll(t)en.
Diesen Effekt konnte man sehr gut Ende 2008 Anfang 2009 sehen. Damals fielen nicht nur die spekulativ überteuerten Bankaktien - dafür gab es sicher jeden Grund - sondern auch die Aktien so gut wie aller anderen Unternehmen. Egal wie weit weg deren Geschäftsmodell von subprime war. Einfach, weil niemand da war, der cash über hatte um zu kaufen. Und diejenigen, welche cash hatten, wollten nicht. Einfach weil sie hofften, das gibt's morgen noch billiger. Hier hat dann die Finanzpolitik wirklich sinnvoll geholfen. Weil dadurch wieder cash im Umlauf war.
Stock-picking versus ETF: hat mMn nix mit der Theorie zu tun. Weil es im gesamten Markt durchaus einzelne Titel geben kann, die langfristig schlecht(er) laufen. Wenn ich die für mich aussortiere, dann kann ich mit Stock-picking doch besser sein als der ETF. Setzt aber eben einiges an know-how voraus. -> siehe Buffett.
Fazit: Die Theorie ist reichlich simpel. Beschreibt auch (nur) simple Zusammenhänge. Ist trotzdem hilfreich, für das Verständnis der grundlegenden Abläufe an der Börse. Sie wird aber an vielen Stellen für Dinge "mißbraucht", für die sie nie konzipiert worden ist. Und: wenn man sich mit solchen Mechanismen mal etwas in Ruhe beschäftigt, dann kann einem das durchaus helfen. Ich profitiere immer noch von meinen extrem guten Einkaufskursen Ende 2008. Da habe ich damals seeehr lange gewartet, bis ich zu kaufen anfing. Weil mir ziemlich schnell klar war, das es eben nicht um eine Bewertungsfrage, sondern um eine cash-Frage bei den Markteilnehmern ging. Und das man auf Preise kurz über Liquidationsniveau hoffen durfte. Anderenfalls hätte ich wie so manch anderer, damals u. U. schon im Oktober gekauft, weil: "die Kurse ja so schön zurückgekommen waren und fundamental doch überhaupt kein Grund für die niedrigen Preise bestand."
Also manchmal durchaus was wert. dieser akademische Krimskrams...
Viele Grüße Ralf |