E.ON/RWE: Comeback der Versorger?
sie waren diesmal nicht die Stars der schwachen Börsenentwicklung der vergangenen 18 Monate und wurden mit dem Gros der Aktien in die Tiefe gezogen: Versorger-Aktien. Der Absturz kam aber nicht ganz unerwartet, gehörte das Segment mit zu den stärksten Profiteuren der Hausse von 2003 bis 2007. Getrieben wurden die Papiere vor allem von der Deregulierung der europäischen Stromversorger-Netze und den dem starken Preisauftrieb an den Rohstoffmärkten. Spekulationen über Zusammenschlüsse und Fusionen führten zu einem intensiveren Preiswettbewerb um die Filetstücke und schließlich auch zu einem ansehnlichen Schuldenberg der Marktführer auf europäischer Ebene. Mit dem Absturz der Weltwirtschaft belasteten somit nicht nur die stark rückläufige Nachfrage aus der Industrie, sondern auch die schlechteren Refinanzierungsbedingungen an den Kapitalmärkten die Kurse. Dennoch gehörten die Versorger zu den ersten Unternehmen, die mit neuen Emissionen am Anleihemarkt wieder für einig wenig Zuversicht unter den Marktteilnehmern sorgten. Hierin zeigt sich die nach wie vor hohe Anziehungskraft, die die Unternehmen auf die Investoren ausstrahlen. Im Vergleich mit anderen Sektoren liegt der Stoxx-Branchenindex in der Kursentwicklung dieses Jahres jedoch weit abgeschlagen an letzter Stelle. Während der Gesamtmarkt wenigstens schon ein Plus von 13 Prozent erwirtschaftet hat, hinken die Versorger mit einem Minus von 2 Prozent noch hinterher. Das sollte sich in der zweiten Jahreshälfte ändern.
Konservative Strukturen wurden reformiert
Der Grund für die aktuelle Bewertung ist die weniger konservative Ausrichtung der Unternehmen. Gerade die deutschen Marktführer E.ON und RWE haben ihr Gasgeschäft deutlich ausgebaut und sich damit ein gutes Stück in Richtung Konjunkturabhängigkeit bewegt. Der Vorteil, der dem Sektor in früheren Zeiten deshalb zugebilligt wurde, hat dadurch im Umfang ein erhebliches Stück abgenommen. Die hohen Kosten für das laufende Kraftwerksgeschäft haben die Marge in den letzten zwölf Monaten zusätzlich belastet. Mit den aufkeimenden Konjunkturhoffnungen dürfte die „Nachzüglerbranche" aber ihre rote Laterne bald abgeben. Versorger-Aktien gelten als ausgemachte Spätzykliker, die erst im späteren Konjunkturverlauf deutliche Zugewinne verzeichnen. Insbesondere bei einem Anspringen der Industrieproduktion nimmt das Interesse für die Titel wieder zu. Die Diskussion um weitere Investitionen in die Solar- und Windenergie zeigen hingegen auf kurze Sicht kaum nachhaltige Auswirkungen auf die Aktienkurse. Für die Gewinnentwicklung der Unternehmen spielt diese Form der Energiegewinnung noch keine spürbare Rolle. Anders dürfte dies bei der kommenden Entwicklung eines marktfähigen Elektroautos sein, bei dem die Versorger neue Absatzmärkte über „Stromtankstellen" zu erschließen hoffen. Die Kooperation zwischen Daimler und E.ON ist dafür Beispielgebend.
Günstige Bewertung, hohe Dividendenrendite
Besonderes Augenmerk dürften die institutionellen Investoren auf die günstigen Bewertungen bei E.ON und RWE werfen. Während E.ON mit einem KGV von 9,1 und einer Dividendenrendite von 5,8 bereits attraktive Kennzahlen aufweist, kann RWE in den gleichen Kategorien mit 8,6 und 7,7 sogar noch etwas drauf legen. Sollte sich die angedeutete Konjunkturerholung als nachhaltiger als bisher vom Markt angenommen herausstellen, dürften die Versorger-Titel wieder eine bessere Performance als der Marktdurchschnitt in den kommenden erreichen. Die steigende Energienachfrage wird an den Rohstoffmärkten bereits eingepreist und wird sich in absehbarer Zeit auch in den Margen bei Strom und Gas wiederspiegeln. Zudem haben E.ON und RWE durch größere Sparprogramme die durch Übernahmen entstandenen Schuldenberge entscheidend abtragen können. Das Chance/Risiko-Verhältnis für die Branche hat sich auch auf internationaler Ebene damit klar verbessert.
Nächstes Ziel: Der noch gültige Abwärtstrend
Von dem einstigen Rekordkurs bei knapp 51 Euro Anfang 2008 ist die E.ON-Aktie zwar noch ein gutes Stück weg, die Tiefststände von 17,50 Euro im Rahmen der jüngsten Baisse hat das Papier aber auch deutlich hinter sich gelassen. Seit April pendelt E.ON mehr oder weniger stark um die Kursmaekr von 25 Euro herum und bildet mit einer ähnlichen Seitwärtsphase auf gleichem Niveau im letzten Quartal 2008 sowie dem Tiefpunkt aus dem März 2009 eine umgekehrte Schulter-Kopf-Schulter- Formation aus. Abgeschlossen wäre diese Trendformation aber erst, wenn der Kurs in absehbarer Zeit wieder über 35 Euro stiegen würde. Bis dahin ist es allerdings noch ein beachtenswertes Stück. Zunächst müssen die Bullen erst einmal den seit Anfang 2008 gültigen Abwärtstrend bei 30 Euro in Angriff nehmen. Dafür stehen aber die technischen Rahmenbedingungen günstig, denn der Trendfolge-Indikator MACD befindet sich derzeit im Kauf-Modus, während die Stochastik ein fast überverkauftes Niveau in der Aktie zeigt. Die seit Anfang des Monats laufende Mini-Konsolidierung oberhalb von 26 Euro weist zudem einen bullischen Charakter auf, denn die Schwankungen nehmen deutlich ab und Verkaufsdruck ist kaum zu verspüren. Dafür sorgen die Schnäppchen-Jäger und der Terminmarkt für eine konstante Nachfrage in der Aktie. Schließt die Aktie in den kommenden Tagen oberhalb von 27 Euro, ist ein weiteres Anziehen bis 30 Euro innerhalb weniger Tage zu erwarten. Ein Überschreiten der dort vorzufinden Abwärtstrendlinie würde weitere Kursgewinne bis 34,50 Euro ermöglichen, ist aber kurzfristig wohl noch kein Thema. Kritisch würde es für die Bullen, wenn es den Bären gelänge, das Papier nochmals unter 23,50 Euro zu drücken. Ein rasches Abrutschen bis 20 Euro wäre dann kaum zu verhindern.
Quelle: Investor Verlag ----------- Gruss C H R I S |