Ich trade seit 1998 fulltime und nur für meinen eigenen Lebenserwerb. Und was ich gelernt habe in diesen 21 Jahren laesst sich wie folgt zusammenfassen:
1. Wenn eine Aktie auf wallstreet-online oder hier auf ariva kontrovers diskutiert wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit grösser dass sie faellt, als dass sie steigt. D.h. bis auf Ausnahmen sind die meistdiskutierten Aktien Underperformer. Warum dies so ist, dazu habe ich eine Theorie, jedoch bin ich jetzt zu müde dies auszuführen. Taucht also eine Steinhoff oder eben eine Wirecard in den top 10 auf, sollte man per se auf der Hut sein.
2. Wenn man sich die Argumente der Shorts und der Longs bei einer kontrovers diskutierten Aktie durchliest, ist ein wichtiger Indikator, die durchschnittliche Dauer an Jahren, die ein Poster schon in dem Forum ist. Im Zweifel würde ich IMMER zu der Seite tendieren, wo mehr "alte Hasen" sich aufhalten.
3. Wenn das Geschaeftsmodell und die Bilanzen einer Aktie zu schwierig sind, um sie mit einem IQ von 100 auf die Schnelle zu begreifen, dann sollte man diese Aktie meiden. Hier gibt es keine Tapferkeitsmedaillen. Leicht verdiente 100 Euro sind besser als schwerverdiente.
4. Punkt 3) legt nahe, dass es bewusst von der Geschaeftsführung schwierig und kompliziert gehalten wird. Gerade bei Wirecard haette der Vorstand schon lange, falls es gewollt worden waere, die Bilanzen und die Finanztransaktionen viel transparenter darstellen können, OHNE DASS DAS OPERATIVE GESCHAEFT AUCH NUR EINE SPUR SCHLECHTER GELAUFEN WAERE. Hat es aber nicht. Seit Jahren nicht. Da sollte man sich fragen, warum?
5. MUSS man wie bei Wirecard über tausend verschachtelte Tochterunternehmen agieren, oder WILL man es? Dies ist die Frage der Fragen. Wer diese Frage für sich beantworten kann, kann beruhigt long oder short gehen. Oder eben an der Seitenlinie zuschauen.
6. Ich habe in meiner Karriere ganz ganz selten Shortsqueeze erlebt, die laenger als ein paar Stunden oder Tage dauerten. VW Vorzüge 2008 war z.B. so einer. Es gab und gibt sie, aber sie sind viel seltener (um den Faktor 100 vielleicht) als gemeinhin angenommen.
7. Ein Long kann nur seinen Einsatz verlieren, also max. 100%. Ein Short hat theoretisch ein unendliches Verlustrisiko und nur eine begrenzte Gewinnchance, da die Aktie ja nicht unter null fallen kann. Welche Gruppe recherchiert wohl intensiver bevor es ein Engagement eingeht? Ich sage nicht, dass sich Shorts nicht irren können. Ich meine dies allgemein.
8. Immer, immer, immer, immer mit Stops arbeiten. Ich will über diesen Punkt nicht diskutieren. Ihr könnt mir abnehmen, dass ich das in jungen Jahren oft tat, und dass die meisten mit denen ich damals diskutierte schon lange von den Maerkten weggespült wurden.
9. Spaetestens bei einem Schlusskurs unter 90 Euro (tief vom Februar 2018) würde ich als Long alles verkaufen. Nichts mehr analisieren, nichts verstehen wollen, nicht nachdenken, nicht posten. Nur verkaufen. Ich fürchte, wer dann den Absprung verpasst, der bekommt keine weitere ordentliche Gelegenheit mehr.
Hier noch meine persönliche Meinung zu Wirecard. Es sind für mich zu viele Ungereimheiten, die man zwar einzeln wegerklaeren kann, aber nicht in toto. Ich bin über Derivate short (Put gekauft und einen tieferen Put verkauft, also quasi ein Discountput).
10. Die "Profis", die anderer Leute Geld verwalten, also nicht mit ihrem eigenen Geld taeglich im Feuer sind, haben regelmaessig eine besch... Performance als der Index. Bevor ich ihnen mein Geld anvertrauen würde, würde ich lieber ein paar passive Indexfonds kaufen wollen. Da kommt nach 10 Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr heraus. Die Peter Lynch sind rar gesaet. |