von Mark Ehren Die EZB deutet höhere Zinsen an und die US-Notenbank scheint von Zinsensenkungen die Nase voll zu haben. Müssen sich die Anleger in Zukunft auf drastisch höhere Zinsen einstellen?
Die Anleger am Rentenmarkt hatten in den vergangenen drei Monaten nicht viel zu lachen. In Deutschland entwickelte sich die Umlaufrendite, ein wichtiges Marktbarometer für das Zinsniveau, deutlich nach oben. Um 0,85 Prozentpunkte zog die Durchschnittsverzinsung für erstklassige Anleihen an, entsprechend stark sackten die Anleihekurse ab.
EZB und Fed wollen bremsen Der Anstieg wurde von mahnenden Worten von Notenbankern rund um den Globus begleitet, die vor einer ausufernden Inflation warnen. Am Donnerstag sorgte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, für einen Paukenschlag: Der Preisdruck bei Energie und Nahrungsmitteln habe nochmals zugenommen. Bei der nächsten Sitzung des EZB-Rates sei eine Zinserhöhung möglich. Man sei in einem "Zustand erhöhter Alarmbereitschaft". Damit fielen Trichets Warnungen noch drastischer aus als in den Monaten zuvor.
Nach mehreren Zinssenkungen in Folge zeichnet sich auch bei der US-Notenbank Fed ein Stimmungsumschwung ab. Die beiden bei Zinsentscheidungen stimmberechtigten Fed-Mitglieder Richard Fisher und Gary Stern sorgten vergangene Woche für Unruhe an den Märkten. Die Notenbank müsse sich an einem gewissen Punkt von ihrer bisherigen Lockerung der Geldpolitik verabschieden, um die Inflation einzudämmen, sagte Stern, seines Zeichens Präsident der Notenbank von Minneapolis. "Die Inflation ist ein unheimliches Biest", ergänzte sein Kollege Fisher aus Dallas.
Kreative US-Statistiker Kritische Marktbeobachter zweifeln sowieso schon seit längerem die offiziellen Inflationsraten an. Folker Hellmeyer, Analyst der Bremer Landesbank spricht in diesem Zusammenhang von der "US-Statistikküche".
In der Vergangenheit wurden die Kriterien für die Berechnung der amerikanischen Inflationsraten stark verändert. Besonders kreativ waren die Statistiker unter der Präsidentschaft von Bill Clinton. Die Betreiber der Internet-Seite "Shadow Government Statistics" haben nachgerechnet: Legt man die alten Berechnungsmethoden zugrunde, läge die Inflationsrate in den USA derzeit bei über sieben Prozent, anstatt der offiziell ausgewiesenen rund vier Prozent.
Aktienmarkt mit Nehmerqualitäten Wäre die Entwicklung wie im Lehrbuch verlaufen, hätte die Aussicht auf steigende Zinsen die Aktienmärkte belasten müssen. Doch die gingen seit März auf Erholungskurs. Der Dax gewann beispielsweise mehr als 1.000 Punkte.
Hohe Zinsen dürften ihre Wirkung nicht verfehlen Doch bei steigenden Zinsen droht den Aktienmärkten gerade längerfristig Ungemach, meint Robert Rethfeld, Herausgeber des Börsendienstes "Wellenreiter-Invest". Die Zeiten sinkender Zinsen und Inflationsraten sind seiner Meinung langfristig vorbei. Nach fast 30 Jahren mit sinkenden Inflationsraten und Zinsen deutet sich laut Rethfeld hier eine nachhaltige Trendwende an. (s. a. "Die Zinsen könnten 30 Jahre steigen"). |