Die Grenzen der Solidarität - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots) - So schnell stößt Solidarität in einer Welt ohne Grenzen an ihre Grenzen. Da hilft auch eine noch so große Empörung über die Gewinne von 90 000 Euro je Mitarbeiter nicht weiter, die die Nokianer in Bochum für den finnischen Konzern erarbeitet haben.
Die Spielregeln der globalen Ökonomie fallen deutlich zu Gunsten des Kapitals und zu Lasten der Arbeitnehmer aus. Eine Fabrik für eine vergleichsweise einfache Fertigung kann heute fast überall auf der Welt stehen, die Heimat der Arbeitnehmer aber bleibt, wo sie ist. Wenn es um den eigenen Arbeitsplatz geht, das eigene Auskommen, ist auch den Gewerkschaftern das Hemd näher als der Rock. Wer wollte das den Finnen verübeln?
Wie soll eine internationale Solidarität aussehen, wenn ein weltweiter Konzern via Kostenrechnung auf den Punkt genau die Rendite der einen Fabrik gegen die der anderen stellt, wie das vor drei Jahren auch Opel schmerzlich zu spüren bekam?
Es gibt keine einfachen Antworten auf die Folgen der Globalisierung, da hat Kardinal Lehmann Recht. Gewiss, der Wegfall der Grenzen in Europa führt zu einem enorm wachsenden Wettbewerb und Kostendruck unter den Unternehmen. Nun ist aber das Europa ohne Grenzen auch gelebte Friedenspolitik. Wer miteinander handelt, wer eine gemeinsame Währung hat, der schießt nicht aufeinander. Das war immer der Antrieb für die Politik des Europäers Helmut Kohl.
Und dann ist da noch die nicht weniger komplizierte Antwort auf die Frage nach der Gerechtigkeit: Das Schicksal der Nokianer in Bochum ist eine Chance für Rumänien. Wer wollte Arbeitnehmern aus China, Indien oder Rumänien das Recht absprechen, am weltweiten Wohlstandswachstum Teil zu haben? "Keiner, aber bitte nicht zu unseren Lasten" - das ist gemeinhin die Antwort, die freilich keine ist. Eben weil die Grenzen fehlen.
Was ist also zu tun? Klar ist, dass die Politik die nationale Subventionitis bekämpfen muss. Sie verzerrt den Wettbewerb. Zugleich muss sie die Zusammenhänge erklären. Dazu gehört auch, dass gerade Deutschland als Exportnation vom wachsenden Wohlstand der Polen oder Rumänen profitiert. Mittelfristig schafft das Arbeit in Deutschland. Nokia muss für die Exekution ihres kalt-kapitalistischen Kalküls bezahlen. Das ist gut so. Das Handy wegzuwerfen, mag gut gemeint sein. Eine Antwort auf die drängenden Fragen ist das nicht. |