Nokia brüskiert Telecom-Konzerne
Der finnische Handy-Hersteller Nokia strotzt vor Selbstbewusstsein. Die Kasse ist prall gefüllt, die Palette der Mobiltelefone so umfangreich wie nie zuvor und Vorstandschef Olli-Pekka Kallasvuo hat eine klare Vision, wie der Weltmarktführer seine Position noch ausbauen könnte. Künftig wollen die Finnen nicht mehr nur einmalig beim Handy-Verkauf verdienen, die Verbraucher sollen über die Nokia-Geräte auch die schöne bunte Welt der Internetdienste kennenlernen. Über das Portal Ovi werden die Kunden Musik, Spiele und Navigationsdienste auf das Handy laden können – ein umsatzträchtiges Geschäft, sagen Experten voraus.
Für die Präsentation seiner mobilen Alleskönner suchte sich Kallasvuo einen passenden Ort aus: Vor rund 500 Menschen stellte der Finne in einem kirchenähnlichen Bau nahe dem Hafen von Barcelona die neuen Geräte vor. Statt konkreter Planzahlen serviert Kallasvuo lieber eine Show mit viel Pomp und bunten Filmchen. Auch wenn er zu Zahlen schweigt, den Ausbau des jungen Geschäftsfelds lässt sich Nokia einiges kosten. So fallen alleine 8 Milliarden Dollar für den Kauf des US-amerikanischen Anbieters digitaler Straßenkarten Navteq an.
Während der Manager öffentlich mit Ovi prahlt, wird es in Gesprächen mit den Kunden hinter verschlossenen Türen ungemütlich. Vielen Telecom-Konzernen schmeckt der Einstieg des Handy-Massenherstellers in das Dienstegeschäft nicht. Denn Schwergewichte wie die Deutsche Telekom und Vodafone hoffen selbst auf Einnahmen aus dem mobilen Internet, um Rückgänge in der Sprachtelefonie auszugleichen. Während Vodafone-Chef Arun Sarin noch zurückhaltende Töne anschlägt, redet T-Mobile-Chef Hamid Akhavan Klartext: "Uns gefällt das nicht." Seit drei Monaten verhandele die Telekom mit Nokia, um die Interessenkollision zu beseitigen. "Wir werden keine Ovi-Telefone im Regal haben, bis wir eine Einigung mit Nokia haben." Er sei aber zuversichtlich, dass dies gelingen werde, schiebt er nach.
Akhavan stellt für den Interessenkonflikt eine einfache Rechnung auf: Man kauft von Nokia ein Handy zum Beispiel für 600 Euro, gibt es für 200 Euro an die Kunden weiter – und dann machen die Finnen einem auch noch die Dienste-Erlöse streitig, aus denen die Differenz finanziert werden soll. "Ich hoffe, dass so etwas in Zukunft nicht so oft passieren wird", resümiert er als Warnung an andere Handy-Hersteller.
Es ist kaum wahrscheinlich, dass sich Nokia von den Protesten beeindrucken lässt. Das Unternehmen braucht dringend eine neue Wachstumsstory, denn Verfolger wie Apple knabbern am Umsatzkuchen des Branchenprimus. Auch wenn Apple mit seinem iPhone noch bescheidene zehn Millionen Handys in diesem Jahr verkaufen will – Nokia bringt über 400 Millionen an die Kunden. Der US-Konzern wird aber den enormen Nachfragesog nach dem iPhone in bare Münze umsetzen und könnte Nokia langfristig Marktanteile abnehmen, lautet die Rechnung von Marktforschern. Zudem wachsen mit Samsung und Sony Ericsson Gerätehersteller heran, die Nokia mit innovativen Modellen zusetzen. Mit Erfolg, wie ein Manager eines Mobilfunkanbieters sagt. "Die Produktpalette der beiden für das kommende Jahr ist sehr attraktiv."
Die Anbieter könnten also am Thron von Nokia sägen. Der Konzern kennt die Situation: Der einst üppige Marktanteil war vor einigen Jahren massiv eingebrochen und auf unter 30 Prozent gefallen. Der Grund dafür waren Lücken in der Handy-Palette, wichtige Entwicklungen wie Klapphandys hatte das Unternehmen verschlafen. Mit einer enormen Kraftanstrengung arbeitete sich Nokia aus dem Tal heraus und schraubte seinen Marktanteil wieder auf 40 Prozent. Kallasvuos Vorgänger, Jorma Ollila, musste mit seiner Strategie – dem massiven Verkauf von Billiggeräten in Schwellenländern wie Indien und China – Prügel von Finanzanalysten einstecken. Denn er nahm dafür niedrigere Margen in Kauf – zumindest vorübergehend, denn die Gewinne sprudeln jetzt üppiger als je zuvor. (Martin Murphy, dpa-AFX) / (anw/c't) |