HANDELSBLATT, Mittwoch, 12. Dezember 2007, 10:07 Uhr Viele Menschen, die lange Zeit recht sorglos mit ihrem Energieverbrauch umgegangen sind, wissen mittlerweile, dass sich etwas an ihren Gewohnheiten ändern muss. Umweltschutz kostet. Und die die Regierung sollte den Bürgern ehrlich sagen, was auf sie zukommt. Selbst in den USA, die sich bislang dem Kyoto-Protokoll verweigerten und die bekanntlich den Löwenanteil beim Energieverbrauch und den Schadstoffemissionen verantworten, wachen die Menschen seit der Klimaschutzkampagne von Al Gore langsam auf. Und sogar in China begreift man, dass der Boom des riesigen Landes Emissionssteigerungen hervorruft, die man nicht ignorieren darf. Hierzulande haben die Menschen schon längst vor Al Gore begonnen, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Man spricht sogar von einer Vorreiterrolle Deutschlands. Bei der Weltklimakonferenz in Bali präsentierte sich Deutschland konsequenterweise als ökologischer Musterschüler. Die Bundesregierung hat den Ehrgeiz, den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Daran ist an sich wohl nichts auszusetzen. Bleibt allerdings die Frage, welche Konsequenzen dieses ehrgeizige Ziel nach sich zieht. Den Bürgern wird momentan gerne erzählt, dass sich die Öko-Kur quasi selbst trage – nach dem Motto: Wir steigen auf alternative Energien um und reduzieren damit nicht nur die schädlichen Emissionen, sondern sparen auch noch Geld und schaffen zusätzlich Arbeitsplätze. Das ist eine schöne Rechnung, nach der unser Portemonnaie schwerer und unser Gewissen leichter wird. Doch leider ist sie nicht vollständig. So bequem können wir das Klima nämlich nicht retten. Umweltschutz kostet. Daraus sollten wir zwar nicht den Schluss ziehen, auf ihn zu verzichten. Aber man sollte den Bürgern die ganze Wahrheit sagen. Denn nur wenn die Menschen das Gesamtpaket akzeptieren und im demokratischen Willensbildungsprozess unterstützen, wird es auch dauerhaft funktionieren und nicht mit der nächsten Regierung wieder entsorgt. Doch die wahren Präferenzen von Bürgern treten nicht zutage, wenn man ihnen vorgaukelt, alles sei kostenlos zu bekommen. Da sagt jeder erst einmal Ja. Verheimlicht wird gerne, dass die deutsche Windkraft-, Solarstrom- und Biogasindustrie nicht zuletzt deswegen so hohe Umsätze, Jobzuwächse und Kursgewinne zu verzeichnen hat, weil der Absatz von gut bezahltem Ökostrom staatlich garantiert wird. Nicht die Förderung an sich gibt Anlass zur Kritik. In der Energiebranche wurde schließlich häufig gefördert und subventioniert – vom Kohlebergbau bis zur Kernenergie –, weil sie für die Wirtschaft und Gesellschaft stets eine strategische Dimension besaß. Jetzt, wo das Klima bedroht ist, muss eine ökologisch effiziente Energiegewinnung gefördert werden. Doch Subventionen und Schutzklauseln kosten die Bürger Geld – entweder über das Steuersystem oder über Wettbewerbsverzerrungen. Beides wird schon jetzt bitter beklagt. Deshalb darf bei der Diskussion erstens nicht verschwiegen werden, dass die längere Nutzung der Kernenergie mit Abstand die kostengünstigste und effektivste Methode wäre, den Kohlendioxidausstoß auf das gewünschte Maß zu verringern. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass weltweit und sogar bei unseren Nachbarn weiter in die Atomkraft investiert wird, ist die hohe Priorität, welche Deutschland dem frühzeitigen Abschalten der Atommeiler zumisst, fragwürdig. Langfristig bietet die Atomkraft natürlich keine Lösung. Allein die Verfügbarkeit des Rohstoffes Uran und die Endlagerprobleme setzen hier Grenzen. Auch darüber dürfen keine Illusionen herrschen. Zweitens macht die Konzentration auf nachwachsende Rohstoffe ökologisch und ethisch nicht immer Sinn. Wenn etwa wegen der für Biokraftstoff und Biogas benötigten Agrarprodukte der Regenwald weiter abgeholzt und in der Bioethanolproduktion enorme Wassermengen verbraucht werden, ist das ökologisch kontraproduktiv. Und die daraus unweigerlich resultierenden Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind weder für uns erfreulich noch gegenüber jenen moralisch zu rechtfertigen, die schon jetzt unterhalb der absoluten Armutsgrenze leben. Erst auf der Grundlage einer vorurteilsfreien und realistischen Kosten-Nutzen-Analyse können die Bürger ihre wahren Präferenzen und Opferbereitschaft prüfen. Hier kann und hier sollte die Bundesregierung durchaus für die gute Sache werben, aber auch klar sagen, was nötig ist, um die ehrenwerten Ziele vernünftig zu verfolgen. Das muss ideologiefrei, nüchtern und besonnen geschehen. Es bedarf bei alledem keiner langen Überlegung, sich klarzumachen, dass die beste Klimaschutzpolitik diejenige ist, die auf die Reduzierung des Verbrauchs wirkt. Wer wenig verbraucht, emittiert auch wenig Schadstoffe. Hier muss der Staat aus echter Überzeugung bereit sein, die mit einer Vermeidungspolitik verbundenen Steuereinbußen in Kauf zu nehmen. Der Beschluss, neue Standards bei Neubauten zu etablieren und die Renovierung von Altbauten aktiv zu fördern, ist sicherlich ein Schritt in diese Richtung. Es gibt noch eine Menge weiterer Möglichkeiten. Im warmen Australien etwa will man die wenig effektiven Glühbirnen verbieten. Mit der Umstellung auf energiesparende Leuchtstoffe könne jeder Australier etwas zum Klimaschutz beitragen. Wir Deutsche, die bereit sind, in einer konzertierten Aktion einmalig fünf Minuten die Lichter auszuschalten, sollten uns lieber am Pragmatismus der Australier ein Beispiel nehmen und nach Wegen suchen, gleichzeitig Energieverbrauch und -kosten dauerhaft zu senken. |