Renaissance der Atomkraft
Der Evonic-Chef warnt im Capital-Interview vor Alleingängen in der Umweltpolitik und vor Behinderungen beim Ausbau von Kohlekraftwerken. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Schröder hält nach wie vor eine Teilprivatisierung der Bahn für nötig.
Der Vorstandschef der Essener Evonik Industries AG, Dr. Werner Müller, fordert im Interview mit Capital (Ausgabe 26/2007, EVT 6. Dezember) klare Entscheidungen in der deutschen Energie- und Umweltpolitik: „Wir brauchen endlich politisch kalkulierbare Rahmendaten. Ich weiß beispielsweise nicht, ob und wie viel CO2-Zertifikate ich hierzulande für unsere Kraftwerke und die Chemie ab 2013 brauche und woher ich sie erhalte.“
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Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister warnt vor einem Exodus der heimischen Wirtschaft, falls keine neuen Kohlekraftwerke genehmigt würden: „Wenn die stromintensive Industrie auswandert, dann kommen wir mit einem stark gedrosselten Kraftwerksneubau durchaus hin. Die Industrie ist der größte Einzelverbraucher von Strom. Wenn man sie aus Deutschland vertreibt, dann brauchen wir auch keine neuen Kraftwerke. Die Politik kann das nicht ernsthaft wollen.“
Müller prognostiziert im Capital-Interview eine Renaissance der Atomkraft: „Vor allem die SPD wird merken, dass der harte atomkritische Kurs nicht ohne Risiko ist. 2009 könnte die CDU im Wahlkampf längere Laufzeiten für Kernkraftwerke fordern, spätestens aber im Wahlkampf 2013. Dann wird es zu einer Diskussion kommen, ob sogar neue Anlagen gebaut werden.“
Bei der Umweltpolitik warnt Müller vor Alleingängen Deutschlands: „Ich halte eine harte Klimapolitik global für notwendig. Aber sie muss national reversibel sein. Falls andere Länder uns als Vorreiter nicht folgen, haben wir nichts davon. Das Klima würde weiter leiden, doch unsere Wirtschaft wäre stark geschwächt und die Investitionen würden in Länder mit weniger harten Rahmenbedingungen wandern.“
Müller, der zugleich Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn ist, beharrte gegenüber Capital darauf, den Privatisierungsfahrplan fortzusetzen: „Es darf kein Zurück auf dem Weg zur Teilprivatisierung geben. Sonst bliebe die Bahn ein reiner Staatsbetrieb. Auch der Frust der GDL hängt damit zusammen, dass die Belegschaft seit vielen Jahren Lohnverzicht geübt hat. Wofür der riesige Aufwand, wenn lokale und globale Wettbewerbsfähigkeit keine Rolle mehr spielt? Gemessen daran stehen jetzt alle Parteien in der Pflicht, den 1994 angesichts von zehn Milliarden Mark Jahresverlust gestarteten Weg auch bis ans Ende zu gehen.“
capital.de, 10:13 Uhr © 2007 capital.de © Foto: dpa |