Arbeitsministerin drängt auf schnelle Karstadt-Rettung 23. Juni 2010, 16:44 Uhr
Jetzt drängt auch Ministerin von der Leyen, die Verhandlungen um Karstadt zu beschleunigen. Beim Betriebsrat liegen die Nerven blank. Insolvenzfall Karstadt
Regnet es? Oder kommt die Sonne durch? Das Wetter verhält sich oft ähnlich wie die Sachlage im Insolvenzfall Karstadt. Foto: dpa
Essen/London. Jetzt drängt sogar Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf eine schnelle Lösung im Fall Karstadt: Die Ministerin setze sich im Kontakt mit allen Beteiligten dafür ein, dass ernsthaft verhandelt werde, sagte ein Ministeriumssprecher. Der Grund: Neben den Arbeitsplätzen der 25.000 Karstadt-Beschäftigten seien weitere 30.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern bedroht.
Ob die Worte der Ministerin den Ausschlag gaben, ist nicht bekannt. Tatsächlich hieß es aber am Mittwochnachmittag in Verhandlungskreisen, Vertreter des designierten Karstadt-Eigentümers Berggruen und des Hauptvermieters Highstreet wollten sich noch am selben Tag in London zu weiteren Gesprächen treffen.
Ein Treffen Anfang vergangener Woche war ohne Ergebnis geblieben, weil Käufer und Vermieter sich nicht auf Mietsenkungen einigen konnten. Der von Berggruen unterzeichnete Kaufvertrag für Karstadt wird allerdings nur rechtskräftig, wenn eine Einigung mit Highstreet zustande kommt.
Unterdessen gerät Karstadt-Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt zunehmend in die Kritik. Er hatte in einem Brief an den Karstadt-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg eine Sondersitzung des Gläubigerausschusses gefordert. Görg lehnte die von Patzelt geforderte Sondersitzung des Gremiums ab, mit der laut Verhandlungskreisen Druck auf Berggruen ausgeübt oder sogar der Kaufvertrag mit ihm infrage gestellt werden sollte.
„Dafür gibt es im Augenblick weder Raum noch eine Notwendigkeit“, wies Görg die Forderung ab. In dem Brief betonte er: „An den Vertrag mit Berggruen bin ich gebunden, ob dies einzelnen Beteiligten nun gefällt oder nicht.“
Dem Milliardär hatten die Gläubiger vor zwei Wochen den Zuschlag für Karstadt erteilt, wenn er sich mit dem Vermieter-Konsortium Highstreet einigen könne, dem 86 der 120 Häuser gehören. Görg zeigte sich optimistisch, dass ihm das noch gelingen werde: er sehe „ernst zu nehmende Bemühungen der Highstreet-Kapitalgeber um einen Ausgleich der Interessen“. Goldman Sachs und der italienische Kaufhausunternehmer Borletti, der ebenfalls an Highstreet beteiligt ist, hatten selbst vergeblich um Karstadt gebuhlt.
Patzelts Vorstoß rückt die Rolle des Betriebsratschefs in der Insolvenz wieder ins Blickfeld. Einem Eckpunktepapier zufolge, das Reuters vorliegt, hatte er mit Highstreet im Mai über Bedingungen einer Übernahme von Karstadt verhandelt und dabei Zugeständnisse – etwa zu längeren Arbeitszeiten – gemacht. Auch von einem Verkauf einzelner Kaufhäuser ist darin die Rede. Die Belegschaft sollte dafür 15 Prozent am Unternehmen erhalten. In dem Papier heißt es außerdem, der ehemalige Karstadt-Chef Stefan Herzberg solle in sein Amt zurückkehren. Von ihm hatte sich Görg nach der Eröffnung der Insolvenz getrennt.
Patzelt sagte dem „Handelsblatt“, die Gespräche seien der Versuch einer Lösung für Karstadt gewesen. Das Papier sei nie zu Ende diskutiert worden. In Verhandlungskreisen hieß es, zu dem Zeitpunkt sei Berggruen als Bieter noch nicht in Sicht gewesen.
Die Gewerkschaft Verdi ging auf Distanz: Sie sei nicht an den Gesprächen beteiligt gewesen und erst nachher darüber informiert worden. Es wäre aber absurd, Patzelt zu unterstellen, dass er die Zerschlagung von Karstaft betrieben habe, sagte eine Sprecherin. |