Zu beneiden ist Harriet Green, die seit Mai den britischen Reisekonzern Thomas Cook führt, nicht. Seit geraumer Zeit haben immer wieder diverse Krisen das angeschlagene Unternehmen aus der Bahn geworfen: Vulkanausbrüche, politische Unruhen in den Reisedestinationen, ein schwacher heimischer Markt, Ölpreishochs, streikende Lotsen sowie rückgängige Buchungen im Pauschalreisegeschäft.
Doch nach zwei Jahren tiefroter Zahlen und einem Verlust von insgesamt mehr als einer Milliarde Pfund hofft man nun auf einen Neustart und die neue Chefin ist sozusagen das Ass im Ärmel. Die Britin kennt sich bestens mit dem Vertrieb von Produkten über Onlinekanäle aus und hat bereits ein mittelgroßes Unternehmen erfolgreich saniert. Als wertvoll dürften sich zudem ihre überaus guten Kontakte in die Finanzwelt erweisen. So kam die Wahl von Green bei den Börsianern gut an und der Titel hüpfte gleich merklich nach oben.
Tiefrote Zahlen. Ihren Fokus wird die Managerin allerdings auf die Kernsanierung des Konzerns richten, den sie mit einem harten Sparkurs wieder profitabel machen will. „Dieses Ergebnis können wir nur noch verbessern", sagte sie mit Blick auf die Zahlen des Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahres 2011/12.
Dem gibt es wahrlich nichts hinzuzufügen: Der Verlust weitete sich trotz gutem Sommergeschäft auf 590 Millionen Pfund aus - zurückzuführen ist dies einerseits auf immense Abschreibungen sowie auf die hohen Kosten für den Konzernumbau. Auch der Umsatz verringerte sich im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent und lag bei 9,5 Milliarden Pfund, wobei primär Auswirkungen der Währungsumrechnungen - das britische Pfund hatte stark gegenüber dem Euro aufgewertet - schlagend
wurden.
Dass es auch anders geht, zeigt TUI: Dank der hohen Nachfrage nach Luxusreisen erzielte der Mitbewerber einen neuen Rekordgewinn. Davon ist Thomas Cook noch weit entfernt, schließlich befindet sich das Unternehmen laut Green am Beginn einer Erholungsphase. So soll der Konzern mithilfe eines weitreichenden Maßnahmenpakets wieder auf Vordermann gebracht werden. Die ersten Schritte wurden bereits eingeleitet.
Um eine schlanke und zugleich
effiziente Geschäftsführung zu gewährleisten, wurden Schlüsselpositionen im Management ausgewechselt. So führt Zentraleuropa-Chef Peter Frankhauser seit November zusätzlich das schwierige Großbritannien-Geschäft. Auch der bisher für die Finanzen zuständige Vorstand Paul Hollingworth wurde ersetzt - durch Michael Healy.
Der zweite Bereich des Sparprogramms zielt auf das Kosten- und Liquiditätsmanagement ab. Demnach wird ein Teil der Flugzeugflotte verkauft und anschließend wieder zurückgemietet. Zusätzlich sollen geänderte Zahlungsbedingungen zu mehr Disziplin bei der Gebühreneintreibung führen.
Der Großteil der Sanierung dürfte allerdings den schwächelnden Heimmarkt Großbritannien betreffen. Dort wurden in den vergangenen Monaten Hunderte Reisebüros geschlossen, weitere werden folgen. Die Hauptkundschaft sind junge Familien mit Kindern, die sich derzeit weniger Urlaube leisten können.
Der letzte Bereich umfasst schließlich einen vermehrten Fokus auf den viel zu lange vernachlässigten Onlineauftritt des Unternehmens. Insgesamt sollen durch diese Sanierungsschritte schon im kommenden Jahr 100 Millionen Pfund eingespart werden. Genauere Details dazu werden allerdings erst im Frühjahr veröffentlicht.
Schatten seiner selbst. Angesichts der verheerenden Ergebnisse ist es wenig überraschend, dass Thomas Cook an der Börse ein Schatten seiner selbst ist. Mit 25,75 Pence hat die Aktie heute nur noch einen Bruchteil des Werts zur Zeit der Fusion mit dem britischen Veranstalter Mytravel im Jahr 2007. Damals debütierte das Papier mit 320,50 Pence an der Londoner Börse. Insbesondere seit Mitte des vergangenen Jahres kam der Titel kaum mehr vom Fleck und bewegte sich lediglich innerhalb der Spanne zwischen zehn und 30 Pence.
Der Zielkurs der Analysten liegt indessen bei 20,25 Pence, was, bezogen auf das aktuelle Niveau einem Verlust von rund 20 Prozent entspricht. So raten auch nur drei von insgesamt 19 Aktienexperten zum Kauf des Papiers, für das derzeit auch keine Dividende ausgeschüttet wird. Im Branchenvergleich punktet der Touristikkonzern vor allem mit deutlich günstigeren Verhältnissen von Kurs zu Buchwert und Umsatz.
Fazit. Grundsätzlich stellen sich die Aussichten für den Konzern gar nicht so düster dar. Obwohl die Reisebranche signifikant von der Konjunktur abhängig ist, dürfte es von dieser Front zu keinen einschneidenden Rückschlägen kommen. Die Zahl der weltweiten Ankünfte soll laut der World Tourism Organisation der Vereinten Nationen heuer um vier Prozent ansteigen und damit die Milliardengrenze überschreiten.
Auch intern stellt man sich den Herausforderungen und will mit dem weitreichenden Sparprogramm den Turnaround schaffen. Vom Kauf raten wir derzeit aber noch ab: Anleger sollten zumindest noch die Details der diversen Maßnahmen abwarten.