Fall A:
Die Ukraine wird in ihren jetzigen Grenzen komplett in die EU und in die Nato aufgenommen. Dabei könnte sie auch zu einem föderalistischen Staat werden, wie es kürzlich Gabriel vorschlug. Die Bundesstaaten würden weit autonomer agieren als unter Janukowitsch. Die Krim würde aber weiter russisch bleiben.
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Fall B: (realistischer)
Die Ukraine in ihren jetzigen Grenzen wird in der Mitte (Kiew/Dnjepr-Linie) geteilt.
- Die Westukraine wird ein gesonderter Staat, der EU- und Nato-Mitglied wird (ähnlich Polen und Baltikum).
- Die Ostukraine wird ein gesonderter Staat, der sich an Russland orientiert und Mitglied der eurasischen Wirtschafts-Union wird.
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Was will "der Westen"
Er will eine Lösung gemäß Fall A. Idealerweise soll auch die Krim wieder der Ukraine zugeschlagen werden. Letzteres dürfte jedoch politisch kaum erreichbar sein (egal wie hoch die Sanktionen geschraubt werden), und vermutlich nicht mal militärisch.
Für die Durchsetzung von A setzen sich die ukrainischen Oligarchen um Poroschenko und Timoschenko ein. Dabei geht es ihnen aber fast ausschließlich um ihre privaten bzw. finanziellen Interessen. Zu Sicherung ihres Status brauchen sie zwingend das "geopolitische Ross" des Westens, dem sie sich deshalb auch verschrieben haben. Im Auftrag des Westen führen sie den Bügerkrieg gegen die Ostukraine aus. Um diesen Krieg, der ihnen den West-Support sichert, möglichst lange auszudehnen, erheben sie unrealistische Forderungen wie die Rückeroberung der Krim. An der Krim ist auch der Westen aus militärischen und geopolitisch Gründen stark interessiert ist.
Da die Oligarchen in der Regel opportunistische Wendehälse sind, muss Ihr Orientierung nicht immer so bleiben.
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Was will Putin? Er will eine Lösung gemäß Fall B.
Eine militärische Annexion der Ostukraine kann Putin sich unter dem aktuellen geopolitischen Druck (USA, EU, Nato) politisch nicht leisten.
Eine Übernahme via Sezession ("Krim-Stil") dürfte ebenfalls scheitern, und zwar nicht nur wegen des obigen geopolitischen Drucks, sondern auch deshalb, weil Russland diese Sezession finanziell überhaupt nicht stemmen könnte. Schon die Krim-Übernahme wurde wesentlich teurer als erwartet und setzt dem wegen der Sanktionen angeschlagenen Russland stark zu.
Die Ukraine ist finanziell ein hochverschuldetes "Fass ohne Boden". Wer sie (ganz oder teilweise) übernimmt, läuft große Gefahr, sich finanziell zu "verheben". Das gilt auch für Europa. Eine Aufnahme der Ukraine oder Westukraine in die EU (bzw. später Eurozone) verspricht unter Finanzaspekten noch katastrophaler zu werden als die Eurozonen-Aufnahme Griechenlands.
USA will die "Eingemeindung" der gesamten Ukraine (idealerweise inkl. Krim), um Erzfeind Russland unter Druck zu bringen. Fernziel ist der Sturz Putins und eineEuromaidan in Moskau. Der Nasstraum der Ami-Kapitalisten wäre, den immensen Rohstoff-Reichtums Russlands abzugraben, wie sie es gerade in der Ukraine versuchen. Wenn die Amis finanzielle Kontrolle über Russlands Rohstoffe hätten, dann bräuchten sie auch das Zusammenwachsens Europas mit Russland nicht mehr zu fürchten.
Den Amis kommt zugute, dass die extrem Kosten, die für Europa durch die "Eingemeindung" der Ukraine entstehen, überwiegend von Europa selbst beglichen werden müssten. Die Ukraine würde für Europa ein ökonomischer "Klotz am Bein". Europa würde dadurch noch weiter geschwächt (als jetzt durch die PIIGS), was den Weltleitwährungs-Status des US-Dollars zementiert.
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Die aktuell praktizierte Politik sowohl des Westens als auch Russlands wird dazu führen, dass die Ukraine über kurz oder lang ökonomisch zusammenbricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bürgerkrieg noch lange anhält und im Osten ggfs, bei formalem "Sieg" der ukrainischen Truppen, in einen Partisanenkrieg umschlägt.
Dies wird mit Sicherheit starke Rivalitätskämpfe unter den ukrainischen Oligarchen auslösen. Putin könnte die Übernahme der Ostukraine erst dann ökonomisch stemmen, wenn die Ukraine formal pleite ist. Es gibt sehr viele westliche Gläubiger, die dann ihr Geld nicht wiedersehen. Würde Putin die Ostukraine jetzt schon übernehmen, würde er nicht nur mit erneuten Völkerrechtsvorwürfen konfrontiert, sondern er müsste auch für die Altschulden einstehen, insoweit diese nicht von russische Gläubigerbanken gehalten werden. Unter diesen Prämissen ist ein Einmarsch Putins äußerst unwahrscheinlich. |