Hoffe das hatten wir noch nicht! Ist vom 10.02.2015
Von einer Glückssträhne kann Alibaba-Chef Jack Ma seit dem viel beachteten IPO-Weltrekord im September wahrlich nicht sprechen. Bei der Vorlage der Bilanz für das vierte Quartal legten zwar die Umsätze deutlich zu, die Gewinnzahlen enttäuschten aber. Jetzt wurde Ma auch noch vom Thron als reichster Mann Chinas gestoßen. Und der Aktienkurs des chinesischen E-Commerce-Unternehmens notiert derzeit nicht nur unter dem Einführungspreis vom Börsengang vor vier Monaten. Er hat seit dem Bekanntwerden des neuesten Problems – einer Massenklage gegen Alibaba – auch noch über zehn Prozent verloren. Die bekannte Anwaltskanzlei Robbins Geller Rudman & Dowd in San Diego hat bei einem Bezirksgericht in New York eine Sammelklage im Auftrag aller Aktionäre eingereicht, die zwischen dem 21. Oktober und dem 28. Januar Anteilscheine erworben haben. Der Vorwurf gegen das rasant wachsende Unternehmen, das inzwischen als größte digitale Handelsplattform der Welt gilt und eine Kapitalisierung von rund 214 Milliarden Dollar aufweist, lautet so: Alibaba hat „falsche und irreführende Erklärungen mit Blick auf das operative Geschäft und die Finanzkraft abgegeben und eine wichtige Überprüfung der Behörden nicht ausgewiesen." Gemeint ist damit ein Vorgang, der brisanter kaum sein könnte, vor allem aus der Sicht der Investoren, die Alibaba-Aktien aus substanziellen Gründen gekauft haben, um an einer lang anhaltenden Erfolgsgeschichte teilzuhaben. Die Kläger beschweren sich darüber, dass Alibaba im Prospekt für den Börsengang unter den genannten „Risiken" nicht jenes Gespräch mit der Marktaufsicht „State Administration of Industry and Commerce" (SAIC) erwähnte, das seit Tagen hohe Wellen schlägt. Das Alibaba-Management hatte sich bereits im Juli – zwei Monate vor dem furiosen Börsengang in New York – mit der SAIC getroffen. Die Aufseher schlugen den Managern „hoch dubiose, selbst illegale" Geschäftspraktiken um die Ohren. Darunter das Ergebnis eines SAIC-Tests unter den Alibaba-Kunden, wonach weniger als 40 Prozent der verkauften Ware in der digitalen Taobao-Mall - eines der beiden großen Internet-Kaufhäuser von Alibaba - keine Originale sein sollen. Das zumindest haben inzwischen staatliche Medien in China wie die Nachrichtenagentur Xinhua und das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, die People´s Daily, berichtet. Der klagenden Kanzlei zufolge sind daher die Alibaba-Aktien künstlich aufgebläht und spiegeln nicht den wahren Wert wieder. Am 28. Januar publizierten die chinesischen Behörden das Papier mit den genannten Vorwürfen. Der vielleicht heikelste Punkt darin ist die Beichte der Aufsichtsbehörde, dass sie die Veröffentlichung des brisanten Befunds hinausgezögert habe, um nicht der Börseneinführung von Alibaba im September 2014 zu schaden. Als die Kritik an diesem Verhalten der SAIC zunahm, wurde der als „White Paper" bezeichnete Befund wieder aus dem Internet genommen und sogar bestritten, dass es sich um ein Weißpapier handle. Laut dem Vizevorsitzenden bei Alibaba, Joe Tsai, hat das Management das heikle Papier der Aufseher zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, als es auf die SAIC-Webseite gestellt wurde. Alibaba, so Tsai, habe niemals die Behörde darauf gedrängt oder sie ersucht, die Publikation des Papiers zu verzögern. Aber das scheint auch nicht der entscheidende Punkt zu sein. Investoren stoßen jetzt auf zwei Probleme Immer mehr Experten weisen jetzt auf zwei besondere Probleme im Zusammenhang mit dem Skandal hin. Zum einen, wie schwierig es für die Anleger und Investoren sein wird, vor Gericht gegen Alibaba nicht nur Recht zu bekommen, sondern auch die dann in Aussicht stehende Entschädigung einzufordern. Erstens haben Manager, was die tatsächliche Einschätzung von „Risiken" angeht, viel Spielraum. Zweitens wird es wegen des kniffligen rechtlichen Konstrukts von Alibaba enorm schwierig sein, Ansprüche, so sie vom Gericht zugesprochen werden, geltend zu machen. Internationale Gerichtsurteile sind in China nicht durchsetzbar. Investoren werden jetzt noch vorsichtiger sein, wenn sie überlegen, ob sie bei IPOs von chinesischen Firmen künftig mitbieten wollen. Doch ein noch wichtigerer Punkt hat mit dem hohen Umschlag an Waren zu tun, mit dem Alibaba Geld verdient. Laut SAIC erfüllen lediglich 37,25 Prozent der Produkte, die auf Taobao vertrieben werden, die Standards der Behörde. Der Rest gilt als Plagiat oder minderwertig. Und daraus erwächst ein großes Dilemma. Bereinigt Alibaba das umstrittene Angebot und wirft die umstrittene Ware raus, was ohnehin enorm schwierig ist, dann würde dies stark dem Umsatz schaden und den Aktienkurs ins Wanken bringen. Tut Aliaba nichts oder wenig gegen die Raubkopien auf seiner digitalen Plattform, bleibt es angreifbar und ebenfalls ein Risiko für Börsianer. Die Manager von Taobao haben sich indes zum Gegenangriff entschlossen. Sie kritisieren ihrerseits die SAIC dafür, dass sie ihrem brisanten Befund nur eine ziemlich kleine Stichprobe zugrunde gelegt hat. Mehr noch: Jack Ma bestreitet kategorisch, dass der Prozentsatz von Plagiaten und minderwertiger Ware dermaßen hoch sei. Während der World Internet Conference im November fragte er nach seinem Vortrag in die Runde, ob sich jemand vorstellen könne, dass Alibaba mit Fakes täglich eine Milliarde Dollar umsetzen kann. Nach dieser Bemerkung postete ein aufgebrachter Teilnehmer auf der Plattform Weibo, er kaufe ja schließlich nur deshalb bei Taobao ein, weil es dort so viele hochwertige Plagiate gebe. Ma erwähnte in seiner Rede im November auch die berühmte Rolex-Uhr für vier Dollar, ein beliebtes Beispiel in China, wenn man von Fakes spricht. Doch nur fünf Minuten nachdem er dieses Beispiel erwähnt hatte, meldete sich die Financial Times und gab bekannt, dass ihre Redakteure auf Taobao eine Handtasche von Louis Vuitton für 29 Dollar entdeckt hatten, dazu ein Dior-Parfüm für sechs Dollar. Nach einer Rede am 2. Februar in Hong Kong wurde Ma in der Fragerunde auf den Skandal angesprochen. Ein Zuhörer wollte wissen, was es damit auf sich hat, dass eine nicht existierende Universität, die angebliche „Suwen University of Hong Kong", auf Taobao gefälschte Diplome verkaufen könne. Auf die präzise Frage, ob Alibaba intern solche Fälle überprüfe, antwortete Ma, er beschäftige rund 2000 Mitarbeiter, die die digitale Ware prüften. Allein 2014 habe man es deshalb geschafft, 400 Plagiatoren ins Gefängnis zu befördern. Doch bei insgesamt 1,2 Millionen Produkten auf der Plattform könne man im Grunde nur Hinweisen und Beschwerden nachgehen. Nicht angezeigte Fälle seien schwierig aufzuspüren. Jetzt hat das Unternehmen nicht nur die Behörden, sondern auch Chinas Staatsmedien, amerikanische Juristen und die zusätzlich motivierte Konkurrenz am Hals. Wie sich das auf die Bilanz auswirken wird, ist kaum abzusehen. Im Schlussquartal 2014 stieg der Taobao-Umsatz zum Vorjahr um 43 Prozent auf über 79 Milliarden Dollar an. Die beiden digitalen Malls von Alibaba – Taobao und Tmall – zählen jetzt 334 Millionen aktive Käufer pro Jahr. Das sind mehr als die USA Einwohner haben. Dem Börsenkurs ist der Druck, der in den vergangenen Tagen entstanden ist, jedoch schon deutlich anzusehen. Ob die gerade bekanntgewordene Entscheidung des Unternehmens, sein Kronjuwel „Ant Financial" – also die Sparte mit dem Bezahldienst Alipay – im laufenden Jahr nicht mehr an die Börse zu bringen, mit dem Skandal zu tun hat, ist nicht klar. Laut Ma soll das auf 50 Milliarden Dollar geschätzte Unternehmen in Asien in den Handel eingeführt werden. Der Ort und der Zeitpunkt seien aber noch nicht festgelegt.
Quelle: https://www.aktionaersforum.de/-/...und-die-40-prozent-produktpiraten |