Außer den US-Importen, -Einzelhandelsumsätzen, -Hypothekenzusagen und -Gewinnmargen sowie dem europäischen Geschäftsklima steigt alles: die Zwangsversteigerungen, der Ölpreis, der Euro, die Rentenrenditen, die Inflation - und die Aktienmärkte.
Aber keine Angst: Mit dem sprunghaften Anstieg der Jahresveränderungsrate der US-Importpreise von 1,9 auf 5,2 Prozent im September dürften auch die US-Importe nach dem Rückschlag im August wieder zulegen - na ja, wenigstens wertmäßig. Selbst für die - nominalen - US-Einzelhandelsumsätze ist Land in Sicht, da die US-Importpreise wegen eines Basiseffektes und freundlicher Unterstützung des Dollar demnächst fast zweistellig zulegen könnten, womit die Verbraucherpreisinflation in Richtung vier Prozent marschieren dürfte.
Angesichts der daraus resultierenden Realzinsen im Promillebereich, die sich in einem Geldmengenwachstum von zwölf Prozent in den USA und im Euro-Raum zeigen, ist langsam nicht mehr zu verstehen, warum sich einige Aktienanleger so zieren. Denn europäische Aktien kosten ja weiter nur den 14-fachen 2007er- und 13-fachen 2008er-Gewinn. Dabei impliziert doch schon das Fed-Modell - das auf dem nun wirklich einfachen und naheliegenden Vergleich zwischen Anleihen- und Gewinnrenditen basiert - ein KGV von 23, womit etwa der Dax auf Grundlage der 2008er- Prognosen 14.500 Zähler wert wäre. Ausgeklügeltere Bewertungsmethoden wie Diskontierungsmodelle deuten gar auf einen angemessenen Dax-Wert von 36.000 Zählern hin, wie in dieser Kolumne am 30. April dargelegt wurde.
Beispiel VW
Zumindest was die nichtfinanziellen Sektoren anbelangt, beginnen die Anleger, die Zeichen der Zeit langsam zu erkennen. In Deutschland etwa kosten diese im Durchschnitt mittlerweile den 17-fachen 2007er-Gewinn. Manche Aktien nähern sich gar ihrem fairen Wert. Nehmen wir beispielsweise VW, dessen Stämme nunmehr mit dem gut 20-fachen des 2007er-Gewinns notieren. Aber das ist eine oberflächliche Betrachtung. Denn wie jeder weiß, soll VW ja zumindest so gut werden wie Toyota. Doch während die Marktkapitalisierung der Japaner bei gut 90 Prozent des Umsatzes liegt, sind es bei VW gerade mal 60 Prozent. Schon insofern wäre bei VW ein weiterer Kursanstieg von 50 Prozent zu rechtfertigen.
Nörgler werden nun einwenden, dass Toyota bei einem Wechselkurs von 167 Yen je Euro beim Kampf um Marktanteile und auch in Sachen Rentabilität einen klitzekleinen Vorteil gegenüber VW haben könnte. Schließlich waren die Japaner selbst bei einem Kurs von 89,5 Yen je Euro, wie er im Oktober 2000 erzielt wurde, schon ziemlich konkurrenzfähig. Doch VW könnte ja sein Stammwerk nach Osaka verlegen. Oder als Ausgleich für den Währungsnachteil in Berlin für einen Mindestlohn von fünf Euro eintreten, den man dann in den Haustarifvertrag übernehmen könnte.
Ohnehin ist Toyota mit einem 2007er-KGV von gut zwölf viel zu billig - wie der japanische Markt mit einem 17er-KGV überhaupt. Dabei wäre laut Fed-Modell bei einer Anleihenrendite von 1,74 Prozent locker ein KGV von 57 vertretbar. Dass die Japaner das nach 17 Jahren Bärenmarkt immer noch nicht verstehen.
Beispiel Mobilfunk
Am Montag durchbrach Googles Aktie erstmals die 600-$-Marke. Keine drei Tage später erreicht der Börsenwert 200 Mrd. $. Das ist zwar in Euro gerechnet nichts mehr wert, aber unbeeindruckt lässt einen das nicht.
Die Rekorde fielen just, als Google mit einer Akquisition untermauert, sich zukünftig auch auf Mobiltelefonen breitmachen zu wollen. So manch andere Firma mit Mobilfunkbezug notiert ebenfalls auf Höchstkurs. Nehmen wir die großen, bekannten: Vodafone, Nokia, RIM (Blackberry), Google und Apple. Ihre Aktienkurse haben sich - in der obigen Reihenfolge - seit dem 1. August um 15, 38, 50, 25 und 26 Prozent erhöht. Damit haben alleine diese fünf seit August ihren Wert um 111 Mrd. Euro gesteigert, seit Anfang April gar um 186 Mrd. Euro.
Gut, denkt der Ökonom, wo der eine gewinnt, verliert der andere. Stimmt auch nicht. Motorola, Ericsson, Telefónica und die Telekom haben ebenfalls zugelegt. Wurden die Wachstumsprognosen kräftig erhöht? Rechnet man mit 15 Prozent Nettorendite und 10 Prozent Diskontfaktor, müsste der Markt zehn Jahre lang um 210 Mrd. Euro über den noch im April gängigen Schätzungen liegen, um den Börsenwertanstieg seitdem zu rechtfertigen. Zum Vergleich: In Europa wurden 2006 mobile Dienste im Wert von 150 Mrd. Euro nachgefragt.
Kennt man das von 1999? Jeder rollt den Markt alleine auf? Wie schnell man doch vom gleichen Kuchen zehrt, zeigen Apple und Nokia, die sich was von den Betreibern abschneiden wollen. Als Strafe schneiden diese in England bereits Nokias Edelhandy N81. Auf Firmenebene scheint man zu wissen, dass der Kuchen nicht schnell genug für alle wächst.
Quelle: http://www.ftd.de/boersen_maerkte/analysten/...6henrausch/264649.html |