aber vielleicht ja gerade darum interessant, dass es immer noch für der rede wert befunden wird. sprich: die sache ist eben doch noch nicht gelaufen. gruss - poh Joseph Stiglitz: Amerikanisches Kartenhaus von Joseph Stiglitz Zielstrebig ist die US-Wirtschaft in die Subprime-Krise gesteuert und hat dabei weltweit Kollateralschäden angerichtet. Jetzt geht es darum, die Auswirkungen auf die Konjunktur abzufedern. 
Manchmal macht es keine Freude, recht zu haben. Jahrelang habe ich argumentiert, die US-Wirtschaft werde von einer Spekulationsblase auf dem Häusermarkt gestützt. Keine Blase kann sich endlos ausweiten. Angesichts stagnierender Einkommen in der US-Mittelschicht konnten sich die Amerikaner immer teurere Häuser nicht leisten. Wie hat einer meiner Vorgänger im Amt des Chef-Wirtschaftsberaters des US-Präsidenten so treffend gesagt: "Was nicht aufrechtzuerhalten ist, wird nicht aufrechterhalten." Anders als jene, die ihr Leben mit Börsenspekulation bestreiten, behaupten Ökonomen nicht, den Tag der Abrechnung voraussagen zu können - und noch viel weniger das Ereignis, das das Kartenhaus zum Einsturz bringen wird. Doch es gibt sich wiederholende Muster mit Konsequenzen, die sich nur allmählich und schmerzhaft entfalten. Man muss zwischen einer Makrostory und einer Mikrostory unterscheiden. Die Makrostory ist einfach, aber dramatisch. So sagen einige Beobachter des kollabierenden Markts mit schlecht besicherten Hypotheken: "Keine Angst, das ist bloß ein Problem auf dem Immobiliensektor." Dabei übersehen sie die zentrale Rolle, die der Wohnungssektor in der jüngsten Zeit für die US-Wirtschaft gespielt hat. Während der vergangenen sechs Jahre entfielen zwei Drittel bis drei Viertel des Wirtschaftswachstums auf Direktinvestitionen in Immobilien und auf Gelder, die durch Umschuldung von Hypothekendarlehen freigesetzt wurden. Stark steigende Häuserpreise gaben den Amerikanern das Vertrauen und das nötige Geld, um mehr auszugeben, als sie einnahmen. Die US-Sparquote fiel auf Stände, wie man sie seit der Großen Depression nicht mehr erlebt hatte: Sie war entweder negativ oder lag bei null. Nun, da höhere Zinsen die Häuserpreise unter Druck setzen, ist das Spiel vorbei. Wenn sich Amerika jetzt auf eine Sparquote von vielleicht vier Prozent zubewegt (was noch immer niedrig ist), wird sich die Gesamtnachfrage abschwächen, und damit auch die Konjunktur. Schulden für den Konsumrausch Die Mikrostory ist noch dramatischer. Die Rekordtiefs der Zinsen in den Jahren 2001 bis 2003 haben nicht dazu geführt, dass die Amerikaner mehr und nachhaltiger investiert haben. Stattdessen kurbelte das billige Geld die Konjunktur an, weil es die Haushalte verleitete, ihre Hypotheken umzuschulden und einen Teil ihres Kapitals auszugeben. Es ist eine Sache, zu investieren und damit die Bilanzen zu stärken, und eine ganz andere, Kredite aufzunehmen, um seinen Urlaub oder seinen Konsumrausch zu finanzieren. Doch genau hierzu hat Alan Greenspan die Amerikaner animiert. Und als von den normalen Hypotheken nicht mehr genug Impulse ausgingen, ermunterte der damalige Chef der Notenbank dazu, Hypotheken mit variablem Zinssatz abzuschließen - zu einer Zeit, als die Zinsen nur noch in eine Richtung gehen konnten: nach oben. - ZUM THEMA
Rücksichtslose Kreditgeber gingen noch weiter: Sie boten Kredite mit Zinsstundung an, sodass sich der geschuldete Betrag jährlich erhöhte. Irgendwann würden die Zahlungen wieder ansteigen, erklärte man den Kreditnehmern, aber keine Angst: Die Häuserpreise würden noch schneller steigen, was problemlose Umschuldung auf einen weiteren Kredit mit Zinsstundung ermöglichen würde. All dies lief auf eine menschliche und wirtschaftliche Katastrophe hinaus. Die Realität hat uns inzwischen eingeholt: Zeitungen berichten von Käufern, deren Hypothekenraten höher sind als ihr Vermögen. Die Globalisierung bringt es mit sich, dass sich Amerikas Hypothekenproblem weltweit auswirkt. Amerika hat es geschafft, faule Hypotheken im Wert von Hunderten von Millionen Dollar bei Anlegern, darunter auch Banken, weltweit abzuladen. Diese wiederum vergruben die faulen Hypotheken so tief in komplizierten Schuldinstrumenten, dass niemand genau wusste, wie schlecht es um sie stand. Angesichts dieser Unsicherheit froren die Märkte ein. Diejenigen in der Finanzbranche, die an den freien Markt glauben, haben ihrem Glauben vorübergehend abgeschworen: Das öffentliche Wohl erfordere einen Bail-out. (Natürlich geht es nie um eigene Interessen.) Und während US-Finanzministerium und IWF vor Jahren die ostasiatischen Staaten in deren Finanzkrise vor den Risiken derartiger Nothilfen warnten und sie aufforderten, bloß nicht die Zinsen zu erhöhen, ignorierten die USA jetzt ihre eigenen Glaubenssätze, kauften Hypothekenverträge im Milliardenwert auf und senkten die Zinsen. Verantwortung der Geldgeber Doch haben die niedrigeren kurzfristigen Zinsen zu höheren mittelfristigen Zinsen geführt, die für den Hypothekenmarkt wichtiger sind. Für die Zentralbanken mag es sinnvoll sein, hypothekenbesicherte Wertpapiere zu kaufen, um dem Markt zu mehr Liquidität zu verhelfen. Jene aber, von denen sie kaufen, sollten dafür bürgen, damit die Allgemeinheit nicht den Preis ihrer schlechten Anlageentscheidungen zahlen muss. Die Kapitaleigner bei den Banken sollten nicht einfach so davonkommen. Mit der Verbriefung von Kreditforderungen sind - bei all den Vorteilen, was die Aufsplittung von Risiken angeht - große Probleme verbunden, die nicht vorhergesehen wurden. So hat die Verbriefung selbst zur schlechten Kreditvergabepraxis beigetragen: Früher trugen Banken, die faule Kredite einräumten, die Folgen. Heute, da Forderungen verbrieft werden, können die Urheber die Kredite an Dritte weitergeben. Früher wurden Hypotheken, wenn die Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr zahlen konnten, umgeschuldet. Zwangsvollstreckungen schadeten sowohl dem Kreditgeber als auch dem Kreditnehmer. Die Verbriefung von Kreditforderungen macht eine Umschuldung jedoch schwierig, wenn nicht unmöglich. Es sind die Opfer der rücksichtslosen Kreditgeber, die staatliche Hilfe brauchen. Wenn sich eine Hypothek auf 95 Prozent des Wertes eines Hauses beläuft, ist eine Umschuldung schwierig. Angemessen wäre, Privatpersonen, die sich übermäßig verschuldet haben, eine beschleunigte Möglichkeit zum Neustart zu bieten - etwa durch eine Regelung für den Fall der Zahlungsunfähigkeit, die es ermöglicht, vielleicht 75 Prozent des Eigenkapitals, das ursprünglich in ein Haus gesteckt wurde, wiederzubekommen. Wobei der Kreditgeber die Kosten hierfür trägt. Amerika und der Rest der Welt haben viel zu lernen. Dazu gehört, dass der Finanzsektor strenger beaufsichtigt und Schutz vor rücksichtsloser Kreditvergabe gewährleistet wird. Joseph Stiglitz lehrt an der Columbia University in New York und ist Träger des Wirtschaftsnobelpreises. www.project-syndicate.org http://ftd.de/meinung/leitartikel/:Kolumne%20Joseph%20Stiglitz%20Amerikanisches%20Kartenhaus/265901.html |