KREDITKLEMME / Politiker attackieren die Banken. Dabei korrigieren die Geldhäuser nur die Exzesse der vergangenen Jahre, sagt der Ökonom Thorsten Polleit http://www.merkur.de/...__Kein_Recht_auf.35575.0.html?&no_cache=1
Rheinischer Merkur: Die deutschen Industrieverbände klagen derzeit massiv über eine Kreditklemme. Zu Recht?
Thorsten Polleit: Nein. Selbst wenn die Banken jetzt weniger Kredite vergeben und höhere Zinsen verlangen als vor der Finanzkrise, ist das keine Kreditklemme, die staatliches Eingreifen oder Zwang für die Banken rechtfertigen würde. Derzeit werden auf den Finanzmärkten die Exzesse der vergangenen Jahre korrigiert. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Zentralbanken mit einer Politik des billigen Geldes immer mehr Geld und Kredit in Umlauf gebracht. Dies hat die Krise ausgelöst. Es ist betriebswirtschaftlich richtig, wenn die Aktionäre der Banken jetzt ihre Risiken reduzieren wollen und vorsichtiger bei der Kreditvergabe werden.
RM: Den Unternehmen, die keine Investitionen mehr vorfinanzieren können, die keine Überbrückungskredite mehr erhalten, hilft diese Erkenntnis jetzt wenig.
Polleit: Es gibt kein Recht auf Kredit, sondern die Erhältlichkeit von Krediten wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Krise hat die Kreditkonditionen verteuert, andere Preisanpassungen werden folgen müssen, zum Beispiel die Löhne. Unternehmen dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die Zeiten des billigen Kredits vorbei sind.
RM: Finanzminister Peer Steinbrück warnte jüngst die Banken. Sie müssten dafür sorgen, dass „wir nicht ansatzweise in die Nähe einer Kreditklemme kommen“. Haben Sie Verständnis für die Forderung?
Polleit: Es wird der Sache nicht gerecht, wenn Politiker in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass die Banken Kredite vorenthalten würden oder ihrem Auftrag, Kredite zu vergeben, nicht nachkommen.
RM: Die Politik warnt nicht nur, sie rettet auch die Banken, befreit sie mit Milliardensummen von ihren toxischen Wertpapieren. Welche Folgen hat das?
Polleit: Zwei Aspekte lassen sich unterscheiden: Erstens sollen Ausfälle im Bankensektor vermieden werden, die den privaten Sparer treffen würden, und deshalb will der Staat die Last für die Banken, die aus ihren schlechten Investitionen resultieren, abmildern. Zweitens will der Staat das Kreditangebot mit solchen Maßnahmen noch weiter erhöhen. Und davor kann man nur warnen, denn die gegenwärtige Kreditkrise ist Folge von zu viel Kredit und zu viel Geld bei zu niedrigen Zinsen. Der Ausweg kann deshalb nicht sein, noch mehr Geld und noch mehr Kredit zu noch niedrigeren Zinsen zu geben. Der einzig gangbare Weg, die Krise zu bewältigen, wird das Rückzahlen von Krediten sein.
RM: Ein solcher Anpassungsprozess würde massiv Arbeitsplätze kosten. Kann der Staat da einfach zuschauen?
Polleit: Zunächst: Der Staat hat das Problem maßgeblich verursacht. Seine Zentralbank hat zu viel Kredit und Geld zu zu niedrigen Zinsen produziert. Das hat uns zwar zunächst einen Kreditboom beschert, der nun aber in sich zusammengebrochen ist. Natürlich hat der Boom auch die Realwirtschaft und seine Produktionsstruktur in den letzten Jahrzehnten geformt und Arbeitsplätze geschaffen, die allein entstanden sind, weil es einen Kreditboom gab. Das muss sich jetzt korrigieren, was natürlich schmerzlich wird.
RM: Die USA setzen weiter auf billiges Geld der Zentralbank und eine gigantische Verschuldung des Staates. Hat Deutschland, hat die EU da überhaupt eine andere Wahl, als den gleichen Weg wie die größte Volkswirtschaft der Welt zu gehen?
Polleit: Sicher. Der Euroraum kann eine eigene Politik verfolgen. Es bedarf dazu lediglich einer entsprechenden politischen Willensentscheidung.
RM: Darf die Politik große, systemrelevante Banken pleitegehen lassen?
Polleit: Die Verluste bei den Banken sind angefallen, es geht derzeit um die Frage, wie sie verteilt werden, wer sie bezahlt. Alle Bemühungen, die jetzt auf den Weg gebracht werden, bekämpfen nur die Symptome, nicht die Ursachen der Misere. Wenn man diese Einsicht hat, fällt es schwer, all die Rettungsmaßnahmen für die Banken als sinnvoll anzusehen.
RM: Was wäre denn ein Ausweg aus der Krise?
Polleit: Ein privatwirtschaftliches Geldsystem. Es gibt eine Reihe von Ökonomen wie zum Beispiel Ludwig von Mises, die bereits im vergangenen Jahrhundert herausragende Arbeiten vorgestellt haben zur Privatisierung der Geldproduktion. Demnach sollen nicht mehr der Staat und seine Notenbank das Geldangebotsmonopol halten, sondern diese Aufgabe sollte dem freien Markt zugewiesen werden. Auf diese Weise kann dauerhaft gutes Geld etabliert werden. Gut in dem Sinn, dass sich das Geld nahtlos einfügt in die marktwirtschaftliche Ordnung. Unser staatliches Geldsystem ist dagegen ein Fremdkörper in dieser marktwirtschaftlichen Ordnung, und dieser Fremdkörper verursacht Probleme: Die Volkswirtschaften taumeln von einer Konjunkturkrise zur anderen, und dabei werden die Krisen von Mal zu Mal immer schlimmer.
RM: Droht ein Kollaps des Systems?
Polleit: Das heutige Geldsystem kann wohl kaum als nachhaltig angesehen werden. Da gibt es massiven Veränderungsbedarf. Positiv ist, dass sich diese Einsicht zunehmend auf der Welt durchsetzt. Die chinesische Regierung etwa hat gerade vorgeschlagen, die Geldschöpfung weltweit durch eine Rohstoffdeckung der wichtigen Währungen zu begrenzen. Die Zentralbanken müssten sich also verpflichten, die Geldmenge mit Vorräten an bestimmten Rohstoffen zu hinterlegen, könnten also nur zusätzliches Geld drucken, wenn sie gleichzeitig mehr Rohstoffe horten. Das wäre ein erster Schritt, der beliebigen Geldproduktion ein Ende zu bereiten.
RM: Im ersten Halbjahr 2009 stiegen die Aktienkurse und die Preise für Rohstoffe weltweit massiv an, die Spekulanten sind offenbar wieder liquide, auch dank der massiven Geldschöpfung der Zentralbanken und der Regierungen. Steuern wir mit den jetzigen politischen Maßnahmen also schon wieder auf die nächste Blase, die nächste Krise zu?
Polleit: Das sieht ganz so aus. Wenn sich in der Gesellschaft die Meinung durchsetzt, dass mit noch mehr Kredit zu noch niedrigeren Zinsen die Krise gelöst werden kann, wird früher oder später immer mehr Geld gedruckt, und das endet, wie die Währungshistorie nur allzu deutlich zeigt, in hoher Inflation. ----------- "Die Börse reagiert nur zu 10% auf Fakten, der Rest ist Psychologie!" (Kostolany) "Selten war mehr als ein Zehntel der Bevölkerung an dem beteiligt, was man Geschichte zu nennen pflegt!" (Samhaber) |