paris03:
Ich bin wie gesagt nur mit einer kleinen Position bei Osram drin. Klein genug, dass ich sie einfach mal einige Zeit nicht beachten kann.
Und natürlich muss man kein studierter oder bankausgebildeter Kaufmann sein, um an der Börse Erfolg zu haben. Ich kenne jemanden, der Diplom-Mathematiker ist und der in den 20 Jahren wo er an der Börse ist einen sehr ansehnlichen Gewinn eingefahren hat. Er hat sich mit seinen Börsengeschäften wirklich ein kleines Vermögen aufgebaut. Und hat in seinem ganzen Leben keine BWL-Vorlesung besucht.
Fakt ist jedoch, egal was für eine Ausbildung man genossen hat, kaufmännisches Denken ist an der Börse gefragt, und ein Verständnis für Zahlen, und ein Sinn für persönliche Finanzplanung. Und das beinhaltet auch, dass man das Geld was man an der Börse einsetzt nicht als Spielgeld sieht, sondern als Geldanlage, die man in der Regel auch mit Gewinn abschließen möchte.
Bei Osram muss ich eingestehen, in den 12 Jahren und mehr wo ich an der Börse bin, habe ich noch nie dermaßen daneben gegriffen mit einer Aktie. Ist mir schlicht noch nicht passiert, dass das Finanzmanagement eines indexgelisteten deutschen Unternehmens dermaßen dreist seine Anleger belogen hat. In jüngster Vergangenheit fällt einem da ja eigentlich nur noch Volkswagen ein, obwohl der Diesel-Skandal ja ein wenig anders gelagert war. Andererseits, da die Einschläge ja in den vergangenen Wochen immer näher kamen mit Gewinnwarnungen in der Autoindustrie und Strafzöllen und so, hätte man wahrscheinlich erkennen müssen, dass hier ganz einfach nix mehr zu holen war. Man lernt eben nie aus, und hoffen und harren hält manchen zum Narren.
Was deine Beschreibung der Bankenwelt angeht, die ja ach so vorsichtig umgeht mit dem Geld ihrer Anleger, naja. Wenn du ein bisschen ehrlich zu dir selber bist, dann wirst du zugeben, dass da bei dir auch viel Vertriebsgeschwafel dabei ist. Ich war selber im Studium eine Weile im Praktikum im Privatkunden/Investment-Bereich bei einer der größten deutschen Banken überhaupt. Ich will nix weiter verraten, aber wirklich einer der big player. Und ich kann deine Einschätzung nicht teilen. Dort galt die Devise, Gier frisst Hirn, und den Kunden wurden Finanzprodukte angedreht, die alles im Blick hatten, aber nicht, mit dem Geld der Anleger sorgsam umzugehen. Verkauft werden musste, was die Vertriebsleitung vorgab, und meistens waren das irgendwelche Schrottpapiere verschiedenster Machart. Oder es waren Aktien von Unternehmen, über denen schon halb der Pleitegeier kreiste, oder geschlossene Immobilienfonds, die dicht am Bankrott standen.
Ich durfte auch mal deren Trading-Room ansehen, wo wirklich Trader saßen, die im Auftrag von Kunden Gelder hin- und hergeschoben haben. Und zwei Erkenntnisse kamen mir da: erstens, erfolgreicher Trader zu sein, verlangt einen ganz bestimmten Typus Mensch, und ungefähr 95 Prozent der Normalbevölkerung erfüllt diese Anforderungen nicht. Bei den Leuten die in den Börsen-Foren so unterwegs sind, dürfte die Quote immer noch bei 75 bis 80 Prozent liegen. Und zweitens, Trading ist schlicht und einfach nix für Kleinanleger zuhause am Monitor. Man hat hier einfach keine Chance. Nicht gegen die Trading-Computer (damals grassierte das aber noch nicht so sehr), und halt auch nicht gegen professionelle Trader, zum einen deren Hardware und zum anderen deren Wissensvorsprung. Es erfordert unterm Strich eine geistige Leistung, die von Otto Normalanleger schlicht und einfach auf Dauer nicht zu erbringen ist.
Und hier nocheinmal mein Verweis darauf, dass es einen ganzen Berg von faktischen Belegen dafür gibt, dass der normale Kleinanleger mit Trading, egal auf welcher eher kurzfristig orientierten Zeitebene, keine großen Chancen hat. Die Verlustwahrscheinlichkeit im langfristigen Zeithorizont ist einfach überragend hoch. Meine 50 Euro pro Aktie die in Osram stecken haben sich vielleicht bald halbiert. Na und. Man muss dazu sagen, dass das was bei Osram die letzte Zeit passiert ist einfach ein singuläres Ereignis war. Fast schon ein black swan. Aber - gesetzt den Fall, dass Osram in Zukunft doch mal den Hintern hochbekommt und endlich mal fähige Leute bei seinen Finanzen ans Ruder lässt, kann sich das auch mal wieder ändern. Steht die Aktie in drei, oder sogar vier Jahren wider Erwarten mal wieder bei 60 Euro, ist es immer noch ein gutes Geschäft gewesen. Totgesagte leben länger, und das könnte auch für Osram gelten.
Ich hab mich nach meinem BWL-Studium übrigens dann in die Bereiche Marketing, Unternehmensführung und (zwischenzeitlich mal) Consulting orientiert, weil ich die Atmosphäre bei den Banken einfach nur abstoßend fand. Ich kann deine Einschätzung nach meinem Einblick wie gesagt nicht teilen, und bin froh, nicht ein Teil dieser Maschinerie geworden zu sein. Einen besonderen Sinn dafür, mit Kundengeldern vorsichtig umzugehen, konnte ich dort jedenfalls bei niemandem feststellen. |