So jemand würde für höhere Aktienkurse sorgen, würde man Ihm den Vorstandsposten anvertrauen.
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Kolja von Bismarck: Der Mann für die ganz großen Katastrophen
von Sönke Iwersen Quelle: Handelsblatt Online Kolja von Bismarck macht den härtesten Job der Anwaltsszene: Er wird erstgerufen, wenn ein Unternehmen am Abgrund steht. Arrogant - aber mit Grund, so beschreibt ihn ein Weggenosse. Von Bismarck kann es sich leisten, aus dem Rahmen zu fallen. Freunde und Feinde halten ihn gleichermaßen für einen der besten Restrukturierungsexperten Europas.
Kolja von Bismarck gilt als einer der besten Restrukturierungsexperten Europas. Die Arbeit beginnt um neun. Er geht ungern vor 22 Uhr nach Hause. Quelle: handelsblatt.com FRANKFURT. Bundeswirtschaftsministerium, im Mai 2009. Anwälte telefonieren halblaut am Handy, andere bauen Laptops und Akten im großen Besprechungsraum im Erdgeschoss auf. Finanzexperten von Lazard sitzen auch schon da. Die Stimmung ist angespannt, der Druck riesig. Das drohende Ende der Opel-Mutter General Motors lastet wie ein schwerer Schleier auf allen Anwesenden. 150 Jahre deutsche Automobilgeschichte stehen auf dem Spiel. Zehntausende von Arbeitsplätzen. Steuereinnahmen für Jahrzehnte. Vielleicht eine Bundestagswahl. Es ist kurz vor 10:00 Uhr, aber eigentlich fünf vor zwölf.
Anzeige Der Aufmarsch der Politik beginnt. Das gastgebende Wirtschaftsministerium hat seine Vertreter geschickt, das Finanzministerium auch. Stühle werden näher aneinandergerückt, denn noch immer sind die Türen nicht geschlossen. Referenten des Innenministeriums treten ein. Als schließlich auch noch Leute auftauchen, die sich als Vertreter des Außenministeriums vorstellen, meldet sich irgendwo im Raum eine Stimme: "Können wir jetzt anfangen, oder warten wir noch auf die Vertreter aus dem Verteidigungsministerium?"
Kolja von Bismarck. Es gibt nur wenige Menschen, die sich in einer solchen Schicksalsstunde einen Scherz erlauben. Die Vorstellung, dass ausgerechnet ein Anwalt die Grabesstimmung einer Milliardensanierung mit einem flotten Spruch auflockert, widerspricht nicht nur dem Standesdünkel, sondern auch der Erfahrung. Doch Kolja von Bismarck ist anders, als man sich einen deutschen Wirtschaftsanwalt vorstellt. Mal erscheint er in roten Hosenträgern zu einer Krisensitzung, mal flucht er nachts um drei so laut und auf französisch über seine Gesprächspartner, dass alle im Raum den Atem anhalten.
Auf den Notfalllisten steht er immer
Arrogant, aber mit Grund, so beschreibt ihn ein Weggenosse. Von Bismarck, der hochgewachsene Mann mit dem großen Namen, kann es sich leisten, aus dem Rahmen zu fallen. Freunde und Feinde halten ihn gleichermaßen für einen der besten Restrukturierungsexperten Europas. Der US-Autobauer General Motors, der niederländische Chemie-Multi Lyondell Basell, der japanische Filmkonzern Sony Pictures - sie alle vertrauten bei der Restrukturierung vor oder der Schadensbegrenzung nach großen Insolvenzfällen in Deutschland auf denselben Mann. In mehr als zwanzig Jahren hat sich von Bismarck einen Ruf erarbeitet, auf dem er heute wie auf einem roten Teppich durch die Katastrophenstätten der Wirtschaft schreitet. "Auf Kolja kann man sich verlassen", sagt einer, der ihn schon oft mandatiert hat. "Es gibt für solche Krisenfällen Notlisten, auf der sehr wenige Namen stehen. Koljas ist immer mit drauf."
Insolvenzrecht, sagen Anwälte, ist etwas für die ganz harten in der Branche. Übernahmen? Verkäufe? Sicher, auch da kann es um Milliarden gehen, es wird Tag und Nacht gearbeitet - oft wochenlang. Aber eine tatsächliche oder drohende Insolvenz eines Konzerns, sagen Anwälte, das ist noch einmal eine andere Hausnummer. Wenn sie hier keine Lösung finden, gehen nicht nur Forderungen in Milliardenhöhe verloren. Männer wie von Bismarck beeinflussen tausende, zehntausende von menschlichen Schicksalen. Gelungene Sanierungen können Konzerne retten; gescheiterte können ganze Landstriche in die Trostlosigkeit stürzen.
Von Bismarck kann führen
"Ich kann mir nichts vorstellen, was mich mehr fordern würde", sagt von Bismarck. "Wenn wir kommen, sind ja schon ganz viele dagewesen, die eben nicht helfen konnten." Das ist seine Ausgangsbasis. Absolute Verzweiflung, riesige Schulden, meist hoffnungslos eskalierter Streit zwischen Geschäftsführung, Gesellschaftern, Banken und Gläubigern. "In solchen Situationen brauchen Sie jemanden, der führen kann", sagt ein Auftraggeber von Bismarcks. "Das kann Kolja. Wenn Sie in so einem Schlamassel stecken, ist es sehr beruhigend, auf derselben Seite zu stehen wie er."
Frankfurt, Konferenzzentrum am Flughafen, Sommer 2006. Der Besprechungsraum, den man für Verhandlungen über die Rettung des Autozulieferers Schefenacker eingerichtet hat, ist überfüllt. 50, 60 Anzugträger tummeln sich, überall blinken Laptops und Blackberrys. Über die Telefonanlage sind Dutzende weiterer Betroffener zugeschaltet. Negatives Eigenkapital soll in der Bilanz von Schefenacker stehen - nach herkömmlicher Lesart ist der Laden bankrott.
Genau das darf aber nicht sein. Schefenacker liefert die Spiegel für fast alle großen Hersteller: Daimler, BMW, Volkswagen und andere. Keiner kann einfach auf einen anderen Lieferanten ausweichen, und niemand will Autos ohne Spiegel.
Auf Schefenacker lasten riesige Schulden, die Geschäftsführung hat gerade gewechselt. Die Kunden sind verängstigt, die Banken genervt, die Gläubiger auf den Barrikaden. Alles zankt sich um einen Kuchen, der viel zu klein ist, um alle satt zu machen.
"Wir saßen da alle zusammen und haben darauf gewartet, uns zu zerfleischen", sagt ein Sitzungsteilnehmer. Und dann, einfach so steht Kolja von Bismarck auf, geht in die Mitte des Raumes, und beschreibt die Lage. "Warum sind wir hier? Wir sind hier, weil der Untergang von Schefenacker in einer nicht steuerbaren Insolvenz für alle die schlechteste Option ist. Also müssen wir das Unternehmen retten. Was brauchen wir dafür? Und wo kriegen wir das her? Wer trägt was zur Rettung bei und bis wann ? Nur darum geht es jetzt, und nur darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren."
Niemand hatte von Bismarck damals das Wort erteilt. Er hat es sich einfach genommen. Der Anwalt vertrat bei Schefenacker große Autohersteller. Die Rettung wurde noch ungeheuer kompliziert - erstmals in der Geschichte verschob man das ganze Unternehmen einfach nach England. Doch letztlich klappte die Rettung. Und von Bismarck, sagen mehrere Beteiligte, hatte einen wesentlichen Anteil daran.
Aufbrausend oder unverschämt?
Der Anwalt genießt solche Erfolge. "Es gibt nichts Bewegenderes, als vor einer Betriebsversammlung zu stehen und sagen zu können: Alles okay, die Insolvenz ist abgewendet." Er hält sie selbst, solche Reden - auch das ist Teil seines Jobs. "Sie dürfen nicht vergessen, dass die Geschäftsführung nicht nur das Vertrauen der Banken, sondern auch der Mitarbeiter in einer solchen Situation weitgehend verloren hat", sagt von Bismarck. "Da ist es besser, wenn die Leute das von jemandem hören, dem sie glauben. Und wenn Ihnen eine Mitarbeiterin aus dem Versand unter Tränen dankt, ist das schon tief bewegend."
Von Bismarck ist ein Gefühlsmensch. Aufbrausend, sagen heute seine Verhandlungsgegner; unverschämt fand ihn vor 40 Jahren sein Musiklehrer in Essen. Der kleine Kolja war aufgestanden und hatte die Respektsperson aufgefordert, sich bei einem Mitspieler wegen eines Witzes zu entschuldigen. Der Lehrer gab ihm stattdessen eine Ohrfeige. Kolja schlug zurück. Und musste die Schule verlassen.
Die Prügelei mit einem Lehrer ist nicht die einzige Ungereimtheit in von Bismarcks Lebenslauf. Kolja kam auf ein Internat - aber keins, das auf eine Karriere als Top-Anwalt vorbereitet. Auf der Hermann-Lietz-Schule galt das Selbstversorgungsprinzip - Kolja arbeitete sich vom Kartoffelacker zum Putenstall hoch. Die Familie lebte bescheiden. Der Vater musste mit 19 nach Stalingrad, er kehrte erst 13 Jahre später aus der russischen Gefangenschaft zurück. Er arbeitete als Bergmann, verlor oft den Job. "Ich kenne die Situation, dass am Ende des Monats kein Geld mehr da ist. Ich habe mir damals vorgenommen, dass mir das nicht passiert."
Das hat er geschafft. 18 Jahre lang arbeitete von Bismarck für Clifford Chance, seit fünf Monaten leitet er das Restrukturierungsteam von Linklaters. Nach Branchenschätzungen konnte ein Partner hier 2009 mehr als eine Million Euro verdienen. Von Bismarck hat in Berlin ein großes Haus gekauft, in der Uckermark ein kleines gemietet. Er trägt gern teure, gut geschnittene Anzüge - mit seinem Kleidungsstil fällt er zwischen den artig unauffälligen Kollegen regelmäßig auf. "Ich bin nicht uneitel", gibt er unumwunden zu. "Früher musste ich Sachen tragen, die von der Qualität her schlecht waren und bestenfalls langweilig, in der Regel aber grauenhaft aussahen. Inzwischen leiste ich mir Klamotten, die mir gefallen."
Zu Hause arbeiten geht nicht
Der Preis, den von Bismarck für seinen Erfolg zahlt, ist hoch. Seine vier kleinen Söhne sieht er in der Woche bestenfalls beim Frühstück, von Dienstag bis Donnerstag gar nicht. Von Bismarck pendelt zwischen Berlin, wo er wohnt, und Frankfurt, wo Linklaters das Restrukturierungsteam angesiedelt hat. Alle Bemühungen, das zu ändern, sind gescheitert. "Ich hab mal versucht, von zu Hause aus zu arbeiten - im Grunde brauche ich ja nur einen PC und ein Telefon", erzählt er. "Aber wenn Sie am Schreibtisch das Familienleben hören und wenn die Kinder irgendwann einen Zettel unter der Tür durchschieben, Gute Nacht, Papi, dann geht das einfach nicht."
Also hat sich von Bismarck in Frankfurt eine Ein-Zimmer-Wohnung gemietet. Die Arbeit beginnt um neun, er geht ungern vor 22:00 Uhr. Unterbrechungen mag er gar nicht. "Lunch is for whimps", zitiert er einen Spruch aus der Bankerszene. Seine Hauptmahlzeit nimmt er kurz vor Mitternacht zu sich.
Kolja von Bismarck führt ein extremes Leben - und er geht in seinem extremen Job völlig auf. Er ist kein Mensch, der sich gern anpasst. In seiner Militärzeit wurde er strafversetzt - ein Kommandeur deklarierte ihn wegen seiner bissigen Bemerkungen über einen Vorgesetzten zur Gefährdung für den inneren Frieden des Bataillons. Vor der Münchener Anwaltskammer musste sich der Nachfahre eines Bruders von Otto von Bismarck wegen Kollegenbeleidigung verantworten. Er hatte das Argument seines Gegenübers als "Quitschi-Quatschi" bezeichnet.
Neben seiner fraglosen fachlichen Qualifikation ist es diese Grundaggressivität, diese Ungeduld, die viele in der Szene besonders an von Bismarck schätzen. "Ich beobachte immer wieder, dass Kolja sehr schnell einen Draht zu den Entscheidern im Unternehmen herstellt", sagt ein einstiger Verhandlungsgegner. Von Bismarck könne zwar nicht wie andere Kollegen die letzten sieben BGH-Urteile zu einer Rechtsfrage zitieren. Doch das sei von den Mandanten auch gar nicht gewünscht. "Kolja bringt die Dinge auf den Punkt, und dann kämpft er für eine Lösung", sagt der Anwalt. "Und wenn jemand nachts um vier mit seinem unerschöpflichen Rechtswissen angeben will, dann setzt er ihn ganz schnell auf den Topf. Ich bin Kolja oft schon sehr dankbar gewesen." |